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Was bedeutet es, Allah zu lieben?

Ausgabe 307

Foto: Sufi Devran

(iz). In der Schahada heißt es „La ilaha illa’Llah Muhammadun rasulu’Llah (es gibt keinen Gott außer Allah, Muhammad ist der Gesandte ­Allahs)“. Unsere Zunge formt die Worte augenblicklich, während unser Herz gedankenlos und unaufmerksam ist, unser Verstand von seiner wahren Bedeutung abweicht und unsere Handlungen und Lebensweisen vollkommen getrennt ­davon bestehen. Wie können diejenigen, die sie aussprechen, ihre wahre Süße schmecken?

Vergessen wir die zeitweise Süße allen wirklichen und eingebildeten Vergnügens. Lassen wir ab von der Bequemlichkeit der begrenzten materiellen Dinge, die in einem Augenblick hier sind und im nächsten verschwinden. Ignorieren wir die Dinge, die Leute und Tiere gleichermaßen verlangen und nach denen sie sich sehnen; so sehr, dass es schwerfällt, einen Unterschied zwischen beiden zu finden. Ignorieren wir das Wohlbefinden einer Person, wenn ihr Verlangen gestillt und ihre Sorgen hinweggenommen wurden. Vergessen wir all dies!

Die Süße von „es gibt keinen Gott außer Allah, Muhammad ist der Gesandte Allahs“ ist größer als diese Dinge. Und sie ist höher als jene, die sich in jeglichem animalistischen, materialistischen Vergnügen findet. Allah sagt in Seinem Edlen Buch: „Wir haben den Kindern Adams Ehre erwiesen.“ (Al-Isra, Sure 17, 70)

Diese Sache steht über dem, was in ­jedem Wohlgefallen zu finden ist, nach dem unsere Launen und unser niedriges Selbst verlangen. Denn Gelüste sind ­ihrem Wesen nach launenhaft und ­können niemals befriedigt werden. Allah sagt in Seinem Edlen Qur’an: „Das niedere Selbst befiehlt das Schlechte; außer bei jenen, denen mein Herr gnädig ist.“ (Jusuf, Sure 12, 53)

Der wahre Gehalt der Schahada kann nur von den Leuten des Vertrauens in Allah (arab. Iman) und der spirituellen Vollkommenheit (arab. Ihsan) geschmeckt werden. Niemand anderem ist er zugänglich, noch können andere auf seine Erlangung hoffen. Ihr Geschmack schwindet niemals und bleibt immer. Eine Süße, durch die Herzen Ruhe erfahren. Sie hilft, Unruhe und Zögern zu vermeiden. Denn solch ein Herz kann nicht durch weltliche Sorgen überwältigt werden. Noch kann es durch abstruse Wahrnehmungen oder Launen aus dem Konzept gebracht werden. Es ist beschäftigt mit dem guten Wort, das Er in Seinem Buch beschreibt, wenn Er sagt: „Siehst Du nicht, wie Allah, das Gleichnis eines guten Wortes prägt? Ein Baum, dessen Wurzeln standhaft sind und dessen Zweige in den Himmel reichen. Er trägt mit Erlaubnis seines Herren zu allen Zeiten Früchte.“ (Ibrahim, Sure 12, 24)

Seine Wurzeln sind so fest, dass man ihn weder bewegen, geschweige denn entwurzeln kann. Und seine Zweige ­reichen mit göttlicher Versorgung und Unterstützung in den Himmel, so sie zur Hand sind. Die Früchte des Baums kommen zu jeder Zeit, nicht nur gelegentlich. Und sie fallen uns in die Hände – wir müssen nicht nach ihnen suchen. Anstatt den Baum erklimmen zu müssen, erreichen uns die Früchte von selbst, freizügig und in großer Menge, ganzheitlich und gesegnet.

Wie können wir diese Segnungen in unser Leben bringen? Und wie bringen wir diese Süße der Ruhe und Zufriedenheit in Erfahrung? Dieser Geschmack der Dankbarkeit, der von Nachsicht und Stärke begleitet wird? Das Schmecken von Hoffnung und Furcht gleichermaßen?

Die Antwort findet sich in einem Hadith, das von Al-Bukhari und Muslim überliefert wurde. Es stammt von Anas ibn Malik, möge Allah mit ihm zufrieden sein. Er berichtete, dass der Gesandte ­Allahs, Heil und Frieden seien auf ihm, sagte:

„Wenn eine Person drei Eigenschaften besitzt, wird sie die Süße des Imans schmecken: Dass sie Allah und Seinen Gesandten mehr liebt als alles andere. Dass sie die Leute nur um Allahs Willen liebt. Und dass sie es hasst, zum Bedecken der Wahrheit (arab. kufr) zurückzukehren, wie sie es hassen würde, in das Feuer geworfen zu werden.“

Die erste Eigenschaft ist die Grundlage aller anderen und die erhabenste – die Liebe zu Allah und Seinem Gesandten. Nur in der Liebe zu Allah lässt sich die Süße des Glaubens schmecken. Hiermit beginnt und endet alles. Nur jene können Ihn wirklich lieben, die Ihn kennen: durch Seine Namen, Eigenschaften und Handlungen. Echte Liebe zu Allah ­besteht im Lieben seiner Majestät, Schönheit, Vollkommenheit, Seiner Größe, Großzügigkeit und Seiner Barmher­zigkeit. Überhaupt, die Liebe zu allen Eigenschaften, durch die Er sich beschreibt und die Seiner Erhabenheit gerecht werden.

