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Eskalation in Südasien: Indische Armee greift Ziele in Pakistan an

indisch pakistan Religionsvertreter

Mehrere Wochen nach dem tödlichen Terror in Kaschmir beschießt die indische Armee Ziele im Nachbarland. Islamabad reagiert mit Abschüssen.

Delhi/Islamabad (iz, dpa). Nach den tödlichen Angriffen Indiens auf pakistanische Ziele hat das attackierte Land Vergeltung angekündigt. „Pakistan hat jedes Recht, eine angemessene Antwort auf diese von Indien verhängte Kriegshandlung zu geben, und eine angemessene Antwort wird auch gegeben“, sagte Premierminister Shehbaz Sharif.

Zuvor hatte Indien in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs angegriffen – als Reaktion auf einen Terroranschlag vor rund zwei Wochen.

Indien machte extremistische Gruppen mit Verbindungen nach Pakistan für den Anschlag verantwortlich und beschuldigt Islamabad, diese zu unterstützen oder zu dulden. Das Nachbarland bestritt eine Verwicklung und forderte – wie internationale Stimmen – Belege für diese Behauptung.

Die indische Operation „Sindoor“

Als Reaktion auf den Anschlag startete Indien am 6. Mai 2025 die „Operation Sindoor“. Angriffsziel waren nach Angaben aus Delhi ausschließlich „terroristische Infrastrukturen“ im Nachbarland und im pakistanischen Teil Kaschmirs. Insgesamt wurden neun Ziele attackiert, darunter Einrichtungen in den Städten Kotli, Muzaffarabad (Kaschmir) und Bahawalpur (Punjab).

Geheimdienstkreise und Armee in Islamabad hatten zuvor berichtet, die Städte Kotli und Muzaffarabad im pakistanischen Teil der Himalaya-Region sowie in Bahawalpur seien Ziel der Angriffe gewesen. In Bahawalpur sei dabei eine Moschee getroffen worden. 

Pakistans Militär sprach von Raketenangriffen. Die indische Seite betonte, keine pakistanischen Militäreinrichtungen angegriffen zu haben, und die Operation sei „gezielt, maßvoll und nicht eskalierend“ gewesen.

Das Verteidigungsministerium nannte die eigenen Aktionen „zielgerichtet, maßvoll und nicht eskalierend“. Indien habe bei der Auswahl der Ziele und der Methode der Ausführung beträchtliche Zurückhaltung geübt, hieß es. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar schrieb auf der Plattform X: „Die Welt darf dem Terrorismus keine Toleranz zeigen.“

Islamabad bezeichnete die Operation als „unprovozierte Aggression“ und kündigte Vergeltung an. Laut seiner Armee wurden mehrere indische Kampfjets abgeschossen, und der Luftraum über der Region zeitweise gesperrt. Pakistan erklärte, man werde auf die Angriffe „zu einer Zeit und an einem Ort seiner Wahl“ reagieren. Zur Zahl der Opfer gibt es bislang keine gesicherten Angaben. Bisherige Berichte konzentrieren sich auf die politischen und militärischen Reaktionen, nicht auf konkrete Opferzahlen.

imperialismus

Foto: The White House | Lizenz: gemeinfrei

Internationale Gemeinschaft ruft beide Seite zu Zurückhaltung auf

Die internationale Gemeinschaft, darunter die UNO und die USA, riefen beide Seiten zur Zurückhaltung auf, da beide Staaten Atommächte sind und der Konflikt als einer der gefährlichsten der Welt gilt.

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den Angriffen „sehr besorgt“. „Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten“, sagte er laut einer Mitteilung seines Büros am Dienstag (Ortszeit). Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf.

US-Präsident Donald Trump äußerte seine Hoffnung, dass der Konflikt zwischen den beiden Atommächten nicht weiter eskaliert. „Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet“, sagte Trump bei einer Veranstaltung im Weißen Haus mit Blick auf den Angriff. Außenminister Marco Rubio schrieb auf der Plattform X, er werde weiter sowohl die indische als auch die pakistanische Führung auf eine friedliche Lösung hinweisen.

BRICS-Staaten erweisen sich hier als impotent

Die Krise belastet besonders das Verhältnis innerhalb der BRICS-Gruppe. China, traditioneller Partner Pakistans, steht Indiens Vorgehen kritisch gegenüber, während Indien für den Westen – und damit auch für einige BRICS-Staaten – als Gegengewicht zur Volksrepublik immer wichtiger wird.

