Deutsche Entwicklungshilfe fördert Land Grabbing

Foto: polyp.org.uk

BERLIN/LUSAKA (GEP.com). Die deutsche Entwicklungshilfe fördert in zunehmendem Maß den Landraub („Land Grabbing“) in Entwicklungsländern. Dies geht aus Berichten mehrerer Nichtregierungsorganisationen hervor. So unterstützt Berlin, und zwar nicht zuletzt über die staatliche Entwicklungsbank DEG, Agrarkonzerne und teils in Deutschland ansässige Investoren, die in Sambia riesige Flächen aufgekauft haben und Kleinbauern von ihrem Land vertreiben.

Das gefährdet nicht nur die Nahrungsversorgung, sondern führt auch zur Herausbildung von Machtverhältnissen, die dem Aktionsnetzwerk FIAN zufolge „an unsere feudalen Strukturen im Mittelalter“ erinnern. Die Welthungerhilfe konstatiert, indem die DEG Anteile an Investmentfirmen erworben habe, die in großem Stil Land Grabbing in Entwicklungsländern betrieben, sei sie „selbst Landinvestor geworden“. Längst mache sich in der „Entwicklungshilfe“ „Investorenjargon“ breit. Der Konzentrationsprozess agrarischer Nutzflächen schreitet, nicht zuletzt mit deutscher Hilfe, weltweit in dramatischem Ausmaß voran – auf Kosten zahlloser Kleinbauern.

Vertreibungen in Sambia

Laut Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind deutsche Regierungsstellen weiterhin daran beteiligt, Land Grabbing in Entwicklungsländern zu fördern. Demnach unterstützt die Bundesrepublik im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit Investoren, die in Sambia die Lokalbevölkerung und Kleinbauern vertreiben, um auf den Export ausgerichtete Großplantagen aufzubauen. Dies berichtete kürzlich das Aktionsnetzwerk FIAN. Einem Sprecher der NGO zufolge bilden bäuerliche Betriebe das „Rückgrat des sambischen Ernährungssystems“, da sie die Nahrungsmittel für rund 90 Prozent der Bevölkerung des südafrikanischen Landes herstellen. Doch würden diese Kleinbauern immer häufiger entschädigungslos von ihrem Land vertrieben, um dort „industriellen Megafarmen“ Platz zu machen.

Insbesondere deutsche Investoren spielten eine „problematische Rolle“ bei dem „Kauf riesiger Landflächen“. Von den Umsiedlungen und Vertreibungen betroffene Kleinbauern klagten gegenüber FIAN, dass sie selbst nach Jahren keine Entschädigung erhalten hätten und sich in ihrem neuen Ansiedlungsgebiet mit einer schlechten Ernährungslage konfrontiert sähen, da dort die Böden sowie die Weide- und Bewässerungsmöglichkeiten mangelhaft seien. Selbst Milch und Gemüse seien zur Mangelware geworden.

Monokulturen auf Megafarmen

FIAN thematisiert in diesem Zusammenhang drei Großinvestitionen. So habe der größte Agrarkonzern Sambias, Zambeef, schon 2018 im zentral gelegenen Distrikt Mpongwe Bauern gewaltsam von ihrem Land vertrieben. Im Distrikt Mkushi östlich von Mpongwe hat der im Steuerparadies Mauritius registrierte Investor Agrivision große Landflächen aufgekauft und viele Familien, die dort von Landwirtschaft lebten, ebenfalls zum Verlassen des Landes gezwungen. Das Unternehmen Amatheon Agri wiederum, das seine Zentrale in Berlin hat, kaufte im südwestlichen Distrikt Mumbwa landwirtschaftliche Flächen von der Größe des Bodensees auf. Dort solle in Kooperation mit Toyota „Soja und Mais in riesigen Monokulturen angebaut“ und unter anderem nach Europa exportiert werden. Den massenhaften Vertreibungen oder Umsiedlungen von Kleinbauern im Gefolge dieser Agrarinvestitionen stehe eine „verschwindend kleine Zahl“ zumeist miserabel entlohnter Arbeitsplätze gegenüber, die auf den „Megafarmen“ entstehe, konstatiert FIAN.

Von Deutschland gefördert

Laut FIAN hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit alle drei Fälle von Land Grabbing gefördert. Vor zwei Dekaden habe sich das deutsche Entwicklungsministerium noch „für Agrarreformen und Umverteilung von Land an arme Bäuer*innen eingesetzt“; nun aber würden „umwelt- und klimaschädliche Monokulturen und Landkonzentration“ gefördert, kommentierte ein Sprecher der NGO die Neuausrichtung der sogenannten deutschen Entwicklungshilfe, die immer offener auf die Förderung deutscher Wirtschaftsinteressen im globalen Süden fokussiert. Es sei „geradezu makaber“, dass die deutsche Entwicklungshilfe „durch die Kreditvergabe an Agrarinvestoren auch noch Kasse“ mache, hieß es weiter. Aufgrund der von Berlin geförderten Großinvestitionen bildeten sich in Sambia Machtverhältnisse, die „an unsere feudalen Strukturen im Mittelalter“ erinnerten.

