(iz). Muslime und ihr Glauben sind aktuell regelmäßig im öffentlichen Fokus – nicht nur in Deutschland. Zumeist nicht mit besonders positiven Beispielen. Aus diesem Grund sprachen wir mit Prof. Dr. Sebastian Günther. Er ist der der Inhaber des Göttinger Lehrstuhls für Arabistik und Islamwissenschaft sowie der Direktor des gleichnamigen Seminars.
Bevor er 2008 dem Ruf an die Georg-August-Universität Göttingen folgte, lehrte er als Professor für arabische Sprache und Literatur an der Universität in Toronto, Kanada. Zwischenzeitlich war er mehrmals als Gastprofessor an die Azhar Universität in Kairo, die Amerikanische Universität in Beirut und die Nationale Universität der Vereinigten Arabischen Emirate eingeladen. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen die islamische Religions- und Geistesgeschichte – hier insbesondre Fragen der Bildung und Ethik – sowie die arabische Literatur.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Günther, einer Ihrer Forschungsschwerpunkte ist die Bildung und Ethik im Islam. Was genau ist es, das Sie an diesem Themengebiet interessiert?
Sebastian Günther: Mehrere meiner Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Zeit des sogenannten „klassischen Islams“, also auf die Zeitspanne vom 8. bis 15. Jahrhundert. Der besondere Umstand, wie bemerkenswert kreativ und weitblickend schon sehr früh muslimische Gelehrte Ratschläge zur Bildung und Erziehung erteilten, haben mich seit meinem Studium beeindruckt und machen heute einen großen Teil meiner wissenschaftlichen Tätigkeit aus. Beispielsweise begegnet uns bereits im 9. Jahrhundert die Idee vom „lebenslangen Lernen“ als eine geographische und kulturelle Grenzen überschreitende Aktivität zum Wohle der Gemeinschaft; die Vorstellung, dass der Lernende im Zentrum des Bildungsprozesses stehen soll; und dass die Lektüre von Büchern das kreative Denken und Lernen fördert. Im Islam sind die Begriffe „Bildung“ und „Ethik“ auf das Engste miteinander verknüpft. Durch diese Art religiös definierter Wissensaneignung werden Prozesse initiiert, die nicht nur die Fragen aufwerfen, was in dieser Welt „wertvoll und gut“ ist – und was der Mensch darüber wissen sollte. Vielmehr setzt diese Art des religiösen Lernens auch eine Konzeption um, die Antworten auf Fragen des täglichen Lebens geben möchte und die diese im Kontext der vom Islam geprägten Gesellschaften und Gemeinschaften auch umzusetzen versucht.
Grundlegende Ideen und Gedankensysteme zur Bildung und Ethik sind durch entsprechende Aussagen im Koran bis heute fest im islamischen Denken verankert: Der Koran, die Offenbarungsschrift der Muslime, fordert die Gläubigen an zahlreichen Stellen ausdrücklich dazu auf, den „Verstand“ sowohl in Fragen des Glaubens als auch in profanen Dingen zu nutzen. Ausdrücklich betont wird im Koran ebenfalls, dass nur diejenigen, die ein gewisses Maß an Bildung erworben haben, die Botschaft des Korans bzw. seine vielfältigen Instruktionen wirklich verstehen können.
In diesem Sinne heißt es in zahlreichen von dem Propheten Muhammad überlieferten Aussagen, den Hadithen, welche nach dem Koran die zweite wichtige Schriftquelle nicht nur für das islamische Recht, sondern eben auch für die islamische Bildung und Ethik darstellen, dass Gott allen Menschen – Männern und Frauen gleichermaßen – die Pflicht auferlegte, nach Wissen und Bildung zu streben.
Gestützt auf Aussagen dieser Art im Koran und im Hadith haben mittelalterliche muslimische Gelehrte Konzepte zur Bildung entworfen, die oft ausdrücklich ethisch unterlegt sind. Diese Ideen im historischen Kontext ihrer Zeit, aber auch mit Blick auf die aktuellen Erfordernisse und Herausforderungen heute zu untersuchen, ist für mich eine äußerst spannende und ertragreiche Forschungsaufgabe. Reizvoll ist dabei der Vergleich mit pädagogischen Konzepten aus anderen Kulturen, z.B. dem Juden- oder Christentum. Auch die Untersuchungen zur Rezeption des intellektuellen Erbes des antiken Griechenlands, Irans und des alten Indien spielen für mich dabei eine wichtige Rolle.