Ein offener Konflikt zwischen Indien und Pakistan könnte daher den Zusammenhalt der BRICS-Staaten erheblich schwächen, vor allem das Verhältnis zwischen Delhi und Peking. Es gibt bislang keine einheitliche BRICS-Position; vielmehr zeigen sich Differenzen unter den Mitgliedern – insbesondere zwischen China und Indien.

Wie reagiert der Partner Peking?

China ist ein langer und enger Handelspartner Pakistans. Es hatte im Vorfeld angekündigt, schwerwiegende Angriffe auf dessen Souveränität seien nicht hinnehmbar. In einer ersten Reaktion rief es beide Seiten zu „Zurückhaltung“ auf.

Man bedauere die Militäraktion Indiens und sei über die Entwicklung der Lage besorgt, teilte ein Sprecher des Außenamtes in Peking mit. China fordere beide Seiten auf, Frieden und Stabilität Vorrang einzuräumen und weitere Handlungen zu vermeiden, die die Lage verkomplizieren würden.

Während das chinesisch-indische Verhältnis unter anderem wegen Grenzkonflikten im Himalaya-Gebirge als äußerst angespannt gilt, unterhält Peking enge Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan. Über seine Investitions- und Infrastrukturinitiative „Neue Seidenstraße“ baut China Straßen und Schienen in dem südasiatischen Land, um die westchinesische Region Xinjiang mit dem Arabischen Meer im Südwesten Pakistans zu verbinden.

Aufgrund der engen Beziehungen zu Pakistan und der angespannten Lage mit Indien bleibt China zwar aufmerksam, bevorzugt aber diplomatische Kanäle und Stabilität in der Region. Ein direktes Handeln Pekings – etwa militärische Unterstützung oder Sanktionen – ist daher derzeit unwahrscheinlich.

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Angst vor Krieg wegen Kaschmir wächst

kaschmir

Nach dem Terroranschlag im indischen Teil von Kaschmir wächst die Angst vor einer Eskalation zwischen Indien und Pakistan (iz/KNA). Tage, nachdem Delhi einschneidende Maßnahmen verkündete, soll es zu Gefechten gekommen […]

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Nach dem Terror: Spannung zwischen Indien und Pakistan steigt

Khan Pakistan Proteste terror

Als Folge des tödlichen Anschlags in Kaschmir auf Touristen hat Delhi eine Reihe eskalierender Maßnahmen beschlossen. Islamabad zog nach.

Delhi/Islamabad (dpa, KNA, iz). Nach einem Terroranschlag auf Inder durch Terroristen, die aus Pakistan in den indisch besetzten Teil Kaschmirs eingedrungen sind, verschärft sich der Konflikt zwischen beiden Ländern. Indien kündigte Vergeltung an und beschloss teils drastische Maßnahmen.

Am 22. April 2025 griffen Terroristen im indischen Baisaran-Tal, etwa fünf Kilometer von der Kleinstadt Pahalgam entfernt, eine Gruppe von Touristen an. Dabei wurden 25 indische Staatsbürger und ein Tourist aus Nepal erschossen. Weitere 17 Personen erlitten teils schwere Verletzungen. Bei dem Anschlag starb auch der kaschmirische Muslim Adeel Hussein Shah beim Versuch, die Attentäter an ihrem Anschlag zu hindern.

Foto: Harsh Chauhan, Unsplash

Die Verantwortung für den Anschlag übernahm die militante Gruppe „The Resistance Front“ (TRF), ein Ableger der von Pakistan aus operierenden Lashkar-e-Taiba. Pakistan wird von Indien beschuldigt, dort operierende terroristische Gruppen zu unterstützen. Islamabad bestreitet diesen Vorwurf.

Pakistaner sollen Indien bis Sonntag verlassen

Neu Delhi (KNA) Nach einem Terroranschlag auf indische Staatsbürger durch pakistanische Terroristen will Indien nun sämtliche Pakistaner ausweisen. Mit sofortiger Wirkung sei die Visavergabe für pakistanische Staatsangehörige ausgesetzt, berichtet das staatliche Nachrichtenportal DD News am Donnerstag unter Berufung auf das Außenministerium. Zudem sollen sie Indien bis zum 27. April verlassen.

