Von Jamaika bis Afghanistan

Foto: Franz Ferdinand Photography | Lizenz: CC BY-NC 2.0

„Deutschland ist die Lokomotive der europäischen Wirtschaft und in der EU ein unersetzbarer Stützpfeiler. Wenn sich in der öffentlichen Meinung dieses Landes die Ansicht ausbreitet, dass Europa ein Hindernis für den Wohlstand der Deutschen ist und die Ausländer die Schuld an den Schwierigkeiten haben, muss dies alle Demokraten auf dem Kontinent beunruhigen. Für die deutschen Politiker ist es eine Warnung, die sie mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 nicht ignorieren können.“ (El Pais)
Berlin (dpa) – Nach den Landtagswahlen vom Sonntag stehen die Parteien in allen drei Bundesländern vor einer komplizierten Regierungsbildung. Darüber beraten die Parteigremien am Montag in Berlin und den Landeshauptstädten. Angesichts des Triumphs der rechtspopulistischen AfD in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben die klassischen politischen Lager nach dem Rechts-Links-Schema ausgedient. Selbst Bündnisse der einstigen Volksparteien CDU und SPD reichen in Stuttgart und Magdeburg nicht mehr zum Regieren.
In allen drei Ländern sind die bisherigen Koalitionen abgewählt – die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), Malu Dreyer (SPD) und Reiner Haseloff (CDU) können dennoch hoffen, in anderer Konstellation weiterzuregieren. Die einstigen Volksparteien CDU und SPD erlebten historische Niederlagen, die Grünen in Baden-Württemberg einen historischen Sieg. Der wichtigste Wahltermin seit der Bundestagswahl galt auch als Abstimmung über die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Problematische Regierungsbildung
In Baden-Württemberg sind die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach dem vorläufigen Ergebnis erstmals in der deutschen Geschichte stärkste Partei. Wegen der Schwäche der SPD reicht es allerdings nicht für eine Fortsetzung der bundesweit ersten grün-roten Koalition. Damit kommt in Stuttgart nun ein Bündnis von Grünen und CDU in Frage. Rechnerisch möglich wären auch eine rot-gelb-grüne Ampel und eine schwarz-rot-gelbe „Deutschland-Koalition“. Kretschmann wie CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf beanspruchten am Abend den Regierungsauftrag jeweils für sich.
In Rheinland-Pfalz verwies die SPD von Regierungschefin Malu Dreyer die CDU mit Herausforderin Julia Klöckner auf Platz zwei – Rot-Grün ist aber passé. Möglich wäre eine große Koalition, Dreyer strebt aber ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP an.
In Sachsen-Anhalt ist nach dem Aus für Schwarz-Rot nur eine in den Ländern noch nie erprobte Dreierkoalition von CDU, SPD und Grünen realistisch. Die AfD, die im Zuge der Flüchtlingskrise aufgestiegen ist und jetzt in 8 der 16 Landtage sitzt, fuhr ein Rekordergebnis ein: Mit 24,2 Prozent wurde sie aus dem Stand heraus zweitstärkste Partei.
Seehofer: Merkel verantwortlich
CSU-Chef Horst Seehofer hat den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise als Hauptgrund für die CDU-Niederlagen bei den Landtagswahlen angeführt. „Der zentrale Grund ist die Flüchtlingspolitik. Es hat überhaupt keinen Sinn, da vorbeizureden“, sagte Seehofer am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. Der bayerische Ministerpräsident forderte eine Kurskorrektur. Der Wahltermin galt auch als Abstimmung über die Flüchtlingspolitik Merkels. Die Parteigremien beraten am Montag in Berlin und den Landeshauptstädten über die Ergebnisse.
Die Union werde lange brauchen, um die Entwicklung der vergangenen sechs Monate wieder wettzumachen, sagte Seehofer. „Das ist ja eine tektonische Verschiebung der politischen Landschaft in Deutschland.“ Auf die Frage, ob Merkel noch die richtige Kanzlerin sei, antwortete Seehofer: „Ja.“
Tauber: Absage an Koalition
CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat nach den drei Landtagswahlen Bündnisse mit der rechtspopulistischen AfD erneut ausgeschlossen. „Wenn man sich die Inhalte anguckt, kann es keine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD geben“, sagte Tauber im ZDF-„Morgenmagazin“ am Montag. Er reagierte damit auf einen Tweet des sächsischen CDU-Landtagsabgeordneten Sebastian Fischer, der darin einen generellen Ausschluss von Koalitionsoptionen mit AfD kritisiert hatte.
Tauber stellte klar: „Die AfD nimmt in Kauf, dass große Teile ihrer Funktionäre ganz am rechten Rand zu Hause sind, eine Sprache wählen, die Demokraten nicht pflegen können und das C in unserem Parteinamen setzt eine klare Grenze nach rechts.“
Die Alternative für Deutschland sei eine „klassische Protestpartei“. Der Generalsekretär sagte weiter: „Ich rate auch den anderen, sich offensiv mit ihr auseinanderzusetzen.“ In Sachsen-Anhalt kämen zum Beispiel nur 17 Prozent der AfD-Wähler von der Union. „Das heißt, sie ist eine Herausforderung für alle Parteien und ich rate auch den anderen, sich mit ihr offensiv sich auseinanderzusetzen.“