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Das Inflationsgespenst: Alte Debatten kehren zurück

Foto: Drazen, Adobe Stock

(iz). Neben dem Krieg in der Ukraine sind es in erster Linie die ökonomischen Sorgen, die viele BürgerInnen in Europa umtreiben. Nach der Finanzkrise im Jahr 2007/8 zeigt sich, dass die meisten Probleme des Finanzsystems weiterhin ungelöst sind. Die hohe Staatsverschuldung der Euroländer lässt den Zentralbanken keine Wahl: Die Zinsen können nicht steigen, ohne einen Kollaps der Staatshaushalte zu riskieren. Hinzukommt die übliche der Strategie der Regierungen, jede neue Krise mit gewaltigen Milliardenbeträgen zu bekämpfen.

Man muss nicht gleich dem Philosophen Byung-Chul Han zustimmen, der den Kapitalismus von einem Todestrieb beherrscht sieht. Aber jenseits von apokalyptischen Vorstellungen dürfte sich jede(r) Sorgen um die private Finanzlage machen. In Deutschland hat sich zudem das Inflationsdebakel der 1920er Jahren tief in das kollektive Gedächtnis eingefügt. Derart dramatisch wird es wohl nicht kommen, aber die Verunsicherung der Bevölkerung ist spürbar. Alte Gewohnheiten, sichere Renten, bezahlbare Energie oder auch der gewohnte Jahresurlaub, alles steht zur Disposition.

Aber auch in anderen Regionen der Welt sieht es nicht viel besser aus. In der Türkei soll die Inflationsrate bereits um das Zehnfache höher sein als bei uns. Der türkische Präsident Erdogan provoziert seine Kritiker mit einem Bekenntnis zu niedrigen Zinsraten. Das islamische Ideal des Zinsverbots, so einige Kommentatoren, soll gar das Motiv der Strategie sein. Die Regierung will wohl eher das Wirtschaftswachstum des Landes verteidigen. In der Bevölkerung wird derweilen diskutiert, ob das islamische Wirtschaftsrecht Teil der Lösung oder des Problems sei. Dabei wir allerdings gerne übersehen, dass das Zinsverbot nur ein Teil des muslimischen Nomos darstellt.

Ursprünglich war Geld im Islam mit einem intrinsischen Wert versehen, Dinar und Dirham waren nichts anderes als Gewichtseinheiten von Gold oder Silber. Die Geldproduktion auf der Basis von Papiergeldes, die Bankenwirtschaft und die Schöpfung des Geldes aus Nichts waren der islamischen Welt lange unbekannt, spekulative Geschäfte oder Monopole  grundsätzlich verboten. Der Islam steht insoweit für eine Mäßigung, wenn auch nicht für die Ablehnung, des Kapitalismus. Natürlich ist auch das Profitstreben und das private Eigentum unter Muslimen nicht verpönt. Die Zahlung der Zakat ist in diesem Kontext allerdings ein wichtiges Korrektiv und das Symbol einer gerechten ökonomischen Welt.

Wie immer man zu diesen Fragen steht, die Debatten über den Sinn der islamischen Regeln in der Ökonomie steht vor einer Neuauflage. Überall in der Welt werden alternative Ansätze zu der bestehenden Wirtschaftsform diskutiert. Diese Schulen sind in den aktuellen Debatten bisher kaum berücksichtigt worden, sei es zum Beispiel die österreichische Schule, die entschieden für Goldwährungen und freie Wahl der Zahlungsmittel eintritt, oder die sogenannten Gesellianer, die vor allem im Zins die Wurzel allen Übels sehen. Daneben beschäftigt sich ein Heer von Experten mit den neuen Kryptowährungen.

Man mag diese Ansätze als Spinnereien abtun. Allerdings scheint die klassische Wirtschaftslehre ebensowenig einen Ausweg für die Politik formulieren zu können. Daher wächst die Sorge der Menschen, denn die Geldentwertung wird auf Dauer eine Währungsreform oder die Einführung von digitalem Geld notwendig machen.

Gewinner dieser Perspektive werden all diejenigen sein, die ihr Vermögen mit realen Werten absichern können. Zudem ärgert die Konsumenten die ungezügelte Macht neuer Monopole, die mit ihren digitalen Angeboten den globalen Markt beherrschen. Die Idee der freien Marktwirtschaft ist es schließlich, die ihren Sinn zu verlieren droht.