Wie innovativ und „modern“ die Ideen bestimmter „mittelalterlicher“ muslimischer Gelehrter waren, die in mancher Hinsicht mit ihren Theorien zu Wissen und Bildung ihrer Zeit weit voraus sind, ist für mich immer wieder aufs Neue faszinierend. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb so, weil das Studium entsprechender arabischer Schriften tiefe Einblicke in die gesellschaftlichen Entwickelungen zur Zeit ihrer Entstehung liefern.
Lassen Sie mich das kurz veranschaulichen: Der irakische Rechtsgelehrte und Ethiker Al-Mawardi (gest. 1058) zum Beispiel hebt in seinem Buch mit dem Titel „Bildungs- und Verhaltenskodex in weltlichen und religiösen Belangen“ (Adab ad-dunya wa-d-din) hervor, dass der Unterweisung in Form gemeinschaftlicher Erörterung und Konversation stets der Vorzug zu geben sei. Die schulmeisterliche Instruktion – man könnte in modernen Worten sagen: „der Frontalunterricht“ – hingegen wird von ihm kritisch gesehen. Der rationale Theologe und Literat Al-Dschahiz (gest. 868) wiederum verfasste ein „Buch über die Lehrer“ (Kitab al-Mu‘allimin), in dem er sich unter anderem ausführlich mit Fragen des Gedächtnisses und des Auswendiglernens auseinandersetzte. Al-Dschahiz legt uns ans Herz, nicht so sehr auf das Auswendiglernen von Dingen zu setzen, die schon frühere Generationen erarbeitet bzw. erbracht haben. Eher sollte man sich intensiv der Lektüre von Büchern widmen, da hierdurch das kreative Denken und Lernen gefördert wird. Der große Theologe und Mystiker Al-Ghazali (gest. 1111), den ich gerne als den „Architekten der klassischen Pädagogik“ bezeichne, rät an, dass die Lehrer sich gegenüber ihren Schülern und Studierenden so fürsorglich verhalten sollten, wie es Eltern ihren Kindern gegenüber tun; und dass sie die Fehler von Lernenden mit freundlichen Hinweisen anstatt Ermahnungen oder gar Strafen korrigieren sollten.
Das sind nur drei Beispiele für die innovativen Bildungsansätze im Islam der Vormoderne. In der Tat sind die Ideen dieser muslimischen Gelehrten eine wahre Fundgrube für gute Ratschläge, die (wieder) zu entdecken äußert spannend ist. Denn ich stelle bei meinen Forschungsarbeiten immer wieder fest, dass die Gelehrten aus der Zeit des klassischen Islams schon Ideen entwickelten, die jetzt, viele Jahrhunderte später, mit modernen Begriffen versehen „neu“ diskutiert werden. So sagt beispielsweise Ibn Qutaiba, der Traditionskenner und Literat des 9. Jahrhunderts aus dem irakischen Kufa, das Lehrer in ihrem Unterricht auf das unterschiedliche intellektuelle Niveau der Lernenden Rücksicht nehmen müssen; dass Lehrinhalte so aufeinander aufbauen sollen, dass sie vom Leichteren zum Schwierigeren führen und dass diese sprachlich klar kommuniziert werden müssen. Lernende wiederum müssten sich im Klaren darüber sein, dass persönliche Anstrengungen nötig sind, um in den Fragen der individuellen und der gesellschaftlichen Bildung voranzukommen. Sich auf Erfolgen auszuruhen und sich nicht weiter zu bemühen, sei im Bildungskontext untauglich. Aussagen wie diese sind heutzutage ganz wichtige Themen der Pädagogik und Didaktik, wenn es um Inklusivität im Unterricht oder um Lehr- und Lernstrategien geht.
Islamische Zeitung: Wen, glauben Sie, können diese Ideen zu Bildung und Ethik, die zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert formuliert wurden, im 21. Jahrhundert befruchten?
