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Die Technik befragen

Trotz der beeindruckenden Anzahl technologischer Annehmlichkeiten sehe ich die Gefahr, wie unsere zunehmende übermäßige Abhängigkeit von ihnen systematisch die äquivalenten Fähigkeiten in uns unterentwickelt lassen. Als Gesellschaft externalisieren wir unser […]

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Das rechte Netz

(iz). Die hohe Frequenz der Meinungen, Eindrücke und Informationen in sozialen Netzwerken setzt Medien und Politik immer stärker unter Druck. Internetnutzer erfüllen immer häufiger die Funktion von Stichwortgebern. Während die […]

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Muslime im Fokus

Das Thema Muslime in den Medien – im Sinne einer Aufklärung über die Lebenswirklichkeit und Gestalt der Lebenspraxis von Muslimen – wird im Moment wieder lebhaft diskutiert. Muslime tauchen in den Debatten in unterschiedlichem Kontext auf, wenn auch selten als deutsche BürgerInnen und überhaupt nur ausnahmsweise mit positiver Tonierung, aber immer öfter im Kontext von „Flucht“, „Terror“ oder „Immigrationsproblemen“.
Medien folgen heute bei der Berichterstattung über „heiße“ Themen einem „Sofortismus“ (Bernhard Pörksen) und sortieren spektakuläre Ereignisse, wie die schändlichen Angriffe auf Frauen in Köln, immer schneller ein. Soll das Zusammenleben in Deutschland aber weiter funktionieren, gilt es im medialen Umgang mit den Millionen von Muslimen im Lande insbesondere die Kräfte der Differenzierung zu stärken.
Für uns Muslime ist es dabei wichtig, nicht nur die Klage über Grobheiten im medialen Umgang mit uns zu betreiben, sondern das Thema des Umgangs mit den  Medien in einen geschichtlichen, philosophischen und technologischen Kontext zu setzen. Nur so können wir die aktuelle Dynamik der Informationsverbreitung besser einordnen, ihr konstruktiv begegnen und uns hoffentlich besser an den Auseinandersetzungen um die öffentliche Meinung beteiligen.
Am Beispiel der Entstehungsgeschichte von „Zeitungen“ wird klar, dass wir uns bei der historischen Einordnung moderner Medien zunächst mit dem geschichtlichen Kontext der Aufklärung beschäftigen müssen. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Europa vor allem eine Anwesenheitskommunikation. Rudolf Schlögl beschreibt dieses Phänomen in seinem wichtigen Aufsatz „Politik beobachten“ wie folgt: „Wenn die Gemeinde der Bürger sich gegenüber dem Rat artikulierte, indem sie vor dem Rathaus zusammenlief, mit dem Sturm auf das Rathaus drohte und einen Ausschuss bildete, der mit dem Rat verhandelte, dann wurde Politik nicht beobachtet, sondern es wurde Politik gemacht.“
Dieser direkte Austausch an der Basis wurde bald selten. Neue Drucktechniken stellten Kommunikationsmedien zur Verfügung, mit deren Hilfe die Reichweite von Herrschaft sich beträchtlich erweitern ließ, weil sie von der Anwesenheit der Herrschenden entkoppelt werden kann. Es entstand nicht nur eine neue Distanz zwischen Herrschenden und Beherrschten, sondern auch eine ganz neue Perspektive, die beobachtende Öffentlichkeit.
Die Zeitschriften und Journale, die seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts in wachsender Zahl gegründet wurden, sahen zunächst darin eine wichtige Aufgabe, dem Leser Orientierung in der Fülle der zahlreichen neuen Buchtexte zu verschaffen. Dies hatte in den periodischen Printmedien naturgemäß eine Säkularisierung des Weltbezuges zur Folge. Das heißt, Medien beförderten mit Macht den „Rückzug der biblischen Prophetie“, stellten die alten religiösen Erklärungsmodelle in Frage und boten dagegen einen diskursiven Freiraum des Politischen an.
Medienkritik begleitete dabei übrigens die Zeitungen seit ihrer Einführung. Der Gelehrte und Sprachwissenschaftler Casper Stieler merkte am Ende des 17. Jahrhunderts an, „dass man in Zeitungen generell mit Nachrichten über wahre und vermeintlich wahre Dinge“ zu tun habe und die Zeitungsnachricht deswegen keinen anderen Status habe als das Gerücht.
Natürlich veränderten „Zeitungen“ auch das politische Feld. So informierten sich europäische Staaten beispielsweise nicht mehr nur mit dem Mittel der Anwesenheitskommunikation über ihre jeweiligen Absichten, sondern man las zunehmend in überregionalen Zeitungen übereinander. Zeitungen schafften so eine permanente Öffentlichkeit, die sich nicht mehr vor Ort informierte. In diesem Kontext zeigten sich auch innerhalb der Staaten die Möglichkeiten von Freiheit und Unfreiheit: Die Öffentlichkeit beobachtete den Staat, der Staat beobachtete die Zeitungen (Zensur).
