Während die israelische Führung den Nahostkrieg auf den Südlibanon ausweitet: Das Vertrauen der Bundesbürger an der deutschen Nahost-Berichterstattung schwindet.
Berlin (iz). Seit dem heutigen Dienstag befinden sich erstmals seit 2006 wieder israelische Armeeeinheiten auf libanesischem Territorium. Während sich die bundesdeutschen Leitmedien affirmativ in der Darstellung hochkomplexer Operationen wie der Sprengung unzähliger Pager üben, wird die eklatante Glaubwürdigkeitslücke ihrer Nahostberichterstattung offensichtlich.
Bereits Ende August berichtete das Medienmagazin „ZAPP“ (NDR) in einem mehr als halbstündigen Beitrag über die Enttäuschung vieler Mediennutzer. Insbesondere die Öffentlichrechtlichen erleiden einen Vertrauensverlust. Die ZAPP-Umfrage zur Nahost-Berichterstattung befasste sich mit der Wahrnehmung und den Meinungen der Zuschauer über sie in den Medien zu Konflikten im Nahen Osten, insbesondere im Hinblick auf Israel und Palästina.
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Das Vertrauen gerade in die Öffentlichrechtlichen sinkt
Das Magazin zitierte auf seiner Website aus einer Umfrage, die Infratest Dimap in seinem Auftrag durchgeführt hatte. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Nur 38 % der Befragten hält die deutsche Berichterstattung über den Nahostkonflikt für ausgewogen. Aber beinahe die Hälfte (48 %) haben wenig oder gar kein Vertrauen in sie. Für 5 % sei sie zu pro-palästinensisch, aber ein Drittel (31 %) meinte, die Medien würden zu viel Partei für die israelische Seite zu ergreifen.
Nur eine Minderheit (7 %) würde ihr stark vertrauen, 33 % „sehr“. Demgegenüber stünden 33 % mit „wenig“ und 15 % mit „gar kein Vertrauen“.
Viele Deutsche empfinden die Berichterstattung als unausgewogen und sehen eine zu starke Parteinahme für Israel. Gleichzeitig besteht ein deutlicher Wunsch nach einer objektiveren und ausgewogeneren Darstellung der Ereignisse im Nahen Osten.
Grafik: IZ Medien (links WEF, rechts Fars Media)
Das Problem am Beispiel des Verlautbarungsjournalismus
Zu den kritisierten Aspekten der deutschen Berichterstattung über den Nahen Osten und den Gazakrieg im Besonderen gehört die Tendenz deutscher Medien, Pressemitteilungen oder Ankündigungen der israelischen Führung oder des israelischen Militärs kommentarlos oder ohne Einordnung zu verbreiten. Diese Gepflogenheit wird von KritikerInnen auch als Verlautbarungsjournalismus bezeichnet.
Diese Form des Journalismus bezeichnet eine Variante von Medienarbeit, bei der Journalisten vor allem auf offizielle Mitteilungen und Pressemitteilungen von Politikern, Parteien oder Institutionen zurückgreifen. Statt selbst zu recherchieren und unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen, wird vor allem die vorgegebene Botschaft wiedergegeben.
Zu den problematischen Aspekten zählen die Abhängigkeit von offiziellen Quellen (Journalisten verlassen sich stark auf Informationen, die ihnen von offiziellen Stellen geliefert werden), die fehlende kritische Distanz (die Vollständigkeit und Objektivität der angebotenen Fakten wird selten hinterfragt) und die Konformität mit der offiziellen Linie (die Berichterstattung passt sich oft der gewünschten Darstellung an und widerspricht selten der offiziellen Position).
Screenshot: Verband binationaler Familien und Partnerschaften | YouTube
Vorschläge von Fachleuten und Wissenschaftlern
Schon seit Jahrzehnten beschäftigt sich die deutsche Kommunikations- und Medienforschung mit der bundesdeutschen Berichterstattung über Konflikte im Nahen Osten. Und fast ebenso lange ist bekannt, dass es in Teilen der hiesigen Medien einen Bias gibt.
Aus ihren Reihen werden seit langem Verbesserungsvorschläge formuliert. Dazu gehören mehr Transparenz (die Medien sollten transparenter darüber informieren, wie sie ihre Informationen auswählen und bewerten), Ausgewogenheit (die Berichterstattung sollte möglichst ausgewogen sein und verschiedene Perspektiven berücksichtigen) und Hintergrundinformationen (es ist wichtig, den Kontext der Ereignisse darzustellen und Hintergrundinformationen zu liefern, damit sich die Zuschauer und Leser ein eigenes Urteil bilden können).
Kristin Helberg ist erfahrene Journalistin und Kennerin der Region. Sie hat in der Vergangenheit über die Arbeit der Medien in Syrien und im Nahen Osten berichtet. Sie betont, wie wichtig es ist, westliche Klischees und vereinfachte Darstellungen komplexer Situationen zu hinterfragen.
Sie plädiert für eine differenziertere Betrachtungsweise, die die vielfältigen Aspekte einer Gesellschaft und die historischen Hintergründe berücksichtigt. Außerdem sind MedienarbeiterInnen aufgefordert, ihre eigene Rolle zu reflektieren. Sie thematisiert die Herausforderungen und Dilemmata, mit denen Journalistinnen und Journalisten in solchen Situationen konfrontiert sind.