Sebastian Günther: Viele der klassischen muslimischen Autoren, die sich mit Fragen der Bildung und Ethik auseinandersetzten, gelten bis heute im Islam als autoritativ. Ihre Unterweisungen in Fragen der Wissensaneignung und der Moral können ‚und sollten‘ heute in unseren zunehmend globalisierten, multikulturellen Gesellschaften wahrgenommen und rezipiert werden. Diese Einschätzung bezieht sich nicht zuletzt auf solche Ratschläge, die diese Gelehrten im Hinblick auf ein ausgewogenes gesellschaftliches Miteinander erteilten, und nach denen sich die Menschen mit Respekt und Achtung begegnen sollten. Viel wichtiger ist sicher noch, dass die mittelalterlichen muslimischen Intellektuellen zum Teil Gedanken formulierten, die Ideen antizipieren, welche in der modernen Bildungsforschung als „humanistisch“ bezeichnet werden. Es sind dies Auffassungen, die gegenwärtig Gesellschaften und Gemeinschaften prägen, welche den Prinzipien der Demokratie und der bestmöglichen Persönlichkeitsentfaltung verpflichtet sind.
All dies ist auch deshalb hervorzuheben, da für bestimmte Gruppierungen und Gesellschaften heute wieder ein striktes Festhalten an der Tradition und die Skepsis gegenüber allem zu verzeichnen ist, das aus einer „orthodox“-islamischen Sicht als abzulehnende „Innovation“ oder „nicht-islamisches“ Gedankengut gilt. Unter diesen Gesichtspunkten kommt der Herausarbeitung universeller, auf die bestmögliche Entfaltung der individuellen Persönlichkeit und der Gesellschaft orientierter Vorstellungen und Werte „aus der islamischen Tradition selbst“ eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Diese Feststellung betrifft sowohl die muslimischen Gemeinden in Europa als auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in der arabisch-islamischen Welt.
Islamische Zeitung: Was bedeutet der Begriff „Adab“ und welche Rolle spielt er in der muslimischen Literatur?
Sebastian Günther: Adab ist ein zentraler Begriff, der gewissermaßen die „humanistischen“ Inhalte und Ziele von Bildung und Erziehung im Islam repräsentiert. Die klassischen arabischen Lexikographen leiten „adab“ von der Wurzel „Hamza-D-B“ ab. welche sowohl die Bedeutung „[zu einem Fest] einladen“, „ein Festmahl veranstalten“ als auch „lehren“ „(den Geist) disziplinieren“ und „ein gutes Benehmen beibringen“ besitzt. Darüber hinaus gibt es möglicherweise eine Verbindung von adab zu daʾb, „Brauch“ oder „Habitus.“
Der Ausdruck „adab“ ist durch die altarabische Poesie schon für die Zeit vor dem Islam belegt. Mit dem Aufkommen des Islams wurde seine Bedeutung dann erweitert und zum Teil neu kontextualisiert. Während adab in vorislamischer Zeit vor allem die Achtung der Gewohnheiten und Traditionen der Vorväter, ein sittliches Verhalten sowie eine gute Erziehung (der Kinder) umfasste, erlangte der Ausdruck im Islam über seine ethischen und sozialen Aspekte hinaus stärkere intellektuelle und literarische Bezüge. In islamischer Zeit steht adab nun nicht mehr nur für die Kontrolle des eigenen Willens bzw. der eigenen Gefühle und Neigungen, für die Wertschätzung der überlieferten Normen, ein korrektes Verhalten, die Achtung und Wahrung der Dinge, die sich als gut erweisen bzw. bewährt haben, sowie gutes Benehmen generell. „Adab“ schließt jetzt auch Bedeutungen ein wie: die Verfeinerung des Charakters, moralische Lebensführung (im Sinne des Islams) und gute Umgangsformen. Mit der Machtübernahme durch die Abbasiden in Bagdad und unter dem Einfluss iranischen Gedanken- und Kulturgutes wird adab schließlich ebenfalls ein Ausdruck für die höfische Etikette sowie für Urbanität, Zivilisation und Menschlichkeit. In der islamischen Mystik, dem Sufismus, bezeichnet der Plural von adab – ‚ādāb‘ – nichts Geringeres als „den Weg zum Göttlichen“ und „das Annähern an Gott.“
Im Wissenskontext ist ‚adab‘ einerseits ein Synonym für Wissen und intellektuelle Bildung generell. Doch andererseits repräsentiert der Terminus auch spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse. Zu nennen sind hier: Wissen, das nötig ist für bestimmte Berufsgruppen (etwa für Ärzte, Lehrer, Musiker, Richter und Juristen oder Sekretäre), aber auch für soziale Gruppen (Herrscher, Prinzen oder Höflinge) oder für die Anhänger bestimmter religiöser Überzeugungen und Praktiken (wie die Mystiker), wodurch adab auch sozialpolitische Komponenten umfasst.