Gleichzeitig habe das Ministerium für Äußeres in Delhi seinen Staatsbürgern dringend von Reisen nach Pakistan abgeraten. Inder, die sich dort befänden, seien aufgefordert worden, so bald wie möglich zurückzukehren. „Diese Maßnahmen spiegeln den Ernst der Lage und Indiens Entschlossenheit wider, sowohl die Täter als auch ihre Unterstützer zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte Außenminister Vikram Misri.

Islamabad kündigte als Reaktion auf vorherige indische Maßnahmen an, seinen Flugraum für indische Fluggesellschaften zu sperren und wies Vertreter des Landes aus. Zudem schloss es seinen wichtigsten Grenzübergang nach Indien. Pakistanische Diplomaten mussten schon am Mittwoch ausreisen.

Narendra Modi

Foto: kremlin.ru, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY 3.0

Vertrag über Indus-Wasser wird ausgesetzt

Als Reaktion auf einen verheerenden Terroranschlag hat Indien am Mittwoch einen wichtigen Vertrag mit Pakistan über die Nutzung der Flüsse in der Himalaya-Region ausgesetzt. Der Wasservertrag mit dem Nachbarland werde mit sofortiger Wirkung suspendiert, erklärte ein Staatssekretär im Außenministerium. Er warf dem verfeindeten Nachbarland vor, grenzüberschreitenden Terrorismus zu unterstützen.

Er ist der bedeutendste Fluss Pakistans. Aus der chinesischen Region Tibet kommend strömt er durch Ladakh, das bis 2019 noch offiziell zum indischen Teil Kaschmirs gehörte. Hier gibt es wichtige Zuflüsse, unter anderem den Zanskar. Von dort fließt der Indus weiter ins westliche Nachbarland.

eskalation pakistan

Foto: OrangeSalt, Shutterstock

Experten sorgen sich um militärische Eskalation

In Indien wächst inzwischen die Furcht, die Armee des Landes könnte bspw. vermutete Basen von Terrorgruppen auf pakistanischem Boden oder weitere Ziele angreifen. Premierminister Modi drohte in einer öffentlichen Rede im Bundesstaat Bihar mit Blick auf den Anschlag, „unmenschliche Terroristen und ihre Mitverschwörer werden stärker bestraft als sie sich vorstellen können“. Die Zeit sei gekommen, jedes Stück Land, auf dem sie stünden, zu zerstören.

In Deutschland äußerten sich Beobachter besorgt. „Die Entwicklungen markieren eine deutliche Verschärfung in den ohnehin angespannten bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Atommächten“, sagte Schahina Gambir, die Südasien-Berichterstatterin bei der Grünen-Fraktion ist. Beide Staaten müssten unter allen Umständen eine militärische Eskalation vermeiden.

Pakistan reagierte am Donnerstaf mit einer scharfen Drohung auf die Aussetzung des Wasservertrags: Jeder Versuch, den Wasserlauf zu stoppen oder umzuleiten werde als Kriegshandlung betrachtet „und mit dem gesamten Spektrum der nationalen Macht beantwortet werden“, teilte das Büro von Premierminister Sharif mit.

Südasien-Experte Michael Kugelman sieht deutliche Zeichen einer neuen Eskalationsstufe. „Die Bedeutung der Aussetzung des Indus-Wasservertrags kann kaum überschätzt werden“, schrieb er auf der Online-Plattform X. So eine Maßnahme habe es zuvor nicht gegeben.

Das muslimische Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947 umstritten. Die beiden südasiatischen Atommächte werfen sich immer wieder Verletzungen des Waffenstillstands in der geteilten Region vor.

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5 Jahre nach Hanau: „Liebe ist stärker als Hass“

Opfer Terror Rassismus Hanau Kurtović

„Liebe ist stärker als Hass“ – und doch bleibt der Schmerz in Hanau. Neun Menschen starben 2020 bei einem Anschlag. (KNA/IZ). Wut und Zuversicht prägten das Gedenken am fünften Jahrestag […]

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Deutsche Angst: Was die Leute 2024 fürchten

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Am 23. August 2024 tötete ein Mann in Solingen drei Menschen. Seither nimmt die Angst vor Terrorismus und die Sorge um die innere Sicherheit zu. Das decken auch zwei Studien […]

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Gedenken an den Schrecken und seine Opfer

Freilassung Nahostkonflikt schrecken

Weltweit wurde dem Schrecken des Terrors und seiner Opfer vom 7.10.2024 gedacht. Vermittelnde Stimmen erinnerten darüber hinaus an alle Leidtragenden des Krieges.

