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Fast ein halbes Jahr beschwerdefreier Muezzinruf in Köln

Muezzin
Screenshot: DİTİB Zentralmoschee Köln

Auch im Ramadan gälten die vereinbarten Bedingungen zum Muezzinruf. Eine Anfrage zur Ausweitung des Rufes über das Freitagsgebet liege der Stadt nicht vor.

Köln (KNA/iz). Der vor fast einem halben Jahr eingeführte öffentliche Muezzinruf in Köln hat sich ohne Probleme etabliert. „Im Moment liegen der Stadt Köln keine Beschwerden seitens Anwohnenden oder Bürger*innen vor“, sagte ein Sprecher der Stadt auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Muezzin: Gebetsruf problemfrei

Die DITIB-Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld erfülle alle Auflagen zum Lärmschutz. Auch im Ramadan gälten die vereinbarten Bedingungen zum Muezzinruf. Eine Anfrage zur Ausweitung des Rufes über das Freitagsgebet liege der Stadt nicht vor.

Foto: Raimond Spekking | Lizenz: CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Im vergangenen Jahr hatte Köln ein auf zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt gestartet, wonach der Muezzinruf in islamischen Gemeinden unter Auflagen ertönen darf. Die Stadt begründete den Schritt mit der Religionsfreiheit. An der Zentralmoschee erklang der Ruf erstmals am 14. Oktober über zwei Lautsprecher im Innenhof.

Die maximal fünfminütige Gebetsaufforderung ist seitdem immer freitags von 12.00 bis 15.00 Uhr zu hören – je nach Jahreszeit und Sonnenstand. Außerhalb des Moscheegeländes darf der Ruf 60 Dezibel und damit Gesprächslautstärke nicht überschreiten. Für mögliche Beschwerden muss eine Ansprechperson benannt sein.

Begrenztes Interesse bei anderen Gemeinschaften

Bislang hätten keine weiteren Gemeinden die Erlaubnis für den Ruf beantragt, sagte ein Stadtsprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstag). Im vergangenen Jahr hatten rund zehn weitere Moscheen Interesse an dem Projekt bekundet. Deutschlandweit gibt es der DITIB zufolge etwa 250 Moscheen, an denen der Muezzin offiziell ruft. Die Kölner Zentralmoschee habe aber einen höheren Symbolwert.

Foto: Creative Images, Shutterstock

Nach der Vorstellung des Projekts war eine bundesweite Debatte entflammt. Kritiker warnten vor einer unzulässigen Bevorzugung einer Minderheit. Zudem könnten konservative oder frauenfeindliche Strömungen in den Gemeinden gestärkt werden. Auch sei die DITIB der verlängerte Arm des türkischen Staats.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) wertete das Projekt als Zeichen gegenseitiger Akzeptanz: „Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird.“

Deutsche Debatten um den Ruf des Muezzins

Seit der Ankündigung von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker, muslimischen Gemeinden den öffentlichen Gebetsruf (arab. adhan) zu erlauben, kannte die Debatte kein Halten mehr: In unzähligen Gastbeiträgen und Interviews haben echte und vermeintliche „Experten“ in den vergangenen Tagen kundgegeben, warum ihrer Meinung nach der Adhan erlaubt oder verboten werden sollte.

Die einen argumentieren mit persönlichen Erfahrungen, die zweiten machen den Muezzinruf abhängig von der Erfüllung integrationspolitischer Forderungen, die dritten reihen einfach plumpe Klischees aneinander. Das mag alles sehr interessant sein, für die Frage aber, ob Muslime zum Gebet rufen dürfen, ist es letztlich unerheblich. Denn die Antwort darauf ist eindeutig: Natürlich dürfen sie.

Der Grund hierfür steht in Art. 4 des Grundgesetzes. In Absatz 1 heißt es: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Absatz 2 fügt hinzu: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Dass diese grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit auch öffentliche Gebetsrufe abdeckt, haben Gerichte immer wieder bestätigt.

Foto: Deutscher Bundestag, Thomas Köhler, photothek.net

Maßgeblich ist hierfür ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1968, wonach die Religionsfreiheit „extensiv“ zu interpretieren sei:  „Zur Religionsausübung gehören danach nicht nur kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozession, Zeigen von Kirchenfahnen, Glockengeläute, sondern auch religiöse Erziehung, freireligiöse und atheistische Feiern sowie andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens.“

Auch die Bundesregierung kennt das Recht auf Muezzinruf. In einer Antwort auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema „Islam in Deutschland“ aus dem Jahr 2000 schreibt sie: „Der islamische Gebetsruf als Betätigung einer Glaubensüberzeugung im Sinne der Bekenntnisfreiheit und der freien Religionsausübung wird durch Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt.“

Gegner von Muezzinruf und/oder Glockenläuten argumentieren häufig, dass Religionsfreiheit der Gläubigen dann ein Ende finden müsse, wenn die Religionsfreiheit von Dritten, also zum Beispiel von Anwohnern, gefährdet sei. Doch das ist sie nicht.

Entgegen dem landläufigen Verständnis begründet die „negative Religionsfreiheit“ kein Recht darauf, von religiösen Bekundungen unbehelligt zu bleiben. Sie bedeutet lediglich, dass niemand zu religiösen Bekenntnissen oder Praktiken gezwungen werden darf.

Ein Kommentar zu “Fast ein halbes Jahr beschwerdefreier Muezzinruf in Köln

  1. Warum sollte sich da auch jemand beschweren? Der Muezzinruf wird einmal wöchentlich mit verhaltener Lautstärke lediglich auf den Innenhof der Moschee übertragen und dauert keine fünf Minuten. Außerhalb des Geländes hört man das kaum und geht im Verkehrslärm unter. Selbst bei der Moschee in Köln-Chorweiler, wo der Muezzinruf seit 2010 sogar fünfmal täglich über einen Außenlautsprecher auf den großen Innenhof übertragen wird, gibt es keine Beschwerden, obwohl die Arbeitnehmer in der Nachbarfirma und Spaziergänger hinter der Moschee den Muezzinruf mehrmals täglich mitkriegen. Wären es 100 Dezibel aus 100 Meter Entfernung – was rechtlich ohnehin nicht möglich ist – sähe das schon anders aus.

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