Als problematisch zeigte sich im 19. Jahrhundert insbesondere das Verhältnis von Medien und Ideologie. Natürlich eigneten sich die neuen Techniken nicht nur für die Verbreitung bestimmter Überzeugungen, sondern im schlimmsten Fall auch zur Steigerung radikaler Subjektivität, bis zur Förderung radikaler Parteiungen. Philosophisch kann man wohl sagen, dass Medien nicht nur Informationen verbreiten, sondern auch einem bestimmten Willen zur Macht dienen können. Der Wille zur Macht ist dabei nicht etwa ein Wille zur Wahrheit, sondern ein Wille zum Schein, und zeigt sich auch gerade in dem Vermögen, subjektive Positionen mit absolutem Wahrheitsfuror zu verbreiten.
Heute wird dieses Phänomen der Einseitigkeit durch die Nutzung von Suchmaschinen und ihren Algorithmen verstärkt. Der individualisierte Medien­rezipient wird oft automatisch nur noch mit solchen Medienbotschaften beliefert, die zu seinen Vorlieben passen und ihm somit jede kognitive Dissonanz ­ersparen.
Natürlich suchten Philosophen wie Nietzsche, ganz im Gegensatz zum Typus des modernen Agitators, immer noch nach höherer, übermenschlicher Wahrheit. Nietzsche stellte über die Machenschaften des Journalismus eher spöttisch fest: „Mit Zeitungen, selbst den wohlgemeintesten, kann und darf ich mich nicht einlassen: — ein Attentat auf das gesamte moderne Presswesen liegt in dem Bereiche meiner zukünftigen Aufgaben.“
Auch Goethe sieht bereits die typische Gefahr der Politisierung der Gesellschaft durch Medien: „Wenn man einige Monate die Zeitungen nicht gelesen hat, und man liest sie alsdann zusammen, so zeigt sich erst, wieviel Zeit man mit diesen Papieren verdirbt. Die Welt war immer in Parteien geteilt, besonders ist sie es jetzt, und während jedes zweifelhaften Zustandes kirrt der Zeitungsschreiber eine oder die andere Partei mehr oder weniger und nährt die innere Neigung und Abneigung von Tag zu Tag, bis zuletzt Entscheidung eintritt und das Geschehene wie eine Gottheit angestaunt wird.“
Die Mahnung des Dichterfürsten klingt auch heute, wo in den Debatten schnell ein Extrem das Andere ablöst, hochaktuell. Tatsächlich sorgte sich schon im 19. Jahrhundert eine Elite, dass die Medien – vor allem, wenn sie in keine friedliche Philosophie eingebettet sind – letztlich die Freund-Feind-Verhältnisse schüren, verstärken und so auch harte Konflikte vorbereiten können.
Wenn man heute modernen Medien oft einseitige Berichterstattung über die Kriege unserer Zeit vorwirft, sollte man nicht vergessen, dass sich die Zeitungskultur gerade auch flächendeckend durchsetzte, weil sie die großen Schlachten des 18. Jahrhunderts begleitete. Dabei prägte ihre subjektive Darstellungsform eine bestimmte Perspektive. Die Berichterstattung erfolgte gewissermaßen vom Posten des Feldherrn und gewöhnte den Leser daran, die Welt aus der Sicht des Herrschers wahrzunehmen. Der Lyriker Christian Friedrich Hebbel (1813-1863) mahnte insoweit: „Zeitungen sind die einzige dem Schießpulver analoge Erfindung, und eine noch gefährlichere als diese, denn sie dienen nur einer Partei.“
Es wäre ein weiteres Thema, die spätere Politisierung der Medien im Zeitalter der Herrschaft des Nationalsozialismus zu untersuchen. Technologische Innovationen, ideologische Positionierungen und die Dialektik gegen die Gegner (und ihre „Lügenpresse“) schafften unter anderem den öffentlichen Raum für die politische Perversion der Nationalsozialisten. Im Dritten Reich war es zudem noch möglich, Rundfunk, Fernsehen und Printmedien einem politischen Willen zu unterwerfen.
Als eine der Erfahrungen aus der Überwindung der Ideologien sollte sich in der Bundesrepublik auch die Rolle der Medien verändern. Sie sollen, als eine Art „Vierte Gewalt“, zwar keine eigene Gewalt haben, aber die Macht zur Änderung der Politik oder zur Ahndung von Machtmissbrauch besitzen und so durch eine freie Berichterstattung die öffentliche Diskussion und das politische Geschehen beeinflussen können. Die eigentlichen Herausforderungen für diese neue Freiheit der Medien sind in der Nachkriegszeit weniger politischer, sondern ökonomischer und technischer Natur. Ein Problem ist dabei die immer größere Abhängigkeit der großen Medien vom Kapital und die Tendenz zur Medienkonzentration.