(iz, KNA, dpa). Die Titelseite der britischen Zeitung „The Independent“ vom Montag wirkt gerade wegen ihrer Nüchternheit bedrückend und schrecklich. „365 Tages des Schreckens seit dem 7. Oktober“, titelten die Londoner Journalisten.

Beginnend mit den 1.205 Opfern, die bei dem Terror der Hamas am gestrigen Tag vor einem Jahr ermordet wurden, über die Menge der Bomben, die über dem Gazastreifen abgeworfen wurden, und den Prozentsatz der zerstörten Gebäude bis schließlich zu den über 41.800 getöteten Palästinensern (zzgl. der mehr als 700 toten Palästinenser in der Westbank) – die Zeitung zog eine grauenhafte Bilanz.

Den Schrecken deuten: Vermittelnde Stimmen melden sich zu Wort

Während die Mehrheit des medialen Diskurses in der Bundesrepublik auf polarisierende Darstellungen setzt, darf nicht übersehen werden, dass es auch leisere, vermittelnde Stimmen gibt.

So betonte der ehemalige Diplomat und heutige Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Berlin, Andreas Reinicke, am Montag im Deutschlandfunk, dass es „Narrative auf beiden Seiten“ gebe – Israelis und Palästinenser hätten historische Traumata. Sie seien zwar gegensätzlich, aber existierten gleichermaßen. Es habe keinen Sinn, eines davon stärker zu betonen. Vielmehr müssten sie auf dem Weg zu einer Friedenslösung anerkannt werden. Das jeweilige Opfernarrativ des Anderen dürfe nicht delegitimiert werden.

Gestern Nachmittag wandte sich das Interreligiöse Forum Hamburg zum „Jahrestag des 7. Oktober“ an die Öffentlichkeit. Der Text wurde auch von der Jüdischen Gemeinde Hamburg und der dortigen SCHURA unterzeichnet. „Am Jahrestag des 7. Oktober blicken wir zurück auf ein Jahr voller Schmerz und Trauer, in dem uns nahezu täglich neue Schreckensnachrichten aus Israel und Palästina erreicht haben, die sich nun auch auf den Libanon und Nord-Israel ausgeweitet haben.“

„Ein Jahr nach den Angriffen, die uns alle zutiefst erschütterten, stehen wir weiterhin fest zu unserer Verurteilung von Terror und Gewalt gegen Unschuldige. Unser tiefes Mitgefühl gilt allen Opfern dieses Konflikts – unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben.“ Es sei legitim, über die Gewalt in der Region unterschiedlicher Meinung zu sein. Die Diskussion müsse aber gewaltfrei geführt und ausgehalten werden. Deshalb rufe man zur Besonnenheit und zum friedlichen Miteinander in der Hansestadt auf.

Foto: B. Idriz

Der Penzberger Imam Benjamin Idriz konnte nicht an der zentralen Gedenkveranstaltung in der bayrischen Hauptstadt teilnehmen, wie er am Montag auf Facebook schrieb. Dass Thema sei aber so wichtig, dass er sich in einem offenen Brief an ihren Veranstalter, Prof. Guy Katz, gewandt habe.

„Aus tiefster Überzeugung und aufgrund meines islamischen Verständnisses hätte ich mich gerne beteiligt – insbesondere mit einem kurzen Redebeitrag. Denn in dieser angespannten Situation ist die Stimme der Muslime von großer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Ein Beitrag der muslimischen Gemeinschaft hätte unsere Position gegen Judenhass nochmals klar bekräftigen und unsere Verbundenheit mit unseren jüdischen Geschwistern zum Ausdruck bringen können.“ Der Schutz jüdischen Lebens in Deutschland sei auch für Muslime von zentraler Bedeutung, denn nur durch den Einsatz füreinander könne man den eigenen Schutz sichern. „Wir stehen für ein respektvolles Miteinander und lehnen jegliche Form von Hass und Intoleranz ab.“

Der KRM erinnert an „ein Jahr Krieg“

In seiner Presseerklärung zu den „grausamen Angriffen der Hamas“ vom 7. Oktober 2023 drückte der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) deren Opfer sein bleibendes „tiefes Mitgefühl“ aus. Gleichzeitig gelte sein Mitgefühl auf den mehr als 42.000 Leidtragenden im Gazastreifen sowie allen, „die schutzlos in diesen Strudel der Gewalt gerissen wurden“.

