„Wer sich selbst und andre kennt, Wird auch hier erkennen: Orient und Okzident Sind nicht mehr zu trennen“, heißt es bei Johann Wolfgang von Goethe im West-östlichen Divan.
(iz). Im Hinblick auf die Folgen des arabischen Frühlings, die Unruhen in der arabischen Welt und hitzigen Flüchtlingsdebatten hierzulande scheinen die Verse Goethes aktueller denn je und die Verständigung zwischen Orient und Okzident ist in den letzten Jahren in das allgemeine weltpolitischem Interesse geraten.
Unlängst trafen sich in Wien die Außenminister von 19 Staaten, um sich über die Syrien-Krise zu beraten und die, sonst so gern an den Rand gedrängte Türkei, ist in Folge der Flüchtlingsströme zu einem wichtigen Verhandlungspartner Europas geworden. Doch auch in der deutschen Gesellschaft ist der Nahe Osten zum Inhalt vieler kontrovers geführten Debatten geworden. Oft führen dabei schon die Erwähnung von Begriffen wie „Orient“, „Naher Osten“, „Islam“ oder „Muslime“ zu Missverständnissen und Ängsten in einer immer breiteren Masse der Gesellschaft.
Um dem entgegenzuwirken und auf die lange, geschichtsträchtige Geschichte von Ost und West hinzuweisen, bemühen sich der Historiker Thomas Weiberg und der Turkologe Michael Heß. An jedem zweiten Donnerstag im Monat geht es dabei im „west-östlichen Rosengarten“ in Berlin Neukölln in spannenden Gesprächen, Lesungen, Vorträgen und Diskussionen um die orientalische und türkische Kultur und ihre Beziehung zur westlichen Welt. Ziel ist es nach Weiberg, „interessierte und weltoffene Menschen beider Kulturen in einem sinnlichen Rahmen an einen Tisch zu bringen und sich mit der Geschichte und Kultur des Orient auseinanderzusetzen.“
So ging es am 5. November um die deutsche Orientpolitik von 1878-1918. In einem Zwiegespräch mit dem Turkologen Michael Heß ging es dabei unter anderem um Bismarcks Außenpolitik und die Rolle des Orients im ersten Weltkrieg. Diesbezüglich wurden interessante Parallelen und Folgen dieser Zeit auf das heutige Verständnis der Kulturen geführt, das sich damals wie heute durch eine westliche sekundäre Mittelostpolitik des Friedens auszeichnet, die der Weltpolitik der Großmächte untergeordnet war. Interessiert ließen sich die Gäste auf die lebhaft, geführten Diskussionen der Experten ein und erfreuten sich anschließend an einem kulinarischen reichhaltigen Büffet, mit Spezialitäten des Orients, das keine Wünsche offenließ.
„Und ist es wichtig in einem sinnlichen Rahmen einen Beitrag zur Kulturvermittlung zwischen den Kulturen zu leisten, der einen nachhaltigen positiven Eindruck bei unseren Gästen hinterlässt“, erklärte der Historiker Weiberg anschließend. Das dies gelungen war zeigte sich im Anschluss des einstündigen Vortrags. „ Das war ein sehr gelungener Abend. Ein interessantes Gespräch und sehr gutes Essen. Das schafft Verbundenheit“, fasste eine Zuschauerin den Abend zusammen. „Nur die Podiumsdiskussion hätte noch lebhafter ausfallen können. Dafür müssten sicherlich noch mehr Besucher den Weg in den Rosengarten finden.“ Auch Thomas Weiberg wünscht sich „noch mehr interessierte Berliner und Berlinerinnen“, die Interesse haben, den lebhaften, informativen Diskussionen beizuwohnen, mögliche Vorurteile und Missverständnisse abzubauen und an der erfolgreichen Kulturverständigung mitzuwirken.
Seit dem 10. September findet der „west-östliche Rosengarten“, zu finden in der Wissmannstraße 44 in Berlin Neukölln, an jedem zweiten Donnerstag im Monat statt. Die nächste Veranstaltung am 19. November unter dem Themenschwerpunkt „Istanbuls Hane im Wandel der Zeit“. Kartenvorverkauf in der Alten Welt Siralti (Wissmannstraße 44/Berlin Neukölln)