Die Rolle neuer Technologien verändert heute die Medienlandschaft dramatisch. Der Anteil der Menschen in Deutschland, die sich in einer (Print-) Zeitung über das aktuelle Geschehen informieren, ist seit 2005 von 51 auf nur noch 36 Prozent gefallen. Das Durchschnittsalter des Spiegel-Online-Lesers, so liest man bei Telepolis, liegt heute bei 53 Jahren, bei der Printausgabe sogar noch deutlich höher. Das Internet bietet gleichzeitig auch muslimischen Medien ihre Nischen und Möglichkeiten, das herrschende Bild der Mainstream-Medien zu verändern.
Natürlich müssen wir uns auch gerade in den Onlinemedien mit tendenziöser Berichterstattung und grundsätzlich fragwürdigen Techniken der Berichterstattung beschäftigen. Gerade die neuen Medien bieten auch spezifisch neue Möglichkeiten der Schädigung des politischen Gegners. Wie schon an anderer Stelle in der IZ ausgeführt, geht es hier um „Assoziationstechniken“, Fragen der Definitionshoheit, die Markierung von Andersdenkenden als „Islamisten“ und natürlich auch hier um die Ablehnung paradoxer Wortschöpfungen wie den „islamischen“ Terrorismus.
Der eindeutige Trend der Jugend hin zu den sozialen Medien als die primäre Informationsquelle wird unsere Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Privatheit jedenfalls weiter radikal ändern. Die Internetpräsenz der großen Medienhäuser verschärft gleichzeitig den Kostendruck, da die Ausgaben für einen Qualitätsjournalismus gleich bleiben, aber die Werbeeinnahmen nur für sehr erfolgreiche Portale lukrativ sind. Vielen Medien ist der ökonomische Druck, der sich in oberflächlicher und plakativer Berichterstattung zeigt, bereits deutlich anzumerken. Gerade in der Berichterstattung über strittige Themen wie den Islam, entscheiden auch profane Verkaufszahlen über den Tenor der Berichterstattung. Hinzu kommt, dass muslimische Terroristen die mediale Wirkung als Teil ihrer Strategie begreifen. Sie nutzen für sich die Asymmetrie zwischen der eigenen realpolitischen Bedeutung und der öffentlichen Wirkung.
Der Philosoph Peter Sloterdijk beschrieb nach dem 11. September, sicher auch eine Zeitenwende in Bezug der Berichterstattung über die Muslime, ein grundsätzliches Phänomen. Der Terrorismus wird aus Sicht des Denkers bei uns geradezu sakralisiert und Medien nutzten dabei ihre Macht der Vergrößerung. „Nadelstichgroße Effekte im Realen werden “ so Sloterdijk „durch unsere Medien bis auf das Format von interstellaren Phänomenen vergrößert.“
Zweifellos gehört es zur Macht von Medien Ereignisse zu verstärken, manchmal auch quasi zu vermarkten. Muslime werden heute in den Medien nicht zufällig eher als „Täter“, seltener aber als „Opfer“ dargestellt. Gegen diesen Eindruck kann man, wenn man will, allerdings auch Fakten setzen. Natürlich gibt es Journalisten, die – gegen den aktuellen Trend – eine differenzierte Position gewissenhaft recherchieren und auch verbreiten. Diesen Versuch zur Differenzierung unternahm zum Beispiel Rüdiger Scheideges vom „Handelsblatt“. In seinem Artikel weist er nach, dass die größten Opferzahlen des globalen Terrorismus Muslime sind. Auch die schnelle Verknüpfung von Terror und Islam sieht er skeptisch. So mahnt er:  „2014 sind weltweit rund 33.000 Menschen durch Terrorismus (nicht durch Kriege!) vernichtet worden. In westlichen Ländern aber ist der islamische Fundamentalismus entgegen unserer Wahrnehmung nicht die Hauptursache für Terrorismus: 80 Prozent aller Getöteten standen nicht im Fadenkreuz von Dschihadisten, sondern sind Opfer von Einzeltätern, die politische oder religiöse Extremisten, Nationalisten oder Rassisten waren.“
Das Phänomen des IS/Daesh stellt nochmals eine Steigerung der Begriffsverwirrung und der Verbreitung dunkler Assoziationsketten dar. Die Debatte über die Muslime in den Medien hat sich seit dem IS-Terror nochmals deutlich verschärft. Die NGO „Mediatenor“ hat für eine Studie nach eigenen Angaben alle 265.950 Berichte über Akteure sowie 5.141 Berichte über den Islam, die katholische und evangelische Kirche in 19 deutschen TV-, Radio- und Printmedien ausgewertet. Christian Kolmer, Leiter für Politik bei Mediatenor, bringt die Lage auf den Punkt: „Der Islamische Staat katapultiert das Medien-Image des Islam in einen katastrophalen Zustand.“ Gleichzeitig bringt der Experte die künftigen Herausforderungen für uns Muslime auf den Punkt: „Wie das Image des Islam sich aus diesem absoluten Tiefstand erholen soll und in welchem Zeitraum das möglich ist, muss alle Kräfte der Integration mit größter Sorge erfüllen“.