„Die Solidarität mit dem jüdischen Volk darf nicht dazu führen, dass Kriegsverbrechen an Palästinensern ignoriert oder gerechtfertigt werden.“ Die historische deutsche Verantwortung beinhalte ebenso die Pflicht, „jede Form von Vertreibung, Kollektivbestrafung und Völkermord, egal gegen wen sie sich richtet, konsequent abzulehnen“.

Foto: president.gov.ua, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY 4.0

Offizielle Veranstaltungen in Deutschland

Gestern fanden zahlreiche Gedenkveranstaltungen beispielsweise in jüdischen Gemeinden statt. Bei einem Gedenkakt in Berlin trat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf.

Er sprach auf einer interreligiösen Veranstaltung in der Berliner Gedächtniskirche. „Trauer, Wut, Ohnmacht, Angst um Angehörige und Freunde auf beiden Seiten, solche Gefühle treiben auch in unserem Land viele Menschen um“, sagte er. „Aber so aufgewühlt wir auch sein mögen, wir dürfen darüber nicht unseren Kompass verlieren.“

Steinmeier betonte, es gehöre zur deutschen Verantwortung, an der Seite Israels zu stehen, wenn es angegriffen werde. Doch sagte er auch: „Dieser Krieg hat schon jetzt zu viele Menschen getötet, zu viel Leid gebracht: für Israelis und für Palästinenser, und jetzt auch für die Menschen im Libanon.“ Ebenso erlebten die Menschen in Gaza seit einem Jahr unermessliches Leid, Flucht, Hunger und Krankheiten.

Geteiltes Gedenken in Israel

Um das Gedenken an die Opfer des Hamas-Terrorangriffs zum Jahrestag am 7. Oktober entstand in Israel eine heftige Debatte. Unter Ägide der israelischen Verkehrsministerin Miri Regev (Likud) gab es eine staatliche Gedenkfeier in der südisraelischen Stadt Ofakim, die live und ohne Publikum übertragen wurde.

Mehrere Kibbuze, die vom Hamas-Angriff hart getroffen wurden, sagten die Teilnahme ab und kündigten eigene Veranstaltungen an. Ferner untersagten Angehörige von Opfern und Geiseln der Ministerin die Nutzung der Namen und Bilder ihrer Verwandten im Rahmen der staatlichen Feier. Sie werfen der Regierung vor, politischen Eigennutz über das Leben der Verschleppten zu stellen.

Zu den alternativen Veranstaltungen zählte eine Andacht in einem Park in Tel Aviv, zu dem nach Veranstalterangaben rund 40.000 Einlasskarten verteilt wurden. Eine weitere Gedenkfeier war auf dem Gelände des Supernova-Musik-Festivals im südisraelischen Kibbutz Re’im geplant, wo am 7. Oktober mindestens 360 Menschen getötet wurden.

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Kurzmeldungen Deutschland (Nr. 352): von Außenpolitik bis zu Anschlägen in Deutschland

debatten kurzmeldungen

Die Kurzmeldungen aus Deutschland (Nr. 352) reichen von der deutschen Außenpolitik, über Diskriminierung in der Polizei bis zu den jüngsten Anschlägen. Israelische NGOs warnen vor Resolution TEL AVIV/BERLIN (IZ). 15 […]

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Kommentar: Solingen oder die Wiederkehr des Ewiggleichen

solingen moscheeverbände

Der 23. August dieses Jahres sollte den Auftakt des dreitägigen Stadtfestes „Festival der Vielfalt“ zum 650. Geburtstag der Stadt Solingen darstellen. Doch es kam zum Schrecken aller anders. (iz). Ein […]

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Muslimische Verbände reagieren mit Bestürzung auf Anschlag in Solingen

solingen moscheeverbände

Entsetzen und Bestürzung: Mit großem Schrecken haben muslimische Verbände und Flüchtlingsinitiativen auf den Terroranschlag von Solingen reagiert.

