Wo lassen sich Inspirationen zur Entwicklung von Karrieren finden? Von Dr. Suhair Al-Salah

Ausgabe 241

(iz). Um unternehmerische Karrieren zu entwickeln, müssen wir drei Aspekte zusammenbringen: mittelständisches Gewerbe, Unternehmertum und Training. Es gibt islamische Perspektiven, die damit korrelieren: Khilafa (Sachwalter- oder Statthalterschaft), Takrim (Wertschätzung & Würde) und Ihsan (Perfektion).
Es ist Allahs Wille, den Menschen zum Sachwalter auf Erden zu machen. Khilafa beinhaltet, dass der Mensch entschlossen ist, jene Tugenden zu besitzen: Verantwortung, Freiheit, Aufrichtigkeit und Anpassung an allgemeine Gesetzmäßigkeiten. Das führt uns zur Entwicklung von hochwertigen Eigenschaften innerhalb einer Unternehmenskultur; um das Beste zu geben, da wir Allahs Sachwalter auf Erden sind.
„Wir haben das anvertraute Gut den Himmeln und der Erde und den Bergen angeboten, aber sie weigerten sich, es zu tragen. Sie scheuten sich davor. Der Mensch trug es. Gewiss, er ist sehr oft ungerecht und sehr oft töricht.“ (Al-Ahzab, 72) Der Sachwalter beinhaltet die Aspekte des Stellvertreters. Darin sind die Tugenden Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Un­bestechlichkeit und Tadellosigkeit verkörpert. Der Begriff ist immens und benötigt ethische Charakteristika wie Verantwortungsgefühl, Gleichbehandlung, Wahlfreiheit und Wissen.
Wir können ableiten, dass Wissen und Fairness zwei Säulen der Verantwortung sind. Die erste, Kenntnis, kommt mit Studium, Bildung und Training. Die andere, Gerechtigkeit, kann mithilfe der Schaffung effizienter und wirksamer Strategien erlangt werden. Beide Ansätze verstärken und begünstigen einander.
Khilafa steht in Zusammenhang mit der Verteilung von Mitteln. Die Tatsache, dass dem Menschen eine solche Aufgabe zukommt, bedeutet drei Dinge: Erstens, fehlerhafte Verteilung von Ressourcen ist ein ungerechter Akt. Die Gesellschaft als Ganzes ist ebenfalls Sachwalter und verantwortlich für diesen Besitz. Zweitens, der Nießbrauch irdischer Mittel ist ein Weg für Individuen und Gesellschaft, Khilafa zu manifestieren. Drittens, leitet sich eine Verpflichtung des Einzelnen ab, dem Ganzen zu nutzen. Gleichzeitig steht es ihm zu, privates Eigentum zu besitzen.
Derart steht die Sachwalterschaft des Individuums nicht im Widerspruch zur sozialen. Sie ist Verantwortung beider Seiten. Sie müssen konstruktiv auf der Erde wirken und Korruption vermeiden. Sie haben die Wahl zwischen Verbesserung oder Verschlechterung.
Wird der Mensch dem angemessen gerecht, stehen ihm diese Mittel auch zu. Dazu gehört die Erkenntnis von Allahs Gesetzen sowie ihr Gebrauch zur Förderung des Allgemeinwohls und der Er­schließung natürlicher Ressourcen. So kann der Mensch Investitionsmöglichkeiten suchen, neue Quellen des Lebensunterhalts finden, Lebensstandards erhöhen, Entwicklung stärken, Industrien schaffen, erfinden und erneuern. Allah ehrte den Menschen (Takrim). Dieser hat die Verantwortung, konstruktiv zu handeln und Destruktivität zu meiden. Das Recht des Menschen, die Ressourcen und Fähigkeiten zu nutzen, die das Universum für ihn bereithält, eröffnet Möglichkeiten für Kreativität, Entdeckungen und Gelegenheiten.
Der Mensch steht vor Herausforderungen. Gelegentlich muss er mit Regeln und Bestimmungen umgehen, die sein Verhalten und sein Denken beeinflussen, soweit sie in Zusammenhang mit seiner Beziehung zu Allah und allen Geschöpfen stehen. Wir unterscheiden uns durch unseren Wissensgrad. So können wir kreativer handeln. Der Mensch kann Gesetzmäßigkeiten aus seinen Beobachtungen ableiten. Der Mensch kann Ursachen und Regeln finden sowie lernen, sie zu seinem Gebrauch zu nutzen. Die Khilafa des Menschen manifestiert sich in der Fähigkeit, zu verstehen, nachzudenken, sich etwas vorzustellen und zu bewerten.
