Warnungen vor einer neuen Finanzkrise

Ausgabe 277

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(IPS). Momentan mehren sich die Warnungen vor einer bevorstehenden, neuen Finanzkrise. Sie kommen nicht nur vom milliardenschweren Investor George Soros, sondern auch von führenden Ökonomen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Bank der Zentralbanken.
Einige Experten befürchten, dass der Konjunktur-Rezessions-Zyklus der Kapitalflüsse in den Entwicklungsländern zu Störungen führen wird, wenn es einen Übergang von Aufschwung zu Rezession gibt. Es fehlt nur noch ein Auslöser. Dieser kann dann lawinenartig anwachsen, wenn Investoren in Herdenmanier zum Notausgang fliehen. Ihr Verhalten ähnelt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn ausreichend spekulierende Investoren denken, es sei an der Zeit, sich zurück zu den globalen Finanzzentren zu bewegen, dann beginnt der Exodus. So geschehen in den früheren Rezessionsphasen des Kreislaufs.
Soros sagte kürzlich auf einem Managerseminar in Paris: „Die Dollarstärke nimmt bereits eine Flucht aus den Währungen der Schwellenländer vorweg. Wir könnten uns auf eine weitere große Finanzkrise zubewegen. Der wirtschaftliche Anreiz eines Marshall-Plans für Afrika und andere Teile der sich entwickelnden Welt sollte in diesem Moment beginnen.“
Wenn Soros in Sachen einer bevorstehenden Krise recht hat, kann sie auch durch eine weitere europäische Krise ausgelöst werden. Oder sie kann mit dem Abfluss von Mitteln aus mehreren Entwicklungsländern beginnen. Einige erhielten große Zuströme, als die Gewinne in den reichen Staaten gering oder gleich null waren. Bei steigenden Zinsraten und Anlagepreisen in den USA findet ein Rückfluss bereits statt. Hier handelt es sich nur um den Start. Mit mehr darf zu rechnen sein.
Soros’ Vorhersage mag mehrheitlich nicht geteilt werden. „Ehrlich gesagt glaube ich, dass das lächerlich ist“, sagte der Kopf der Investmentbank Morgan Stanley. Aber selbst Mitglieder des konservativen Establishment sehen die Entwicklung mit Sorgen. Dazu gehört die Internationale Bank für Zahlungsausgleich (BIS). Zwei ehemalige BIS-Führungskräfte schrieben gerade ein Buch, in dem in sehr klarer Sprache vor „tickenden Zeitbomben“ im globalen Finanzsystem gewarnt wird. Dank rücksichtsloser und falscher Strategien der größten Industrieländer würden sie nur auf ihre Explosion warten. Nichts weniger als eine Revolution ihrer Politik sei nötig, um den Schaden einer kommenden Krise zu verringern.
Die beiden Autoren, Dittus und Hannoun, verwiesen auf einer BIS-Konferenz im Schweizerischen Genf auf verschiedene Probleme oder „Zeitbomben“, die sich in den Industrieländern entwickelt hätten. Das Hauptproblem sei, was sie das schuldengetriebene Wachstumsmodell der G7 nennen. Die wichtigsten Länder hätten – mit Ausnahme Deutschlands – eine laxe Haushaltsführung betrieben, inklusive eines hohen Schuldenanteils am Bruttosozialprodukt. Insbesondere gelte dies für das verantwortungslose Finanzverhalten der USA, welches sie in andere G7-Staaten, mit Ausnahme von Deutschland, exportiert hätten.
Die beispiellose Vermögenspreisblase, die von den G7-Zentralbanken entwickelt wurde, ist eine tickende Zeitbombe. Die US-Notenbank hat sich mit dem Platzen jeder Vermögensblase der letzten 20 Jahre beschäftigt, indem sie eine weitere, größere Blase geschaffen hat. Die US-Regierung haben ihre Ausgaben und Steuersenkungen um mehr als eine Billionen US-Dollar ausgedehnt. Für sie gibt es keine andere Finanzierung als Schulden. Dieses „rücksichtslose Verhalten“ führe dazu, dass die US-Schulden 2019 bei rund einer Billion US-Dollar liegen sollen. Diese wurden durch die nachlässige Geldpolitik der US-Zentralbank, der Komplizenschaft der drei großen Ratingagenturen und dem Segen des Internationalen Währungsfonds seit 2009 ermöglicht.
Die Zentralbanken der G7 seien auch zu den Helfern einer unbeschränkten Schuldenanhäufung geworden. Die Null- oder Negativzinsen sind enorme Anreize für eine Kreditannahme und zerstören jede Motivation für finanzpolitische Rechtschaffenheit. Die Gesamtschuld der gesamten G7 lag im dritten Vierteljahr 2017 bei rund 100 Billionen US-Dollar. Das sind 64 Prozent aller Schulden weltweit.
Die Autoren sind der Ansicht, die extreme Geldpolitik der G7-Staaten seit 2012 habe die Fundamente der Marktwirtschaft untergraben. Es gebe jetzt zentral geplante Finanzmärkte sowie das Auseinanderbrechen von Schlüsselelementen des marktwirtschaftlichen Modells. Es komme zur Manipulation langfristiger Zinsraten, die Bewertung aller Anlageklassen sei tiefgreifend verzerrt, sowie zu einer bewusst falschen Bewertung des Hoheitsrisikos.
Die BIS-Autoren warnten davor, dass die beispiellose Kapitalpreisblase, die von den Zentralbanken der G7 erzeugt wurde, eine Zeitbombe sei, die vor der Explosion stünde – nach sieben Jahren von Nullzinsen und spekulativen Exzessen bei Anleihen, Aktionen und dem Immobilienmarkt.
Martin Khor ist leitender Direktor des Genfer South Centre, einer Denkfabrik für Entwicklungsländer.