Unsere Welt ist bunt

Ausgabe 329

kultur kunst
Foto: Ammar Asfour, The Eye in Islam

„Ob in Dearborn, Paris, auf Sansibar oder in Bangalore – überall dort entstehen Ansätze, Projekte und Wissensressourcen, die allen Teilen der Ummah zunutze kommen könnten.“

(iz). Es ist früh. Das allererste Tageslicht setzt sich gegen die Nacht durch. Kurze Zeit nach dem Ruf zum Morgengebet machen sich die Betenden über das steile Kopfsteinpflaster auf dem Weg zu einer der bunt getünchten Moscheen des Stadtteils. Dabei tragen sie Kaftane, Sarongs und viele die Uniform ihres jeweiligen Arbeitslebens.

Diese Szene spielt sich nicht in Chefchaouen, Erzurum oder Bandung ab. Unser fiktionaler Betrachter steht schlaftrunken in den steilen Straßen des Bo-Kaaps, dem traditionell muslimischen Stadtteil von Kapstadt. In direkter Nähe der alten Gassen und ihrer farbenfrohen Häuser befinden sich ein halbes Dutzend Moscheen und hier sind auch einige muslimische „Heilige“ begraben, deren Gräber von den Anwohnern seit fast 200 Jahren liebevoll gepflegt und beschützt werden.

Es lassen sich in der Welt viele solcher Momente aus unserer Lebenspraxis finden. Das können Studenten des Zaytuna-College im kalifornischen Berkeley sein, die sich angestrengt über Grundtexte zur Rechtsmethodik beugen. Oder anreisende Gäste auf dem Weg zu einer marokkanischen Hochzeitsgesellschaft im nordrhein-westfälischen Herne, wenn sie dringend einen Parkplatz suchen, um nicht zu spät zu kommen. Und manchmal handelt es sich um ein Totengebet, bei dem ein Verstorbener auf der philippinischen Insel Mindanao zu Grabe getragen wird.

Derzeit leben von den rund 1,8 Milliarden Muslime in aller Welt beinahe ein Viertel (oder 400 Millionen) mit dem Status, einer „Minderheit“ anzugehören. Sie sind eine größere Gruppe als ihre Geschwister im Nahen und Mittleren Osten, in Nordafrika, Indonesien, Zentralasien oder Afrika südlich der Sahara. Und damit stellen minoritäre Muslime insgesamt, quantitativ betrachtet, das wichtigste Element.

Obschon wir aufgrund ihrer diversen Bedingungen und Geschichte von unterschiedlichen Subkategorien ausgehen müssen, ist eines klar: Weder in der Binnen- noch in der Außenperspektive und auch nicht im Rahmen internationaler muslimischer Gremien wie der OIC spielen sie und ihre Gemeinschaften eine korrespondierende Rolle.

Das ist schade, denn die Vielfalt und Buntheit der muslimischen Weltgemeinschaft findet sich nicht nur in dem, was gemeinhin als „islamische Welt“ verstanden wird, sondern auch an ihren „Rändern“. Dabei geht es um weit mehr als nur „Buntheit“ oder Repräsentation. Ob in Dearborn, Paris, auf Sansibar oder in Bangalore – überall dort entstehen Ansätze, Projekte und Wissensressourcen, die allen Teilen der Ummah zunutze kommen könnten.