Backnang nimmt Abschied von Brandopfer

Eine unfassbare Tragödie, acht Tote und tiefe Trauer: Rund 1000 Menschen nehmen in Backnang Abschied von den Opfern der Brandkatastrophe.

Bericht von Wenke Böhm

Backnang (dpa). Acht Särge sind im Hinterhof der Backnanger Moschee aufgereiht. Türkische und deutsche Fahnen bedecken sie und schützen sie vor dem Nieselregen. Im kleinsten Sarg ruht ein sechs Monate altes Baby. Wie seine 40 Jahre alte Mutter und sechs seiner Geschwister ist es am Sonntag jäh aus dem Leben gerissen worden. Rund 1000 Menschen nehmen an diesem Dienstag Abschied von den Toten der Feuerkatastrophe. Dicht drängen sie sich im Hof. Frauen in Kopftüchern schlagen weinend die Hände vors Gesicht, Männer schütteln fassungslos den Kopf.

Rund 45 Minuten singt der Imam, bevor die Politiker in dem Städtchen nahe Stuttgart das Wort ergreifen. Baden-Württembergs Vize-Ministerpräsident Nils Schmid (SPD) kämpft mit den Tränen. Seine türkischstämmige Frau Tülay ist auch da – mit Kopftuch. «Ganz Baden-Württemberg ist in Trauer heute vereint», sagt der 39-Jährige mit brüchiger Stimme. Schmid kann es nicht fassen, dass die Kinder nie mehr mit ihren Freunden spielen können.

Die wenigen überlebenden Angehörigen der Brandopfer stehen während der Ansprachen in der ersten Reihe. Der extra angereiste türkische Vizepremier Bekir Bozdag ringt ebenfalls um Worte. Er wünscht der Familie viel Kraft und versichert, dass «Millionen türkische Bürger» ihren Schmerz teilen. Zuvor haben sich die Angehörigen mit Umarmungen gegenseitig Trost gespendet. Die Großfamilie wurde im Schlaf vom Feuer überrascht – Brandursache soll ein technischer Defekt sein. Die Mutter und die sieben Kinder erstickten am giftigen Rauch.

Neben der Trauer ist auf türkischer Seite auch Skepsis greifbar. Man wolle vertrauen, dass die deutschen Ermittler sämtliche Untersuchungen in gesamter Breite tätigen, sagt Bozdag mit einem Unterton des Zweifels. «Sämtliche Möglichkeiten sollten hier in Betracht gezogen werden – sowohl technische, als auch radikale, die wir schon erleiden mussten.» Schmid versichert ihm, dass alle Menschen, egal welcher Herkunft, sich in Baden-Württemberg zu Hause fühlen können.

Nach dem Gebet werden die Särge durch die Menschenmenge zu den Autos getragen. Leise Abschiedsgesänge begleiten sie. Um 14.18 Uhr verlassen die Toten mit einem Airbus der Turkish Airlines das Land Richtung Istanbul. In ihrer Heimat in der Mitteltürkei sollen sie noch einmal obduziert werden, bevor sie am Mittwoch beerdigt werden. Die zweite Obduktion irritiert die deutsche Seite. «Das dient nicht der Totenruhe, aber auch nicht dem gegenseitigen Vertrauen», sagt Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD).

Vor der einsturzgefährdeten Brandruine erinnern weiter Blumen, Teddybären und herzliche Worte an die Toten.