(iz). Der Qur’an hält die Muslime dazu an: „… über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachzudenken.“ (Al-i-Imran, Sure 3, 191)
Zu Tieren im Allgemeinen heißt es in Allahs Buch: „Lebewesen auf der Erde, die gehen oder sich mit Flügeln durch die Luft bewegen, sind Gemeinschaften wie ihr. Wir haben alles genau festgehalten im Buch. Sie werden dann alle zu ihrem Herrn geführt werden.“ (Al-An’am, Sure 6, 38)
Zur Reflexion eignet sich hier die Frage, was mit „Gemeinschaften wie ihr“ gemeint sein könnte. Heute wissen wir, dass manche Tiere eine solitäre Lebensweise bevorzugen und es sogar Tiere gibt, die sich durch ungeschlechtliche Vermehrung fortpflanzen. Versteht man die Gemeinschaft als Gruppierungen mit eigenen Bedürfnissen, Rechten und Pflichten, so ergeben sich für einen Muslim ebenfalls Verpflichtungen gegenüber dieser von Allah definierten Gemeinschaft.
Im Qur’an kommen Tiere zur Erwähnung, die dem Menschen zur Zeit der Offenbarung vertraut waren. Da Gott jedoch den Menschen dazu anhält, über die gesamte Schöpfung nachzudenken, sind die Verse bezüglich der Tiere als übertragbare Beispiele für den Umgang mit diesen Geschöpfen zu sehen.
Schon in der islamischen Schöpfungsgeschichte ist von Tieren die Rede. Abel, einer der Söhne Adams, war Viehzüchter und er opferte von seinem Vieh an Gott. Allah erlaubt dem Menschen Nutzen von manchen Tieren zu ziehen und regt ihn dazu an, darin eine Weisheit zu suchen.
„Und betrachtet das Vieh als Lehre für euch. Wir geben euch von dem zu trinken, was in ihren Leibern ist, und ihr habt von ihnen vielerlei Nutzen, und von ihnen esset ihr.“ (Al-Mu’minun, Sure 23, 21)
Gott erinnert in diesen Versen daran, dass die Nutzung von Tieren für den Menschen nicht selbstverständlich ist und auch nicht so verstanden werden sollte. Der Mensch möge diese Barmherzigkeit Gottes als entsprechenden Anlass nehmen, um über Seine Gaben zu reflektieren. Denn nur so bauen wir Empathie zu den Geschöpfen auf und lernen sie zu schätzen.
Es finden sich dementsprechend weitere Verse, die über die Eignung von und den Umgang mit Tieren als Nutz- und Opfertiere handeln. Weiter wird der Verzehr von Schweinefleisch, Blut und Aas untersagt. (Al-Ma’ida, Sure 4, 3) Bei der Schlachtung und beim Verzehr des Fleisches ist der Name Allahs auszusprechen. „So esst das, worüber Allahs Name ausgesprochen wurde, wenn ihr an Seine Zeichen glaubt“ (Al-An’am, Sure 6, 118)
„Die Opferkamele (und -kühe) haben Wir euch zu Kultzeichen Gottes gemacht. Ihr habt Gutes davon, Nutzen im Leben und Vergeltung bei Gott. Sprecht den Namen Gottes über ihnen aus, wenn sie schön in Reihen stehen! Wenn sie geschlachtet worden sind, esst etwas davon und gebt den Armen davon und denjenigen, die sich schämen zu betteln! So haben Wir das Vieh in euren Dienst gestellt, auf dass ihr danken möget.“ (Al-Hadsch, Sure 22, 36)
Die in Sure Al-Hadsch erwähnte Frömmigkeit ergibt sich in diesem Fall aus der Dankbarkeit, der Ehrfurcht und dem barmherzigen Verhalten. Nun würden wir dem Tierwohl nicht ganz gerecht werden, wenn wir uns nur mit Nutz- und Opfertieren beschäftigen, auch wenn daraus schon wichtige Lehren gezogen werden können.
Entlang der Schöpfungsgeschichte ist das nächste bedeutungsvolle Ereignis, welches mit Tieren zusammenhängt, die uns allen bekannte Geschichte Nuhs (Noahs), Allahs Friede auf ihm.
„Alsdann erging Unser Befehl und die Fluten (der Erde) brachen hervor. Da sprachen Wir: ‘Bringe in das Schiff je zwei von allen (Arten) hinein, Pärchen, und deine Familie mit Ausnahme derer, gegen die das Wort bereits ergangen ist, und die Gläubigen.’ Und keiner glaubte ihm, außer einer kleinen Schar.“ (Hud, Sure 11, 40)
Es wäre sicher Allah ein Leichtes gewesen die Tiere einfach zu retten. Er beauftragt damit jedoch die rechtschaffenen Menschen. Er trägt diese Aufgabe Nuh auf, der von sich sagt: „Ich bin ein Warnender, der kein Engel ist und zu den Ungerechten gehörte.“ (Hud, Sure 11, 25) Die Verantwortung gegenüber den Tieren liegt somit beim Menschen, wenn er sich zu den „Rechtschaffenen“ zählen möchte. So ist jede „Arche“ für Tiere es wert, von Rechtschaffenen unterstützt zu werden.
