Unser neues Küchengerät und ich

Ausgabe 344

Küchengerät
Foto: Татьяна Волкова, Adobe Stock

Trotz aller Vorbehalte – ein Küchengerät hat tatsächlich unseren Alltag erleichtert und vereinfacht.

(iz). Wenn Technik mit einem messianischen Versprechen verbunden wird, ist Vorsicht geboten. Das neue Smartphone, der neue Laptop, das neue Auto usw. machen uns entgegen den Anpreisungen und ­Slogans nicht glücklicher oder zufriedener.

Das ist uns abstrakt bewusst. Dennoch fallen wir immer wieder auf den vermeintlichen Heilscharakter eines ­Produktes herein. Kürzlich stieß ich auf die sarkastische Bezeichnung „Messias-Maschinen“.

Das war meine Haltung, als im Familienkreis die Anschaffung eines Thermomix diskutiert wurde. Der Grund: Vereinfachung. Wir sollten, so hieß es, das Kochen unter der Woche für unseren fünfköpfigen Clan erleichtern und Zeit sparen. Schnell schlug mir eine eher abstrakte Skepsis gegenüber den Möglichkeiten der Technik entgegen.

Das sei doch unnötig, umständlich und wir würden das richtige Kochen verlernen, wandte ich ein. Und teuer sei es zudem. Außerdem hätten ja bekanntlich viele mit der Einführung von Navigationsgeräten ihren Orientierungssinn verloren. Ein Thermomix sei schließlich kaum mehr als „Kochen nach Zahlen“.

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Das Küchengerät oder ich?

Das Gerät wurde gekauft, installiert und verrichtet seit einigen Monaten klaglos seinen Dienst in der Küche. Der Zweifel ist geblieben. Und ich frage mich: Koche ich mit der Maschine oder kocht sie mit mir (als bloßem Bedienelement)?

Benutze ich eine handelsübliche Maschine wie eine Küchenmaschine oder ein vergleichbares Gerät, dann übernimmt sie eine oder mehrere Aufgaben beim Kochen wie Kneten, Rühren, Reiben etc. Was sie tut, hängt ganz von mir, meinen Fähigkeiten und meiner Phantasie ab.

Der Thermomix ist anders konstruiert – selbst wenn viele Funktionen identisch bzw. vergleichbar sind. Entscheidend ist nicht die Qualität des Rührwerks oder die Wattzahl des Antriebs. Wichtiger ist (wie bei ähnlichen Systemen) die vernetzte Steuerung, mit deren Hilfe aus Einzelvorgängen wie Erhitzen bzw. Rühren ein gesamter Kochvorgang wird.

Das System ist faszinierend. Wer keine eigenen Rezepte schreiben will, kann online auf unzählige Gerichte (von ganzen Menüs bis hin zu Saucen oder Marmeladen) aus aller Welt zugreifen und diese nach Kriterien wie Portionsgröße, Kohlenhydraten etc. filtern lassen.

Man kauft demnach nicht nur – vergleichbar mit dem neuesten iPhone – ein Gerät, sondern zusätzlich einen (nach ­einer Testphase kostenpflichtigen) Online-Service, eine vernetzte App (mit der sich Wochen- und Einkaufspläne generieren lassen) und den Zugriff auf eine ständig wachsende Bibliothek. Thermomix spricht ein unbewusstes Bedürfnis nach Gemeinschaft an und macht andererseits abhängig von Internet, Endgeräten und Apps.

Foto: Adobe Stock

Was nicht geht

Es gibt einige Dinge, die mit einem Thermomix in den heute verfügbaren Konfigurationen ohne Herd oder Backofen nicht funktionieren. Alles, was mit Backen, Braten etc. zu tun hat oder eine heiße, ebene Fläche benötigt, muss weiterhin mit herkömmlichen Küchengeräten erledigt werden. Das gilt für Frittieren oder Grillen.

Rezepte, die dies erfordern, können mit dem Thermomix zubereitet werden. So kann man beispielsweise einen Brot- oder Kuchenteig mit dem Gerät zubereiten und anschließend im Ofen backen.

Nach mehr als vier Monaten Testphase mussten wir feststellen, dass die meisten Fleischgerichte mit Vorsicht zu genießen sind. Insbesondere bei 5 oder 6 Portionen empfiehlt es sich, Zutaten wie Hähnchenbrust bzw. Hackfleisch vorab anzubraten, damit sie am Ende gar sind.

Was bietet das Gerät?

Ansonsten sind der Fantasie und den Rezepten kaum Grenzen gesetzt. Von Beilagen wie Chutneys oder Pesto über Suppen bis hin zu komplexeren Gerichten ist vieles möglich. Mit Hilfe einer Anleitung, die das System steuert, wird der Kochvorgang in einzelne Arbeitsschritte unterteilt.

Das ist der Vorteil des beschriebenen „Kochens nach Zahlen“: Dank Sensorik, Software und eingebauter Waage sind kaum Vorkenntnisse erforderlich. Voraussetzung ist, dass die gewünschten Zutaten vorhanden sind. Wer über das „Friend System“ verfügt, kann zwei Kochvorgänge parallel laufen lassen (z.B. Ragout in einem und Pasta im anderen).

Mit der Software und App können Menüs und Einkaufslisten erstellt werden, sodass die benötigten Zutaten immer zur Hand sind. Dies führt zur Veränderung der Einkaufsgewohnheiten. Im Idealfall hat man schon vor dem Wocheneinkauf eine Vorstellung davon, was täglich auf den Tisch kommen soll. Alternativ kann man in Rezeptdatenbanken nachschauen, was gerade im Kühlschrank liegt.

Was es gebracht hat

Die abstrakten Zweifel bleiben. Ich bin jedes Mal überrascht, wenn ich ohne Thermomix koche und auf die Anweisungen des Systems warte. Dem stehen einige Vorteile gegenüber, die die Anschaffung für uns lohnenswert gemacht haben.

Zu nennen ist die zum Teil erhebliche Zeitersparnis. Das Kochen ist schneller und organisierter geworden. Es fällt währenddessen und danach viel weniger schmutziges Geschirr an. Außerdem ermöglicht es Pausen (während gekocht wird), in denen man aufräumen oder etwas anderes erledigen kann.

Mit der Rezeptdatenbank hat man Zugriff auf Rezepte für Harissa oder Merçimek. Bisher ist uns mit dem Thermomix fast alles gelungen. Das gilt zum Beispiel für Suppen und Saucen, die für mich früher eher ein Glücksspiel waren.

Was hat sich für uns verändert? Seit wir mit dem System kochen, essen wir viel mehr frische Zutaten – vor allem Gemüse. Durch die Zeitersparnis können wir zum Beispiel zusätzlich einen Salat zubereiten. Außerdem verwenden wir weniger Salz und Fett.