Uns wurden kognitive Fähigkeiten und kreatives Denken zugeeignet, die zu Erfindungen und Erneuerungen führen. Durch Erziehungsprozesse erhält das schöpferische Individuum Fähigkeiten und Techniken. Es entwickelt ein hohes Maß an Fertigkeit, was ihm einen vielfältigen gestalterischen Ausdruck ermöglicht. Das kreative und das analytische Denken sind wichtig. Beide bedingen sich gegenseitig.
Der Mensch ist ein hervorgehobenes Geschöpf. Er wurde mit vielen Gunstbezeugungen und Vorteilen ausgezeichnet. Allah gab ihm Verstand, Wissen, Entschlossenheit, Freiheit, Verpflichtung und Engagement. Viele Verse des Qur’an illustrieren, dass Allah das Universum und alle lebenden Wesen in perfekter Form schuf, die ihrer Funktion im Leben entspricht.
Takrim bedingt bestimmte Rechte und Pflichten. Der Mensch hat das Recht zu leben, zu denken, sich auszudrücken, zu besitzen, zu glauben, sicher zu sein usw. Jedes Recht hat eine korrespondierende Verpflichtung. Daraus leitet sich die ­Notwendigkeit für uns ab, das Leben zu organisieren und öffentliche Handlungsvorgaben zur Erreichung dieses Ziels zu formulieren. Eine Reflexion über die Qur’anverse zur Khilafa zeigt, dass die Wurzel des Wortes in Beziehung zu guter Regierung steht. Als solche kennzeichnet sie Ermächtigung in dieser Welt. Dafür braucht es Weisheit, Entschlossenheit und Fairness, damit sie erhalten bleibt.
Für Innovation muss der Mensch gebildet und geübt sein. Die Bereitstellung von Ausbildung ist ein Aspekt von Takrim. Es ist ein Ausdruck des Respekts; eine systematische Methodologie, um Fähigkeiten zu entwickeln und herauszubilden. Sie ist ein Werkzeug zur Förderung von Entwicklung und Erfolg. Die Steigerung unternehmerischer Kenntnisse, Leistungen, Einstellungen sowie Produktivität bringt edlere und bessere Individuen hervor.
Indem Übung zur Herausbildung von Kompetenzen beiträgt, wird der Geschulte selbstbewusster. Er ist sich seiner Ziele und Pflichten bewusst. Zusätzlich wird das Bewusstsein geschärft. So kann er sein Können in der bestmöglichen Weise einsetzen. Ausbildung macht den Übenden mit Alternativen vertraut. Er lernt, mit Risiken umzugehen, und seine Arbeit am effektivsten und effizientesten auszuführen. Training bringt Unternehmer hervor, die Möglichkeiten zur Unterstützung ihrer Gemeinschaft entfalten – und die gewünschte Veränderung bewirken. Workshops sowie Übungsrunden stärken und erweitern die unternehmerische Gemeinschaft. Dadurch bilden sich neue Beziehungen, was Erfahrungsaustausch ermöglicht und zur Entstehung von Ideen und Gelegenheiten beisteuert. Arbeitsgruppen entwickeln Teamfähigkeiten sowie die dazugehörige Ethik.
Ihsan steht im Verhältnis zu Innovation und Ausbildung. Übung ebnet den Weg zur Perfektion und zu exzellenten Eigenschaften; Kreativität sowie Einfallsreichtum sind weitere Aspekte. Der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, ermutigte seine Gefährten, aufrichtig zu arbeiten, perfekt bis zur bestmöglichen Fehlerlosigkeit. Er betrachtete gute Leistung als Tor zu Produktivität, Entwicklung und Nachhaltigkeit.
Exzellenz benötigt ununterbrochene, professionelle Entwicklung und gefestigte Teamarbeit. Allah, der Erhabene, er­wähnt Ihsan an mehreren Stellen in Beziehung zu einer Gruppe von Leuten. Daraus kann abgeleitet werden, dass dies am besten in einem gemeinschaftlichen Umfeld erlangt wird. Ihre Teilnehmer können voneinander lernen, diskutieren sowie sich über Gelegenheiten austauschen. Die vortreffliche Leistung braucht die Suche nach Wissen und Erfahrungen, harte Arbeit sowie das Streben nach Zielen. Für eine nachhaltige Entwicklung sind Innovation und Kreativität nötig – wobei Ihsan ihr Generator ist. Erreicht ein Unternehmer jene Stufe, bedeutet es, dass er die Erwartungen übertroffen hat. Diese Position muss sich durch bestimmte Kriterien charakterisieren, klassifizieren und messen lassen, damit die Akteure ihre Leistung einschätzen können.
Die Autorin ist Forscherin und Dozentin an der Universität von Katar.