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Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln: Facebook, Twitter und Co sind mit Situation überfordert

Wien (pte). Die jüngsten Kampfhandlungen im Nahen Osten stellen Social-Media-Plattformen vor enorme Probleme. Sowohl Israel als auch die Hamas verbreiten aggressiv Propaganda über die neuen Medien, wie betabeat.com schreibt. Ein […]

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Das Internet kann einen verheerende Auswirkung auf die innermuslimische Kommunikation haben. Kommentar von Sulaiman Wilms

(iz). „Ein Wort ist“, so die alten Araber, „wie ein Pfeil. Einmal abgeschossen, kann es nicht mehr zurückgenommen werden“. Wohl auch aus diesem Grunde räumt das islamische Recht der Sprache den Stellenwert einer Handlung ein. Was im normalen, ­zwischenmenschlichen Alltag sich noch auf der Ebene des guten Umgangs bewegt, wird in vermeintlichen ­sozialen Medien – die oft einen asozialen Cha­rak­­ter haben – schnell zu einem ­notwen­digen Krite­rium für die Aufrechterhaltung einer nor­ma­len Kommunikation.

Ein prägnantes, und passendes Beispiel, ist der augenblickliche Marktführer auf dem Markt elektronischer Kommunikation: der bisherige Spitzenreiter Facebook. Während man im Gespräch – und sei es am ­Telefon – noch auf den bekannten Ablauf von Empfan­gen, Verarbeiten und Replik auf eine Informa­tion vertrauen kann, hebelt das ­vermeintliche soziale Medium bisherige Kommunikationsformen auf. Der Zwang zum sofor­tigen Versenden von – aus dem Kontext gerissenen oder subjektiven Meinun­gen – führt nicht selten zu Irrtümern und Verstimmungen. Bei einer direkten menschlichen Begegnung ist die Mimik des Gegenübers ein Indikator für den Zustand der Diskussion. Und selbst das ­unbesonnene Wort des Anderen wird rela­tiviert, weil man seinen Gemütszustand einschätzen kann.