Es gibt jene, die Allah lieben für die unzähligen, unbegrenzten und niemals endenden Segnungen, die Er erweist. Er ist es, Der schafft, aufrechterhält und rechtleitet. Diese Segnungen sind die gewichtigsten und bedeutendsten. Aber ­Allah ist es auch, Der uns Erleichterung und Erfolg gewährt. Allah beantwortet unsere Gebete und kommt uns zur Hilfe. Allah schenkt uns Gesundheit und Wohlergehen. Er gibt uns spirituelle und körperliche Erleichterung und Sieg. Das sind Beispiele für die subtilen Wege, auf denen Er Freude in das Leben Seiner Sklaven bringt. Allah, Allerbarmer, erleichtert ihnen den Weg durch das Leben. Er unterwirft ihnen die körperlichen Zustände und Bedingungen, die sie umgeben und ihre Mittel zum Lebensunterhalt darstellen.

Ist nicht der Eine, Der uns erschuf und Form gab, Der uns mit Augen und Ohren versah und in den besten Proportionen zusammenführte, die Quelle aller Segnungen? Ist Er nicht der Eine, der alles in die Existenz bringt, was gut für uns ist? Denn Er gewährt uns all das, zu dem uns die Fähigkeit fehlt: etwas in die Existenz bringen und diesem Substanz sowie Form zu verleihen. Allah sagt: „Allah brachte euch aus dem Schoß eurer Mütter hervor, ohne dass ihr Wissen hattet. Und gab euch Hören, Sehen und Herzen, damit ihr dankbar sein möget.“ (An-Nahl, Sure 16, 78)

Genauso, wie Allah uns mit Existenz segnet, tut Er dies auch mit fortdauernder Versorgung und Unterstützung. ­Allah sagt in Seinem Edlen Qur’an: „Allah ist es, Der die Himmel und die Erde erschaffen hat und vom Himmel Wasser herabkommen lässt, durch das Er dann für euch Früchte als Versorgung hervorbringt. Und Er hat euch die Schiffe dienstbar gemacht, damit sie auf dem Meer auf Seinen Befehl hin fahren, und Er hat euch die Flüsse dienstbar gemacht. Er hat euch die Sonne und den Mond in ihrem unab­lässigen Lauf dienstbar gemacht, und Er hat euch die Nacht und den Tag dienstbar gemacht.“ (Ibrahim, Sure 12, 32)

Und so wie Er uns in die Existenz bringt, versorgt und unterhält, so segnet Er uns auch mit Rechtleitung und führt uns auf dem richtigen Kurs. Darüber sagt Er in Seinem Edlen Buch: „Er ist Es, der Seinen Gesandten mit Rechtleitung und dem Din der Wahrheit sandte, um ihn über jeden anderen Din zu erheben, auch wenn es den Götzenanbetern zuwider ist.“ (At-Tauba, Sure 9, 33)

Soweit es die Liebe zum Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, betrifft, ist sie mit der Liebe zu Allah verbunden. Beides kann nicht voneinander getrennt werden. Das macht Allah in Seinem Qur’an deutlich: „Sprich: ‘Wenn eure Väter oder eure Söhne oder eure Brüder oder eure Gattinnen oder euer Stamm, oder das von euch angeeignete Eigentum, oder jegliches Geschäft, um dessen Einbruch ihr fürchtet, oder ein Haus, das euch gefällt, euch lieber sind als Allah und Sein Gesandter und Anstrengung auf Seinem Weg, dann wartet, bis Allah Seinen Befehl hervorbringt. Allah leitet das frevelhafte Volk nicht.“ (At-Tauba, Sure 9, 24)

Es wurde sowohl von Al-Bukhari als auch von Muslim in einem Hadith von Anas überliefert, dass der Prophet sagte: „Keiner von euch glaubt wirklich, bis ich ihm lieber bin als seine Eltern, seine Kinder und alle anderen Leute.“

