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Ideologien: Wie die Baath-Partei zur Mumie wurde

Ausgabe 355

baath
Foto: doglikehorse.com, Adobe Stock

Die Ideologie der Baath-Partei hat den Nahen Osten über ein halbes Jahrhundert in Atem gehalten. Die bisherige Rolle des Baathismus ist vorbei.

(KNA). Mit dem Sturz von Baschar al-Assad ist in Syrien auch das Monopol seiner Baath-Partei gefallen. Zusammen mit Militär und Geheimdiensten sicherte sie dem Regime 54 Jahre lang die Herrschaft. Und gab sich dabei, wie üblich in Einparteiensystemen, als Sprachrohr des Volkswillens und Garantin des Fortschritts aus. Von Christoph Schmidt

Ihr ruhmloses Ende ist zugleich das letzte Begräbnis einer politischen Ideologie, die einst große Teile der arabischen Welt erfasste und dann zur fluchbeladenen Mumie wurde. Offiziell gegründet wurde die „Partei der arabisch-sozialistischen Wiedergeburt“, kurz Baath, 1947 in Damaskus von dem Christen Michel Aflaq und dem Muslim Salah ad-Din al-Bitar.

Baath-Partei: Einst wollten sie die „arabische Welt“ vereinen

Unter dem Motto „Einheit, Freiheit, Sozialismus“ forderten die Baathisten einen panarabischen Staat von Marokko bis zum Golf, die Befreiung von imperialistischer Kontrolle und Reformen gegen soziale Ungerechtigkeit in den halbfeudalen Gesellschaften.

Wie viele außereuropäische Bewegungen ihrer Zeit kämpfte sie auf Basis moderner Ideen. Eine „islamische Renaissance“, wie sie die der politische Islam bis heute verfolgt, lehnte sie als rückwärtsgewandt ab. Ableger der Baath entstanden in etlichen Staaten. Dauerhafte politische Macht errang sie aber nur 1963 in Syrien und 1968 im Irak jeweils durch Putsch, wobei sich beide Zweige wegen ideologischer Differenzen künftig erbittert bekämpften.

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In ihrem Gewandt tyrannisierten die Diktaturen

Beide Länder wurden im Gewand des Baathismus zu brutalen Diktaturen – der Irak unter Saddam Hussein, Syrien ab 1970 unter dem alawitischen Luftwaffenchef Hafiz al-Assad – und die jeweiligen Parteien im Zeichen eines gigantischen Führerkults zum totalitären Machtinstrument. Die Mitgliederzahl der Baath soll in der Zeit des ersten Assad auf über eine Million angewachsen sein.

Wie in den Regimes des Ostblocks konnte ein Parteibuch über Studienplatz oder Ladenlizenz entscheiden. Und es erleichterte den Umgang mit den allgegenwärtigen Geheimdiensten. Die Baath durchzog alle gesellschaftlichen Schichten, Gewerkschaften, Unternehmerverbände, die Journalistenvereinigung und Anwaltsgilde.

Die Partei bildete mit ihrer nationalistisch-säkularen Ideologie eine eiserne Klammer zwischen den vielen Konfessionen Syriens. Zwar setzten die Assads Mitglieder der Alawiten-Sekte auf Schlüsselpositionen in Armee und Geheimdienst, aber die Baath war keine „Alawiten-Partei“, sondern repräsentierte nach einem Proporz die sunnitische Mehrheit, Christen und Drusen.

Der syrische Baathismus erstarrte unter Hafiz’ Sohn Baschar al-Assad nach 2000 immer weiter in Korruption, Misswirtschaft und Polizeiterror. Nach Beginn des Bürgerkriegs 2011 soll es auf der unteren Ebene zu massenhaften Parteiaustritten gekommen sein. Sie wurde endgültig zum ideologischen Zombie.

„Heute ist der letzte Slogan der Baath-Partei zusammengebrochen, nachdem der Freiheitsslogan schon vor 40 Jahren gefallen war“, schrieb damals der Schauspieler Bassam Jneid in der Tageszeitung „Baladna“ in einem mutigen Kommentar. „Um Himmels willen, was von unserer Partei geblieben ist, ist nichts anderes als eine Bande von Dieben, die alles stahlen, was sie konnten, unter dem Deckmantel des Nationalismus.“