Hamburg/Köln (iz). Entgegen der Dauerunterstellung, muslimische Stimmen würden sich angesichts von Attentaten wie dem in Solingen nicht zu Gewalt von muslimischen Tätern zu Wort melden, haben Verbände und Initiativen direkt nach den Untaten reagiert.

Muslime reagieren bestürzt auf Solingen

Mit tiefster Bestürzung und Entsetzen haben die beiden Schuren aus Hamburg und aus Schleswig-Holstein vom brutalen Attentat in Solingen am 23. August 2024 erfahren. „Wir verurteilen diesen abscheulichen Akt der Gewalt auf das Schärfste. Solche Taten sind zutiefst menschenverachtend und widersprechen allen Werten, die wir als Gesellschaft teilen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Ihre Gedanken und Mitgefühl seien bei Opfern und Angehörigen. In dieser schwierigen Zeit stünden sie als Religionsgemeinschaft an der Seite der Betroffenen. Beide riefen „zu Solidarität, Frieden und Zusammenhalt“ auf. Es sei jetzt wichtiger denn je, „dass wir uns geschlossen gegen jede Form von Extremismus und Hass stellen“.

Zentralrat der Muslime: „ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft“

„Wir verurteilen diesen abscheulichen Anschlag aufs Schärfste“, erklärte der Zentralrat der Muslime am 26. August. „Wir sind erschüttert und schockiert über den tödlichen Messerangriff auf friedliche Bürgerinnen und Bürger in Solingen. Wir trauern mit den Hinterbliebenen und Angehörigen und beten für die Opfer und die baldige Genesung der Verletzten.“

Dieser „feige Anschlag ist ein feindlicher und menschenverachtender Akt gegen unsere freie Gesellschaft“. Deshalb müsse man alles dafür tun, die Wertegrundlage einer freien, offenen und vielfältigen Gesellschaft zu schützen. „Hass, Hetze, Extremismus und Radikalismus jeglicher Couleur dürfen in Deutschland keinen Platz haben.“

Auch die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) trauert nach eigenem Bekunden in ihrer Stellungnahme vom Montag mit Solingen. „Der Angriff in Solingen ist ein Attentat auf unser Zusammenleben, unsere Freiheit, unsere Gesellschaft. Wer wahllos unschuldige Menschen mit Tötungsabsicht angreift, hat jedweden menschlichen und moralischen Kompass verloren. Die Islamische Gemeinschaft verurteilt diesen feigen, entsetzlichen Anschlag zutiefst“, sagte Generalsekretär Ali Mete.

Am kommenden Freitag werde das Solinger Mitglied der IGMG den Verstorbenen gedenken und für sie beten. Darüber werde man das Thema in allen IGMG-Gemeinschaften in der Freitagspredigt behandeln.

Syrische Flüchtlinge melden sich zu Wort

Am Montag veröffentlichte auch der Syrisch-Deutsche Kulturverein in Magdeburg seine Stellungnahme zum Terror in Solingen. Man möchte den Betroffenen und Opfern das Mitgefühl ausdrücken. Den Opferfamilien gelte ihnen die „volle Solidarität in dieser schweren Zeit“.

„Wir verurteilen aufs Schärfste jegliche Gewaltakte oder Hassverbrechen, die sich gegen unschuldige Menschen richten, unabhängig von ihrer Herkunft (…).“ Diese Vorfälle erinnern an die Bedeutung des friedlichen Zusammenhalts und der gesellschaftlichen Toleranz.

Gleichzeitig lehnt der Verein alle Aufrufe ab, „die versuchen, das Bild von Geflüchteten zu verzerren und sie unter Generalverdacht zu stellen.“ Geflüchtete hätten das Recht, in Würde und Sicherheit zu leben. „Als Syrisch-Deutscher Kulturverein werden wir uns weiterhin für den Dialog und das gegenseitige Verständnis zwischen den Kulturen einsetzen.“

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Schmerzhafte Fragen nach Mannheim

Mannheim

Ein Debattenbeitrag von Hakan Turan über den tödlichen Anschlag von Mannheim. Wie sollten wir Muslime uns zu dem Vorfall verhalten?