Adab bezeichnet im klassischen Islam grundsätzlich und nicht zuletzt die wichtige Kategorie von Texten in arabischer Sprache, die den doppelten Anspruch erheben, die Leser „zu unterweisen“und in ästhetisch anspruchsvoller Weise „zu unterhalten“ – eine weitgespannte Konzeption also, die in dem deutschen Begriff „schöngeistige“ Literatur eine passende Entsprechung findet.
Islamische Zeitung: Im öffentlichen Diskurs werden Muhammed und die von ihm verkündete Lehre mit allerlei in Verbindung gebracht – mit Bildung und Ethik eher weniger. Haben Sie Ideen, woran das liegen könnte?
Sebastian Günther: Ich stimme Ihrer Einschätzung zu, dass die Fragen von Bildung und Ethik, die im Islam mit so viel Aufmerksamkeit verfolgt wurden und werden, im öffentlichen Diskurs zur Bildungspolitik hier in Deutschland bislang zu wenig beachtet werden – insofern versteht sich meine Langzeitforschung zu dieser Thematik als ein Beitrag, diese Lücke schliessen zu helfen.
Das Wissen um die historischen Entwicklungen und kulturellen Leistungen des Islams wie auch seines Religionsstifters ist in Deutschland generell eher gering. Viele Menschen hier wissen zwar noch, dass Muhammad der Prophet des Islams ist. Darüber hinaus aber ist den Wenigsten mehr über sein Leben und Wirken bekannt. Hier gibt es Handlungsbedarf etwa im schulischen Bereich, wo im Rahmen des Religions- und Ethikunterrichts sachlich und vorurteilsfrei Wissen auch zum Islam vermittelt werden sollte, so wie über das Christentum und andere Weltreligionen Wissen vermittelt wird. Dies kann helfen, Vorurteile abzubauen und schwierige Situationen, die wir in den letzten Jahren verschiedentlich im Hinblick auf religiös argumentierte negative Ereignisse hatten, gesellschaftlich besser zu verarbeiten.
In der Bundesrepublik Deutschland sind Staat und Religion im öffentlichen Raum voneinander getrennt. Im Islam beziehungsweise in vielen vom Islam geprägten Gesellschaften hingegen besteht diese Trennung nicht.
Nach der islamischen Lehre sind auch die Aussagen im Koran, die sich mit Bildung und Ethik befassen, „Gottes Wort“. In den Überlieferungen von Propheten finden sich zahlreiche weitere Maximen in dieser Hinsicht. Fragen der Bildung und Ethik sind damit im Islam tief im Bewusstsein der Menschen verankert. Dieses kostbare Potenzial in der deutschen Gesellschaft besser – und unter aktiver Mitwirkung der muslimischen Bürger – einzubeziehen, ist eine besondere Chance, die wir uns – gleich welcher Konfession wir angehören oder welche Weltanschauung wir vertreten – nicht entgehen lassen dürfen.
Islamische Zeitung: Wie schätzen Sie die Übersetzungsarbeiten muslimischer Dichter und Denker ins Deutsche ein? Ins Französische und Englische scheint wesentlich mehr übersetzt worden zu sein…
Sebastian Günther: Ich stimme Ihrer Einschätzung, dass ins Deutsche weniger als ins Englische oder Französische übersetzt wurde, nur teilweise zu. Grundsätzlich ist sogar sehr viel von deutschen Arabisten und Islamwissenschaftlern vom Arabischen aus nahezu allen Bereichen des islamischen Gelehrtentums ins Deutsche übersetzt worden: also theologische, philosophische Werke, medizinische, mathematische, geographische Werke, Werke aus den Rechtswissenschaften und natürlich der schönen Literatur und vieles mehr. Allerdings handelt es sich hier oft auch um fachspezifische Werke, die es nicht auf die vorderen Plätze von Bestseller-Listen geschafft haben.