Nirgendwo sonst – soweit es die ­inner­muslimische Debatte betrifft ­– lässt sich dies an der Diskus­sion um den Organisa­tionsgrad der Community ­ablesen. Bei Facebook wird – nicht selten unter dem Druck der vermeintlichen Kommunikation in „Echtzeit“ ­– mit Argumenten und Unterstellungen operiert, die sich mehr aus der Form des Mediums ergeben als aus den Absichten der Diskutan­ten. Hier greifen – ironischerweise auch auf muslimischer Seite – die gleichen Diskussionssche­mata, wie man sie im Internet von einer zumeist radikalen Islamkritik kennt.

Oft wird ohne Kenntnis über Beteilig­te, ­ihre Umstände und die Bedingtheiten ihrer Situ­a­­­­­tion debattiert – von platten Behauptungen über angeblich niederträchtige Absichten einmal ganz zu schweigen. Der ganzheitlichen Problematik des Islam in Deutschland aber kann Facebook – wenn überhaupt – nur bedingt gerecht werden. Weil aber das Wort im islamischen Recht eine Handlung ist, ist es wohl so, dass die meisten Muslime ihr Publizieren in sozialen ­­Medi­en schon als Ersatz für eine echte Tat ­­­betrach­ten, anstatt wirklich zu handeln.

"IZ-Begegnung" mit dem Schriftsteller Feridun Zaimoglu

(iz). Dem Dichter – wie dem gesamten Berufszweig der „Intellektuellen“, wird im Feuilleton und auf Festveranstaltungen gerne ein gewisser Respekt erwiesen. Oft genug verharren viele, nicht alle, in diesem Bannkreis, oder nehmen als sprachliche Kunsthandwerker am allgemeinen Spektakel teil. Wollen sie mit relevanten Beiträgen an Debatten teilnehmen, bleiben sie – jenseits des Feuilletons – zu oft unge­hört oder, wie der Fall Grass belegt, werden von der Herde niedergebrüllt und schnell in ihre Reihen zurückgedrängt.

Zu den, existierenden, Ausnahmen gehört der deutsche Schriftsteller, Publizist und Drehbuch­autor Feridun Zaimoglu, der sich neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch an verschiedenen Debatten zu den Themen Islam und Integration beteiligt. Der Kieler (geb. 1964) war auch anfänglich Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz, die er aber 2007 wieder verließ. Aus Protest, dass keine selbstbewussten Muslimas mit Kopftuch eingeladen wurden.

Feridun Zaimoglu, der auch unter jungen Muslimen seine Leser findet, lässt sich nicht auf ein Genre oder auf ein bestimmtes Image festlegen. Schon gar nicht auf das Ökotop einer wie auch immer gearteten „Migrantenliteratur“. Mit dem aktuellen Titel „Ruß“ hat er einen „Heimatroman“ geliefert, der in der – eigentlich untergegangene – Welt des Ruhrgebiets spielt. Mit ihm sprachen wir unter anderem über den Fall Grass, die Möglichkeiten des Dichters und den Islam in Deutschland.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, man hat den Eindruck, dass in den letzten Jahren das Wirken der Dichter ins folgenlose Feuilleton oder in die kunsthandwerkliche Behübschung herrschender Verhältnisse abgeschoben wurde. Scheinbar plötzlich debattierte Deutschland tagelang über ein Gedicht – lassen wir dessen sprachlichen Gehalt einmal beiseite – von Günter Grass zur Kriegsgefahr im Nahen Osten. Hat sie das überrascht?

Feridun Zaimoglu: Mit Grass verfährt man, als hätte er sich des heimlichen ­Kackens im Weingarten des Herrn schuldig gemacht. Die Freaks der Aufklärung sahen in Sarazin einen ehrenwerten Mann mit kleinen Macken. Die selben Leuten hacken heute auf Günter Grass ein. Er hat die Konservativen geärgert, das verzeihen sie ihm nicht. Einige gute Leute aus dem Kulturjournal machen mit – weshalb? Grass’ Text ist eine einwandfreie politische Analyse. Die blinden Parteigänger mögen noch so laut jodeln: Günter Grass tat Wahrheit kund.