Wir sprechen oft darüber, ob und wie wir Tieren helfen und sie retten könnten. Dabei scheinen wir zu vergessen, dass die Tiere unsere Helfer sind, beziehungsweise unter bestimmten Bedingungen, wie bei Sulaiman, zu unseren Helfern werden können. Was dies im negativen Sinne bedeuten kann, zeigt das Beispiel des Bienensterbens mit seinen Folgen für die Landwirtschaft. Die Biene ist ein weiteres Geschöpf, welches im Qur’an Erwähnung findet.
„Und dein Herr gab den Bienen ein: ‘Baut euch Behausungen in den Bergen, in den Bäumen und in den von den Menschen errichteten Bienenstöcken!’“ (An-Nahl, Sure 16, 68)
Daraus wird deutlich, dass gewisse, von uns als instinktiv bezeichnete Verhaltensweisen der Tiere, solche sind, die von Allah eingegeben worden sind. Seine Eingebungen an die Tiere lassen sich somit als gottgegebene Rechte verstehen und sollten dementsprechend gebührend geachtet werden.
Die für die damaligen Menschen unverzichtbaren Kamele dienen auch zur Mahnung der Menschen bezüglich der Beachtung der Bedürfnisse und der Einhaltung der Rechte von Tieren.
„O mein Volk, dies ist die Kamelstute Allahs als ein Zeichen für euch; so lasset sie auf Allahs Erde weiden und fügt ihr kein Leid zu, damit euch nicht baldige Strafe erfasse.“ (Hud, Sure 11, 64)
„Zu den Thamud entsandten Wir ihren Bruder Salih. Er sprach: ‘O mein Volk! Dienet Allah, ihr habt außer Ihm keinen Gott! Euch ist ein klares Zeichen von eurem Herrn gegeben worden. Diese Kamelstute Gottes soll ein Zeichen für euch sein. Ihr sollt sie auf Allahs Erde weiden lassen und ihr nichts antun, sonst würdet ihr euch eine schwere Strafe zuziehen.“ (Al-Ar’af, Sure 7, 73)
Tieren Leid zuzufügen zieht somit unmissverständlich die Strafe Allahs mit sich. Das Kamel bekommt das Recht zugesprochen, entsprechend seiner Wesensart zu weiden. Ihm wird, dem Menschen gleichrangig, eine eigene Trinkzeit eingeräumt. Sprich, die natürlichen beziehungsweise gottgegebenen Bedürfnisse der Tiere sind vom Menschen zu beachten.
Die vom Menschen schon immer als faszinierend wahrgenommenen Vögel werden als weitere Zeichen Allahs genannt. „Sehen sie denn nicht, wie die Vögel am Himmel zum Flug bestimmt sind? Allah ist es, Der sie dort hält. Darin sind Zeichen für Menschen, die zu glauben bereit sind.“ (An-Nahl, Sure 16, 79)
Unter den Verhaltensweisen der Tiere scheint es welche zu geben, die bei Allah als Gebet gelten. Die Tiere von ihrem natürlichen, instinktiven Verhalten abzuhalten, bedeutet, sie an der Anbetung Allahs zu hindern. Nach qur’anischem Verständnis sind Tiere Gemeinschaften mit Bedürfnissen und Rechten, aus denen sich die natürliche Verhaltensweise der Tiere ableitet. Die Wesensart der Tiere wird ihnen von Allah gegeben und sie ist sogar eine Art der Anbetung.
Der Mensch kann in einem gewissen Maße Tiere für seinen Vorteil nutzen. Der Mensch mit Taqwa muss dies jedoch als Anlass sehen, um Dankbarkeit, Empathie, Ehrfurcht und Barmherzigkeit daraus zu schöpfen und die Schöpfung in Ehren zu halten. Wann immer sich die Möglichkeit ergibt, Tieren zu helfen und sie zu retten, sollte ein (nach-)denkender Mensch sich für das Wohl der Tiere einsetzen.
Denn nur so können wir sicherstellen, dass auch diese Geschöpfe Allahs in schwierigen Zeiten zu unseren Rettern werden können.
„O ihr Menschen, ein Gleichnis ist geprägt, so hört darauf: Gewiss, jene, die ihr anstatt Allahs anruft, werden in keiner Weise vermögen, eine Fliege zu erschaffen, auch dann nicht, wenn sie sich dazu zusammentäten. Und wenn die Fliege ihnen etwas raubte, könnten sie es ihr nicht entreißen. Schwach ist der Suchende wie der Gesuchte.“ (Al-Hadsch, Sure 22, 73)