(iz). Meine persönliche Schmerzfrage Nr. 1 lautet im Moment: „Womit haben wir Muslime es verdient, dass die allerdümmsten Terroristen der Welt sich unserer Religion zugehörig fühlen?“ Ich weiß, die Frage ist extrem unpassend. Aber ich stelle sie mir nun mal. Abgesehen von aller generellen Abscheulichkeit von Terror wären folgende Stichworte zu nennen:

1) Es stehen unmittelbar Wahlen in Deutschland bevor.

2) Rechtspopulismus und Islamfeindlichkeit stehen hoch im Kurs und warten nach einer Phase des stagnierenden Aufstiegs auf den nächsten Push nach oben.

3) Deutschland trägt noch immer eine heftige Migrationsdebatte im Kontext der Flüchtlinge aus, zu denen auch afgha­nische gehören (der Attentäter war ein 25-jähriger Afghane).

4) Der Fokus der Aufmerksamkeit lag auch in Deutschland auf dem Leid der muslimischen Zivilisten in Rafah/Gaza, was die unverhältnismäßige Kriegsführung Netanyahus weltweit unter immensen Druck gebracht hat.

5) Michael Stürzenberger, das Ziel des Anschlags, wurde vom bayrischen Verfas­sungsschutz als islamfeindlicher Extremist bezeichnet. Jetzt ist sein Status in der ­gesamten Öffentlichkeit der eines Opfers eines islamistischen Extremisten mit Mordabsicht. 

6) Die These von ihm und anderen war stets, dass der Islam aufgrund seines Potenzials zu religiös motivierter Gewalt bekämpft werden muss. Nun wurde er während einer solchen „Aufklärungsarbeit“ tatsächlich selbst zum Opfer (offensichtlich) religiös motivierter Gewalt eines Muslims. Wie aus dem Bilderbuch.

7) Islamische Organisation in Deutschland sind – bis auf das hervorragende ­Engagement einzelner Personen – im professionellen Management des Themas „islamistischer Extremismus“ völlig überfordert. Sie erkennen nicht, dass sie innerhalb ihrer Gemeinden – auf das Risiko hin sich unbeliebt zu machen, Themen auf die Tagesordnung setzen müssen, die auf den ersten Blick nichts mit diesen zu tun haben – das Thema problematisieren und freiwillig(!) eine Mitverantwortung in religiöser Theorie und Praxis für die Bekämpfung des Extremismus übernehmen sollten. Es reicht nicht, nur das Thema antimuslimischer Rassismus zu benennen und ihn zu bekämpfen. Es ist eine Vergeudung der Möglichkeiten einer muslimischen Gemeinde, sich mit engagierten Stellungnahmen und symbolischen ­Gesten zufrieden zu geben. Denn dies können auch Einzelpersonen leisten. Kollektive Strukturen können mehr und sollten dies auch tun.

Mannheim oder die Frage nach dem Teror

Zurück zu meiner Frage nach dem ­Terror: Die Hamas-Führung hatte durch eine gezielte Provokation am 7.10.2023 Israel völkerrechtlich einen Anlass zu ­einem mittlerweile völlig eskalierten und ungerechten Krieg gegeben. Dessen Hauptleidtragende sind die Palästinenser in Gaza. Das alles war für die Hamas bis ins Detail vorhersehbar.

Ich sagte ja: dümmste Terroristen der Welt. Zu diesem Urteil gehören natürlich, ja zuvörderst auch die Hamas. Neben der Regierung Netanyahu trägt sie die volle Mitverantwortung für das, was danach geschehen ist und geschieht. ­Machen wir Halt: Vielleicht ist das ja gar nicht Dummheit. Also das Auslösen von Lawinen durch islamistische Terroristen, in dessen Folge zehntausende oder auch Millionen von Muslimen auf die eine oder andere Weise zu leiden haben, wie nie zuvor.

Das will sagen: Ja, die Verhärtung ist symmetrisch auf beiden Seiten solcher Konflikte vorhanden. Aber: Es herrscht in allen Fällen eine extreme Asymmetrie vor, was die strukturellen Handlungsmöglichkeiten, einschließlich militärischer Möglichkeiten betrifft. Abgesehen von aller Abscheulichkeit von Terror: Eine solche Asymmetrie nicht zu er­kennen, zeugt entweder von (a) extremer Dummheit (siehe meine Eingangsfrage), oder (b) extrem perfidem Eskalationskalkül. Jetzt, am Ende dieses Textes, halte ich (b) für wahrscheinlicher.

