Vermehrt Angriffe durch Taliban

Foto: Adam Mancini, US-Army | Lizenz: Public Domain

Kabul (dpa). Während laufender Gespräche zwischen den USA und
hochrangigen Taliban zur Lösung des Konflikts in Afghanistan haben
Aufständische in drei afghanischen Provinzen Sicherheitskräfte
angegriffen. Dabei sind Dutzende Soldaten und Polizisten und mehrere
Aufständische ums Leben gekommen. In der Nacht zu Freitag überfielen
Taliban-Kämpfer das Hauptquartier des 215. Korps der afghanischen
Armee in der Provinz Helmand. Dort sind neben afghanischen Truppen
auch US-Soldaten und US-Militärberater stationiert.
Nach einer Mitteilung des Pressebüros des Gouverneurs von Helmand
sind 20 Angreifer getötet worden. Fünf Soldaten seien demnach getötet
und 12 weitere verletzt worden. Der Angriff sei um kurz nach 19 Uhr
(Ortszeit) beendet worden.
Ein Offizier, der im Camp stationiert ist und namentlich nicht
genannt werden wollte, gab allerdings höhere Opferzahlen an. Nach
seiner Darstellung waren die Angreifer erst in die Küche der
Militärbasis eingedrungen. Dort hätten sie neun bis zehn Mitarbeiter
des Küchenpersonals mit Messern getötet. Daraufhin seien sie zum
Friseurladen und hätten dort den Friseur getötet. Dann habe sie das
Wachpersonal entdeckt und es sei ein Schusswechsel ausgebrochen. In
der Folge sei auch der Kommandeur der Garnison ums Leben gekommen.
Von einem Sprecher der US-Truppen in Afghanistan hieß es,
weder Soldaten der US-Streitkräfte noch der Nato-Ausbildungsmission
„Resolute Support” seien in den Angriff involviert gewesen.
Nach einer Mitteilung eines Taliban-Twitter-Accounts sind mehrere
Angreifer in die Schorab-Luftwaffenbasis eingedrungen, die Teil der
Militärbasis ist. Bei dem Angriff sei ein Radar zerstört worden. Die
Taliban gaben zudem sehr hohe Verlustzahlen auf der Seite der
Sicherheitskräfte an. Allerdings sind die Taliban dafür bekannt,
Zahlen teils massiv zu übertreiben.
In der nˆrdlichen Provinz Sar-e Pul sind am Freitagmorgen
(Ortszeit) mindestens elf Soldaten und Polizisten von Taliban getˆtet
worden. Sie waren in einem Konvoi aus dem Bezirk Sandscharak in die
Provinzhauptstadt Sar-e Pul unterwegs, als sie in einen Hinterhalt
der Aufst‰ndischen gerieten, sagte der Provinzrat Nur Agha Nuri.
Weitere mindestens sieben Sicherheitskr‰fte seien verwundet worden.
Armee und Polizei hatten in den vergangenen Tagen in einer
Offensivoperation versucht, die Taliban aus dem Bezirk zu vertreiben.
Hunderte Familien mussten vor den Gefechten fliehen.
In der nördlichen Provinz Fariab sind zudem bei einem Angriff der
Taliban auf mehrere Kontrollposten im Bezirk Kaisar in der Nacht zu
Freitag mindestens 14 Soldaten und Polizisten getötet worden. Weitere
mindestens 12 seien verletzt worden, sagte der Provinzrat Mohammed
Nader Saidi.
Die aufständischen Taliban greifen weiter praktisch täglich
Kontrollposten der Regierung an, regelmäßig aber auch Militärbasen.
Ein Angriff auf eine so große Basis wie in Helmand ist allerdings
ungewöhnlich. Aus Militärkreisen heißt es, dass täglich rund 35
Soldaten und Polizisten bei Anschlägen und Gefechten ums Leben
kommen. Präsident Aschraf Ghani sagte kürzlich, seit seinem
Amtsantritt Ende 2014 seien 45 000 Sicherheitskräfte in dem Konflikt
getötet worden.
Die Taliban-Angriffe erfolgen während der mittlerweile sechsten
Gesprächsrunde zwischen einer US-Delegation und hochrangigen
Taliban, um den mehr als 17 Jahre dauernden Konflikt in Afghanistan
politisch zu lösen. Im Golfemirat Katar sprachen die beiden
Delegationen von Montag bis Mittwoch über einen Abzug der
internationalen Truppen und Garantien, dass Afghanistan kein sicherer
Hafen für Terroristen wird. Nach einer zweitägigen Pause für weitere
Konsultationen und Vorbereitungen sollen die Gespräche am Samstag
fortgeführt werden. Die Gespräche hatten bisher keine Auswirkungen
auf die Kampfhandlungen.
In Doha soll nach US-Vorstellungen auch über einen Waffenstillstand
verhandelt werden. Experten von der International Crisis Group halten
es aber für unwahrscheinlich, dass es der US-Delegation gelingt, den
Taliban in dieser frühen Verhandlungsphase eine Waffenruhe
abzuringen, heiflt es in einer kürzlich veröffentlichten Analyse.
Die Taliban waren in den vergangenen Monaten militärisch in der
Offensive, sie fügten den afghanischen Regierungskräften hohe
Verluste zu. Die Aufständischen würden daher befürchten,
ihr Momentum auf dem Schlachtfeld zu verlieren, wenn sie einem
Waffenstillstand zustimmten. Ihr militärischer Vorteil sei ein
wichtiges Druckmittel in den Verhandlungen.