Islamische Zeitung: Früher waren Dichter Künder des Überzeitlichen und sollten Wahrheit sprechen? Lässt sich heute – nach Jahrzehnten Postmoderne, Dekonstruktivismus und Popkultur – damit überhaupt noch etwas anfangen?

Feridun Zaimoglu: Die Party ist vorbei, die Kasper sammeln die letzten Pappbecher ein. Es hieß: Lasst uns so schön ausgebeutet Lieder singen. Es hieß: Der Bekenner ist nur ein schlechter Tänzer. Es hieß: Däumchendrehen und Faseln macht uns munter. Es hieß: Gut und Böse – was schert uns das? Und heute? Geschwätz, Geflüster und Gerüchte. Aber auch: Zerpflückt die Armen. Kapitalverkehr von unten nach oben. Die Rechten schwätzen von Denkverboten, immer dann, wenn sie den Menschen das Denken verbieten wollen. Alles Lügen hilft nichts – der Kapitalismus frisst alle Kinder.

Islamische Zeitung: Ihr Buch „Ruß“ hat einer unserer Autoren im letzten Juli als „einen deutschen Roman“ ­bezeichnet. Ist es für Schriftsteller schwierig geworden, sich unverstellt und verständlich mit ihren Umfeld auseinanderzusetzen?

Feridun Zaimoglu: Hierzulande galt es als schick, Schischi-Schreiber aus Amerika oder Frankreich voll toll zu finden. Es wurden aber auch Pflänzchen aus den Literaturinstituten gelobt. Deutsch war unfein und deutsche Welt ­unwelthaltig. Das hat sich, nur ein bisschen, geändert. Nun will man, nun wollen die Experten, besser hinsehen.

Man man sich ja über mich lustig: Der Mameluck macht auf überdeutsch. Ist mir egal. Ich sehe, dass es vor meiner Haustür keimt und gärt. Blöde wär’s, nicht darüber zu schreiben. Gott sei Dank, die öden Büchlein von Frolleins und Knäbchen sind aus der Mode gekommen. Es sind nicht wenige Kollegin­nen und Kollegen bereit, deutsche Geschichten zu schreiben. Man achte auf die Dichtkunst aus dem Osten. Gute Dichter rücken an, und man wird sie nicht mit den üblichen ­Schaufenster-Ossis verwechseln können.

Islamische Zeitung: Neben – oder begleitend? – zu ihrer schriftstellerischen Arbeit haben sie sich seit Jahren in verschiedene „Integrations-“ und „Islamdebatten“ eingeschaltet. Gelegentlich drängt sich der Eindruck auf, dass mit den meisten Beiträgen nicht die Klarheit, sondern nur die Unüber­sichtlichkeit zunimmt. Haben sie die Hoffnung, hier einen Unterschied zu machen?

Feridun Zaimoglu: Man ruft mich an und bittet mich um meine Meinung. Man sitzt bei mir auf dem Sofa und drückt auf die Aufnahmetaste des Dikta­fons. Und manchmal melde ich mich als Salonfrontsau zu Wort. Ich bin ehrlich: Ich glaube nicht, dass ich mit wirklich klaren Beiträgen zum Thema glänze. Ich gelobe Besserung.

Islamische Zeitung: Ein deutscher Philosoph hat gesagt: „Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämt­heit, wenn sie ‘ich’ sagen.“ Gehen ihnen die vielen Identitätsdebatten nicht auf die Nerven?

Feridun Zaimoglu: Sie sagen es. Ich hör’ schon nicht mehr hin. Vor anderthalb Jahren habe ich aufgehört, Zeitungen zu kaufen. Der mündige und interes­sierte Bürger – was ein Schwindel. Frühstückszeitungen im Hotel lese ich dann doch. Um festzustellen, dass sich nichts geändert hat. Zur Ichverortung neigen vornehmlich Menschen, die im Leben sonst nichts vorhaben. Identität? Albern.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, sie haben sich, beispielsweise in einem Beitrag für die „Zeit“ und in einer Interviewreihe mit den „Deutsch-Türkischen Nachrichten“, zu Wort gemeldet. Und zwar mit ­einer gehörigen Portion Wut. Braucht es diese Wut, um sich einen Weg zu den Herzen und zum Verstand der Menschen durchzuhämmern?