Das war es auch, was man aus mehreren Hamas-Verlautbarungen nach dem 7.10. indirekt entnehmen konnte: Es ging nie darum, dass es den Palästinensern in Gaza durch ihren Angriff am 7.10. besser gehen sollte. Es geht ihnen so schlecht wie wahrscheinlich nie zuvor. Und es ist vielleicht ein ähnliches Denken, das hinter Mannheim steckt: Nicht die Idee, eine Person für ihre Islamfeindlichkeit zu bestrafen, weil sie laut eigenem Islam(un)verständnis bestraft gehört, ­sondern: Deren Islamfeindlichkeit zum symbolischen Anlass zu nehmen, den ­gewaltigen Staudamm brechen zu lassen.

Extremisten hoffen auf einen Endkampf

Es ist der Endkampf, den die Extremis­ten aus Islam, Christentum und Judentum zu provozieren versuchen. Sie selbst schreiben das. Sie glauben das. Und ­wollen, dass alle dabei mitmachen.

Gerade für die „islamistischen“ Extremisten gilt dabei, dass die Asymmetrien in den strukturellen Verhältnissen einfach umgedeutet werden zu einem kollektiven Sprengsatz, den man nur noch zünden muss, da anderweitig kein „Sieg“ in Aussicht ist: Die großen Menschenmassen in Gaza sind gut nutzbares Schießpulver. Ab einer bestimmten Zahl an vom ­Gegner getöteten Muslimen wird sich demnach dieses Menschenopfer gelohnt haben, wenn dann endlich die Finalschlacht ausbricht und dann bald das ­Paradies auf Erden beginnen kann.

Nein, die Hölle ist angebrochen. Die Flammen greifen um sich, sie hören nicht auf irgendwelche Absichten. Hier in Deutschland wiederum versuchen „islamistische“ Extremisten, als die (dummen?) Speerspitzen ihrer (intelligenten?) Hintergrundideologen, die gesellschaftliche Spannung endgültig zum Zerreißen zu bringen.

Aber ich weiß, es gibt in all diesen ­Fällen immer eine strukturell mächtige „Gegenseite“. Ein Beispiel für die deutsche Situation: Von der Ausgrenzung von Muslimen im Alltag, über politisches tendenzielles Desinteresse an muslimischen Todesopfern in Gaza bis hin zu hartem Rassismus, der bis zur öffentlichen Ermor­dung von Muslimen in Deutschland führen kann. Marwa al-Sharbinis Ermordungsdatum nähert sich.

Viele Muslime unterliegen – in der Hoffnung, das Problem dingfest zu machen – dem Trugschluss, dass eine solche Offenlegung einer Symmetrie der Extremen auf beiden Seiten das Problem versteh­bar, oder zumindest moralisch handhabbar machen könnte: Ihr habt dumme Extremisten, wir haben dumme Extremisten. Das Problem ist: Diese ­Erkenntnisse lösen das Problem nicht. Sie lösen auch keine Welle von Empathie aus. Denn dazu sind die Zusammenhän­ge zu abstrakt und unsichtbar.

Es bedarf anderer Wege

Darum bedarf es anderer Wege. Klare und eindeutige Stellungnahmen sind gut. Sie sind zu wenig, angesichts des ­Staudamms, der immer größere Risse ­bekommt. Wir müssen als Muslime – ­zumindest die Älteren, die Verantwortungsträger, die Rationalen – das Unzumutbarste auf uns nehmen. Wir müssen die Betroffenenperspektive verlassen, wie sehr wir auch selbst Betroffene sind.

Wir müssen zu kritischen Vermittlern werden. Die nicht nur analysieren, sondern gangbare Lösungen suchen, die, wie jede gute Therapie, stellenweise schmerzhaft für beide Seiten sind. Aber nicht in Selbstabgrenzung, sondern durch geziel­te, reflektierte und überzeugte Zusammenarbeit mit den Vernünftigen der ­vermeintlich „anderen Seite“.

Anders entsteht kein „wir“, das über die Ghetto-Grenzen hinausgeht. Lasst uns die Asymmetrien ernst nehmen. Lasst uns gegen die Irren vorgehen, die am Bruch des Staudamms arbeiten.