Diese Übersetzungen von wissenschaftlichen und literarischen Werken aus dem Arabischen ins Deutsche zeugen aber von dem vitalen Interesse der Deutschen an der arabischen und islamischen Kultur. Das sorgfältige Übersetzen der arabischen Texte gehört zudem zum grundlegenden Handwerkszeug eines Arabisten, der sich mit bestimmten Texten auseinandersetzt. Nur um einige wenige Beispiele zu nennen:
Schon Joseph von Hammer-Purgstall (gest. 1856), ein österreichischer Diplomat und Orientalist, übersetzte zahlreiche arabischsprachige Werke ins Deutsche, darunter Auszüge aus mittelalterlichen arabischen Enzyklopädien und Biographien. Von ihm inspiriert wurde Johann Wolfgang von Goethe (gest. 1832), der von der arabischen und persischen Literatur sehr fasziniert war. Auf den deutschen Dichter und Sprachgelehrten Friedrich Rückert (gest. 1866) geht eine berühmte Übersetzung des Korans in Reimform zurück, bei der dieser versuchte, die Sprachgewalt des Korans in poetischer Form im Deutschen wiederzugeben. Zahlreiche weitere Übersetzungen des Korans ins Deutsche – angefertigt von Muslimen und Nichtmuslimen – folgten.
Ignaz Goldziher, 1850-1921, ein ungarischer Orientalist, der überwiegend in deutscher Sprache publizierte, die seine Erstsprache war (seine Heimat gehörte bis zum 1. Weltkrieg zu Österreich-Ungarn), übersetzte aus zahlreichen Werken muslimischer Gelehrter. Und nicht zuletzt übertrug der Orientalist Enno Littmann (gest. 1958) die Erzählungen aus Tausendundeine Nacht ins Deutsche, die in einer sechsbändigen Ausgabe publiziert wurde. Von Oskar Rescher, einem Arabisten und Turkologen (gest. 1972), wurden zahlreiche wissenschaftliche und literarische Werke aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt. Und im Übrigen hat ein inzwischen pensionierter Göttinger Kollege, Herr Dr. Abdel Samad Elschazli mehrere deutsche Übersetzungen zu dem großen Theologen und Mystiker Al-Ghazali (gest. 1111) vorgelegt. Hinzukommen natürlich die inzwischen nahezu unzähligen Übertragungen von Werken der neueren arabischen Prosa und Poesie. Hierzu zählen nicht nur Werke des Nobelpreisträgers für Literatur aus Ägypten, Nagib Mahfuz (gest. 2006), sondern auch des sudanesischen Schriftstellers Tayyib Salih (gest. 2009) oder des großartigen palästinensischen Dichters und Intellektuellen Mahmud Darwisch (gest. 2008), um nur drei Namen zu nennen.
Islamische Zeitung: Zum Abschluss: Woran arbeiten Sie gerade? Erwarten uns Publikationen von Ihnen, auf die wir uns freuen dürfen?
Sebastian Günther: In Kürze wird der von mir herausgegebene Sammelband „Knowledge and Education in Classical Islam: Religious Learning between Continuity and Change“ mit einem Seitenumfang von ca. 1.200 Seiten erscheinen. Das sind zwei dicke Bände. Dieser Sammelband fasst die Ergebnisse eines großen internationalen Symposiums zusammen, das ich im Jahr 2011 unter dem gleichen Titel in Göttingen organisiert hatte und an dem sehr renommierte Islamwissenschaftler*innen und auch einige talentierte Doktoranden und Doktorandinnen aus Deutschland, Europa, Nordamerika, mehreren arabischen Ländern sowie Iran und Pakistan teilgenommen hatten.
Mit meinem Kollegen von der amerikanischen Universität in Beirut, Herrn Professor Dr. Maher Jarrar, erscheint Anfang des kommenden Jahres eine Monographie mit dem Titel „Doctrinal Instruction in Early Islam: The Book of the Explanation of Sunna by Ghulam Khalil (d. 275/888).“ Dieses Buch enthält eine textkritische Edition und englische Übersetzung eines arabischen Werkes, das Mitte des 9. Jahrhunderts proklamiert, was „Sunna“ bedeutet und wer zu den „Sunniten“ gehört.
Daneben werden mehrere neue Aufsätze von mir Anfang des kommenden Jahres erscheinen. Darunter sind Beiträge zu meinem aktuellen Forschungsschwerpunkt, also der islamischen Bildung und Ethik, aber auch Artikel zur islamischen Eschatologie und zu den islamischen Jenseitsvorstellungen. Schließlich arbeite ich intensiv an einem zweibändigen Handbuch zur klassischen islamischen Pädagogik, das 2021 beim Verlag Brill herauskommen soll.
Islamische Zeitung: Lieber Herr Günther, wir bedanken uns für das aufschlussreiche Interview.