Innerhalb von 12 Tagen beendeten die Syrer aus eigener Kraft die blutige und ungerechte Herrschaft der Assad-Familie. Inmitten des Jubels bleiben Fragen über die Zukunft.
(dpa, iz). Am 15. März 2011 begannen friedliche Proteste in der südsyrischen Stadt Daraa gegen die Diktatur von Bashar Al-Assad und die Herrschaft seines Familienclans.
Anstatt in einer Demokratisierung und Befreiung des Landes mündete der „Arabische Frühling“ in Syrien zu einem schier unendlichen Bürger- und Stellvertreterkrieg, der hunderttausenden Syrern das Leben kostete und Mio. in die Flucht trieb. Dieses Kapitel der syrischen Geschichte scheint an ihr Ende gekommen zu sein.
Die Regierungszeit von Machthaber Assad in Syrien ist selbst der staatlichen Armee zufolge beendet. Dies habe das Armeekommando den Regierungssoldaten mitgeteilt und diese damit außer Dienst gestellt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus syrischen Militärkreisen.
HTS-Führer Al-Julani im ersten Interview mit einer westlichen Reporterin nach der Einnahme von Aleppo. (Screenshot: CNN)
Das Ende der Herrschaft des Assad-Clans: Es begann mit einer begrenzten Offensive
Erst vor anderthalb Wochen starteten die HTS-Rebellen ihre Offensive – und scheinen ihr Ziel erreicht zu haben. Verschiedene oppositionelle Gruppen haben jetzt aus mehreren Himmelsrichtungen die Hauptstadt Damaskus eingenommen. Der ehemalige Machthaber Baschar Al-Assad hat das Land verlassen – man munkelt in Richtung Moskau.
Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama, weitgehend kampflos. Erst am Samstag hatten die Rebellen das strategisch wichtige Homs eingenommen. Verschiedene andere Gruppen rückten zugleich von Süden aus Richtung Damaskus vor. Sie eint bisher das Ziel, Assad stürzen zu wollen.
Wie der Sprecher einer der bewaffneten Fraktionen erklärte, markiere der 8. Dezember 2024 das „Ende einer dunklen Ära“ der Unterdrückung unter Assad und seinem Vater Hafiz.
Bisheriger Ministerpräsident will angeblich kooperieren
Syriens Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali blieb eigener Darstellung zufolge im Land und will bei einem Machtwechsel Kooperieren. „Wir sind bereit, (die Macht) an die gewählte Führung zu übergeben“, sagte Al-Dschalali in einer Videobotschaft, die er laut eigener Aussage in seinem Zuhause aufzeichnete. Über diese Führung müsse das Volk entscheiden. „Wir sind bereit, sogar mit der Opposition zusammenzuarbeiten.“
Im Zentrum von Damaskus brach nach Assads Flucht Jubel aus. Anwohner klatschten dort auf der Straße und einige waren beim Gebet zu beobachten, wie Augenzeugen berichteten. In sozialen Netzwerken machten Videos von Anwohnern die Runde, die auf einen Panzer klettern und feierliche Gesänge anstimmen.
Exilsyrer im Jubel mit ihren Landsleuten vereint
Mit Begeisterung und ungläubigem Staunen haben Assad-Gegner im Exil auf den Vormarsch der Rebellen reagiert. Einige von ihnen rufen gleichzeitig zu Mäßigung und Versöhnung auf.
Mit Euphorie und Aufrufen zur Versöhnung haben syrische Exil-Oppositionelle in Deutschland und anderen westlichen Staaten auf das Ende der Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad reagiert.
Gleichzeitig verfolgen viele von ihnen mit Spannung die Nachrichten von der Befreiung ehemaliger Weggefährten und anderer politischer Gefangener. „Lasst uns unser Syrien gemeinsam wieder aufbauen“, schrieb der Menschenrechtsanwalt Michal Shammas auf seiner Facebook-Seite.
Screenshot: Obaida Al Hayani, X
Hassan al-Aswad von der Syrischen Demokratischen Allianz rief seine Landsleute auf, denjenigen zu verzeihen, die zwar Teil des alten Systems waren, aber keine schweren Verbrechen begangen haben.
Der Anwalt aus der Stadt Daraa, der als Flüchtling in Hannover lebt, veröffentlichte ein Video, in dem er sagte, es sei gut, dass beim Vorrücken der Assad-Gegner bislang keine staatlichen Einrichtungen zerstört worden seien. Er sagte: „Ich verzeihe dem Menschen, der seit 2012 mein Haus besetzt hat.“ Er fügte hinzu: „Gott möge dir verzeihen. Ich will nichts von dir.“