Feridun Zaimoglu: Was war noch einmal das Modewort der letzten Saison? Wutbürger. Was hat’s gebracht. Was bin ich? Schreibender Wutbürger. Schön ist es, sich nicht zu verheben. Ich rumpele in der Kiste, ein paar Freunde rufen an, und sagen: Guter Rappel, toll. Eigentlich liebe ich Zimmerlautstärke – ausgerechnet ich, den man auch gerne mal als altdeutschen Krakeeler bezeichnet. Ja, ich tobe. Ja, ich lange zu. Aber wenn ich schreibe, tauche ich ab und halte den Mund. Dann fühle ich mich am wohlsten. Das Reden über Missstände zermürbt. Trotzdem: Man sollte schon dann und wann die Lügner anbrüllen.

Islamische Zeitung: Sie nahmen an den ersten Runden der Deutschen Islamkonferenz teil. Können sie heute, nach mehreren Jahren und Mutationen dieser Gesprächseinrichtung, noch etwas damit anfangen? Wenn nein, sehen sie Alternativen?

Feridun Zaimoglu: Am Anfang stand die gute Idee: Die Moslems gehören zu Deutschland. Ich gehörte zu einem bunt zusammen gewürfelten Haufen aus Hauptberuflichen und Privatinteressierten. Es wurden viele Gruppenfotos geschossen. Das Ding implodierte. Der Stifter der Konferenz wanderte in ein ande­res Ressort, die folgenden Minister sprachen weise Worte oder blödes Zeug. Heute schart man sich um eine Leiche, ringt die Hände. Die Leiche stinkt, man sollte sie begraben. Alternativen? Neue Moslem-Welle? Bund der aus der Konferenz Vertriebenen? Liberale für mehr Beinfreiheit? Nein. Junger Deutscher Islam. Ja.

Islamische Zeitung: Ein nicht unerheblicher Anteil der muslimischen Jugend hat höchstwahrscheinlich nur einen sehr begrenzten Zugang zur Sprachwelt und zur Literatur Deutschlands, aber auch der Kultur ihrer Eltern. Haben sie die Hoffnung – wenn sie das denn wollen – diese neuen Generationen zu erreichen?

Feridun Zaimoglu: Die meisten Deutschstämmigen haben keinen Bezug zu Literatur. Ich mache ja nur ein Angebot. Es fällt aber auch, dass zu meinen Lesungen immer mehr Muslime kommen. Sie erleben einen Berserker auf der Bühne. Manchen gefällt’s, andere rümpfen ob meiner Stubenbarbarei die Nase. In der Arbeiterklasse hält man halt die Kultur für recht verzichtbar. Auf die Techniken der Verfeinerung pfeift man. Sehr schade.

Islamische Zeitung: Was ist ihr Verhältnis zu den – vermeintlichen – sozialen Netzwerken und deren Folgen für unsere Kommunikation? Haben sie eine Bedeutung für ihren Alltag?

Feridun Zaimoglu: Verstehe die Frage nicht wirklich. Halt, doch mir dämmert’s. Bin Einzelgänger und ­Einzeltäter. Bin gern unter Menschen, setze mich aber auch gerne ab. Die meiste Zeit des ­Tages sitze ich alleine zu Haue, oder im Zug, oder im Hotelzimmer. Und brüte: über eine Geschichte, über den nächsten Roman, über das nächste Projekt. Und danke am Ende des Tages dem ­Allmächtigen, dass er mich geschützt hat.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, wie sehen sie den Zustand der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland und was sollte ­geschehen, um ihn zu transformieren?

Feridun Zaimoglu: Alles ist in Auflö­sung. Schön. Alles ist im Entstehen. Noch besser. Das Ziel: Weg von der Tradition, vom Altvaterglauben. Hin zur Menschenliebe. Wer andere Menschen demütigt, ist ein Schwein. Ein Schwein muss man befehden. Das Heilige ist uns überliefert – daran festhalten. Und in den Gärten der reichen Säcke heimlich kacken – darauf nicht verzichten.

Islamische Zeitung: Lieber Feridun Zaimoglu, wir danken Ihnen für das Gespräch.