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Mindestens 78 Tote nach Massenpanik in Sanaa

Jemen Sanaa
Foto: Yarr65, Adobe Stock

Millionen Menschen im Jemen fehlt es am Nötigsten. Als in Sanaa nun Geldspenden verteilt werden, kommt es zum tödlichen Gedränge. Schüsse und eine Explosion nach einem Kurzschluss sollen die Panik in der Menge in den entscheidenden Minuten noch verschärft haben. Von Johannes Sadek

Sanaa (dpa). Leblos liegen die Körper im Video aufgereiht, Rufe gehen wild durcheinander: Bei einer Massenpanik im Jemen sind nach Angaben der Huthi-Rebellen mindestens 78 Menschen ums Leben gekommen.

Das teilte das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Sanaa am Donnerstag mit. 77 weitere seien verletzt worden, davon schwebten 13 in Lebensgefahr. Den Huthis zufolge war es bei der Verteilung von Spenden am späten Mittwochabend zu einem tödlichen Gedränge gekommen.

Panik nach Geldspenden in Sanaa?

Ein Sprecher des dortigen Innenministeriums erklärte der von den Huthis betriebenen Nachrichtenagentur Saba zufolge, einige Händler hätten ohne vorherige Koordinierung „willkürlich“ Geldspenden verteilt. Daraufhin sei Panik ausgebrochen.

Augenzeugen beschrieben der Nachrichtenseite „Al-Masdar“, wie zeitweise Schüsse zu hören waren. Diese sowie eine Explosion nach einem Kurzschluss sollen die Panik gesteigert und schließlich zum Gedränge geführt haben. An einer Schule hätten sich vorher Hunderte versammelt, um Geldspenden eines bekannten Händlers zu erhalten. Einige örtliche Medien berichteten, die Huthis hätten die Schüsse abgegeben.

Foto: Jennifer Bose, CARE

Der Jemen liegt im Süden der Arabischen Halbinsel und grenzt an Saudi-Arabien. Die Huthis sind eine Gruppe schiitischer Rebellen, die in ihrem seit 2014 laufenden Aufstand weite Teile des Nordens eingenommen haben und auch die Hauptstadt Sanaa kontrollieren.

Seit 2015 herrscht Stellvertreterkrieg im Jemen

Seit 2015 kämpft Saudi-Arabien im Land mit Verbündeten gegen die Huthis. Die UN sehen wegen laufender Verhandlungen derzeit aber auch Chancen auf eine mögliche Entspannung.

Vor allem bedingt durch die Kriegsfolgen spielt sich in dem ohnehin stark verarmten Land eine der schwersten humanitären Katastrophen weltweit ab. Etwa 21 Millionen Menschen sind auf irgendeine Form von humanitärer Hilfe und Schutz angewiesen. Das Welternährungsprogramm (WFP) versucht, 13 Millionen Menschen im Land zu erreichen. Es ist der größte Nothilfeeinsatz des WFP weltweit.

Foto: Husam Alqoliaa, Shutterstock

Militante Huthis machen Händler verantwortlich

In Videos, die die Szenen nach dem Vorfall zeigen sollen, lagen zahlreiche Leichen aufgereiht am Boden. In einem Video war zu sehen, wie Dutzende Menschen sich unter lauten Schreien auf engstem Raum drängen, einige scheinen in der Masse dabei buchstäblich unterzugehen. Die Tragödie trug sich in den letzten Tagen des muslimischen Fastenmonats Ramadan zu.

Der Vorsitzende des Hohen Politischen Rats, Mahdi al-Maschat, sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und forderte eine Aufklärung des Vorfalls. Ein dafür bestimmter Ausschuss besuchte die Schule laut einem Saba-Bericht noch am Abend.

Zwei mutmaßlich verantwortliche Händler wurden festgenommen. Das Huthi-Innenministerium beschuldigte sie, das Geld ohne vorherige Koordinierung mit dem Ministerium verteilt zu haben.

Die Huthis – offiziell bekannt als Ansar Allah, die „Unterstützer Gottes“ – gehören der Glaubensgemeinschaft der Zaiditen an, einem Zweig des schiitischen Islams. Im Nordjemen herrschen sie in einer Art Zwergstaat, wo sie ihre religiöse Ideologie auf totalitäre Weise durchsetzen. Sie kontrollieren alle Bereiche des öffentlichen Lebens und erheben unter anderem Zölle und Steuern.