Und es wurde von At-Tirmidhi in ­seinem Buch „Sunnan“ in einer Überlieferung von Anas berichtet, die als korrekt eingestuft wurde, dass ein Mann zum Gesandten Allahs kam und ihn fragte: „Gesandter Allahs, wann wird die Letzte Stunde kommen?“ Darauf stand der ­Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, auf und betete. Nachdem er fertig war, fragte er: „Wo ist der Mann, der mich über das Kommen der Letzten Stunde befragte?“ Der Mann entgegnete: „Ich bin hier, Gesandter ­Allahs!“ Daraufhin meinte der Prophet: „Was hat Du dafür vorbereitet?“ Der Mann sagte: „Gesandter Allahs, ich habe dafür weder viele Gebete, noch viel Fasten vorbereitet, aber ich liebe Allah und Seinen Gesandten.“ Als er das hörte, sagte der Gesandte Allahs: „Menschen werden mit denen sein, die sie lieben. Und du wirst mit jenen sein, die du liebst.“ Anas sagte: „Ich habe niemals solche Freude in den Gesichtern der Muslime gesehen, seit sie Muslime wurden, als dann, als sie dies hörten.“

Die Grundlage dafür findet sich in ­Allahs Buch. Es wurde von At-Tabarani in „As-Saghir“ und „Al-Ausat“ mit einem Isnad von Thabit überliefert, dass Aischa sagte: „Ein Mann kam zum Propheten und sagte: ‘Gesandter Allahs, du bist mir lieber als mein Selbst, lieber als meine Familie und als meine Kinder. Wenn ich in meinem Haus bin und mich an dich erinnere, dann kann ich nichts tun, bis ich nicht zu dir komme, um dich mit eigenen Augen zu sehen. Wenn ich daran denken muss, dass du und ich sterben müssen, dann erschreckt mich die ­Erkenntnis, dass Du, wenn du in den Garten eintreten wirst, mit den Propheten bist. Und ich bin ängstlich, dass ich, sollte ich eintreten, dich nie wieder sehen werde.“

Der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, antwortete nicht, bis (der Engel) Dschibril kam und ihm Allahs Worte überlieferte: „Wer Allah und dem Gesandten gehorcht, wird mit jenen sein, die Allah gesegnet hat: den Propheten und den Siddiqun, den Märtyrern und Rechtschaffenen. Was für eine ausgezeichnete Gesellschaft solche Leute sind!“ (An-Nisa, Sure 4, 69)

Die zweite Eigenschaft, die eine Person haben muss, um die Süße des Iman zu schmecken, ist, dass sie eine Person nur um Allahs willen liebt. Was soll das ­heißen? Eine detaillierte Erklärung dazu findet sich in den Sunnan von Abu Dawud in einem Hadith von Abu Umama. Der Gesandte Allahs, Heil und Segen auf ihm, sagte: „Wenn jemand für Allah liebt, für Allah hasst, für Allah gibt und für ­Allah zurückhält, dann hat dieser seinen Iman vervollkommnet.“

Was ist mit der Vervollkommnung des Iman gemeint? Der große Prophetengefährte Ka’b Al-Ahbar erklärte dies in einem Hadith, das von Ibn Abi Schaiba in „Al-Musannaf“ überliefert wurde. Ka’b sagte: „Wenn ihr das Gebet etabliert, die Zakat entrichtet, horcht und gehorcht, dann habt ihr einen Islam der Mitte erreicht. Erst dann, wenn ihr um Allahs willen liebt, hasst, gebt und zurückhaltet, dann ist euer Iman vollkommen.“

Die dritte und letzte Eigenschaft, die nötig ist, um die Süße des Glaubens zu schmecken, besteht darin, dass eine Person die Rückkehr zum Kufr so sehr hasst, wie ins Feuer geworfen zu werden. Sie kann in einem einzigen Wort zusammengefasst werden: Jaqin – Gewissheit. Al-Hasan Al-Basri sagte: „Wenn ein Sklave Gewissheit über den Garten und das Feuer hat, verbringt er jeden Moment seines Lebens in einem Zustand der Demut, Erniedrigung, Mäßigung und Furchtsamkeit – und geht auf dem geraden Pfad.“

‘Abdallah ibn Mas’ud erklärte Jaqin, indem er ihre Zeichen beschrieb. Er sagte: 

„Gewissheit bedeutet, niemanden zufriedenzustellen zu suchen, wenn dies Allah missfällt. Niemanden für das zu loben, was Allah ihm als Teil der Versorgung gab. Und niemandem das zu missgönnen, was Allah ihm gab, aber dir vorenthalten hat. Allah hat dieser Person gegeben und es dir vorenthalten. Man erhält keine Versorgung, wenn man sie jemand anderem neidet, noch kann man sie von ihr durch Übelnehmen fernhalten. Es ist Allah, der – durch Sein Wissen, Seine Gerechtigkeit und Nachsicht – Freude und Ruhe in die Gewissheit sowie die Zufriedenheit legte; und Sorge und Angst in den Zweifel und die Unzufriedenheit.“