„Nachhaltiges Wachstum“

Medien berichteten bereits vor Jahren auch in anderen Fällen über eine Förderung von Land Grabbing durch Berlin. So hieß es unter Verweis auf parlamentarische Anfragen der Linkspartei, im westafrikanischen Sierra Leone sei der Bioethanolproduzent Addax Bioenergy unterstützt worden, der Monokulturen auf rund 44.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche aufgebaut habe. Konkret habe die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine Tochter der Staatsbank KfW, die Finanzierung getätigt. Der DEG stand damals eine Summe von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung, um „unternehmerische Initiativen in Entwicklungs- und Schwellenländern [zu] fördern“, die ein „nachhaltiges Wachstum“ und bessere Lebensbedingungen in den betreffenden Regionen mit sich brächten. Im Rahmen dieses Investitionsprogramms, das offiziell als Entwicklungshilfe firmiert, wurden damals bespielsweise dem Agrarkonzern Zambeef 25 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um 100.000 Hektar Ackerland in Sambia aufzukaufen. In der DEG verfügt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über erheblichen Einfluss; ihr Aufsichtsrat wurde damals vom Parlamentarischen Staatssekretär im BMZ Hans-Joachim Fuchtel geleitet, heute hat sein Amtsnachfolger Norbert Barthle diesen Posten inne.

Vertrauen ist besser

In Reaktion auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei, die Auskunft über die Standards und die Vergabekriterien der DEG verlangte, betonte die Bundesregierung damals, „Kontrollen und Zertifizierungsverfahren“ der Weltbank gingen den Investitionen voraus; sie beinhalteten „Umwelt- und Sozialprüfungen“. Demgegenüber hielten Abgeordnete der Linkspartei fest, die Ergebnisse der internen Kontrollen seien der Öffentlichkeit nicht zugänglich, sodass eine „objektive Überprüfung, ob die Arbeit der DEG tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung in den Projektländern“ fördere, „schlicht nicht möglich“ sei. Die Beurteilung der DEG-Investitionstätigkeit erfolge faktisch nach dem Motto: „Die DEG macht gute Arbeit, weil sie sagt, dass sie gute Arbeit macht“.

Undokumentierter Landraub

Die Ignoranz der Bundesregierung beim Land Grabbing liegt im globalen Trend. Weiterhin sei kein Ende der weltweiten „Jagd auf Land“ in Sicht, warnte im vergangenen Jahr etwa die Welthungerhilfe: Die offiziellen Angaben darüber, wie sie von der Dokumentationsplattform Land Matrix festgehalten werden, erfassen demnach viele undokumentierte Fälle von Landraub nicht.

Laut Berechnungen von Land Matrix soll sich die von „Landnahme“ betroffene Fläche zwischen 2017 und 2020 nur um 2,6 Prozent auf rund 50 Millionen Hektar erhöht haben. Doch deuteten objektive Quellen wie etwa Satellitenbilder darauf hin, dass der Landraub in hohem Tempo voranschreite, konstatiert die Welthungerhilfe. Allein in Paraguay eignen sich Großfarmen demnach, weitgehend undokumentiert, jährlich 150.000 Hektar Land an.

„Investorenjargon“ im BMZ

Überdies hat sich laut der Welthungerhilfe die Zusammensetzung der Investoren beim Land Grabbing geändert: Sie gehören nun eher der „professionellen Finanzwirtschaft“ an oder kommen aus anderen, als seriös geltenden Kreisen. In Deutschland mischen demnach beim Land Grabbing neben der Entwicklungsbank DEG auch Munich Re (Münchener Rück) und die Ärztepensionskasse aus Westfalen (ÄVWL) mit. Schließlich habe der schrittweise veränderte „Umgang der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit großen Landinvestitionen“ dazu beigetragen, dass es um das Thema „still geworden“ sei, stellt die Welthungerhilfe fest.

Noch zu Beginn des 21. Jahrhundert habe das Entwicklungsministerium große Landinvestitionen „rundweg abgelehnt“, die damit einhergehende Landkonzentration zugunsten einer „Umverteilung von Land bekämpft“ sowie die „uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte auf Nahrung und Wasser“ im globalen Süden betont. Inzwischen habe sich die staatliche Entwicklungspolitik jedoch einen „Investorenjargon“ zu eigen gemacht. Während Land Grabbing weiter formell abgelehnt werde, würden große Landinvestitionen einfach umdefiniert, sodass inzwischen „im Rahmen einer veränderten Entwicklungsdebatte fast alle Investitionen“ von der Berliner Entwicklungspolitik begrüßt würden.

„Selbst zum Landinvestor geworden“

Faktisch sei die internationale Entwicklungszusammenarbeit „selbst Landinvestor geworden“, warnt die Welthungerhilfe weiter. Berlin stelle über seine „Entwicklungshilfe“ Gelder für Fonds zur Verfügung, es würden eigene Investitionsfonds aufgelegt, oder die Bundesrepublik werde über Entwicklungsbanken Kreditgeber bei umstrittenen Agrarinvestitionen. Die DEG sei etwa mit 15 Prozent Anteilseigner der Investmentfirma PAYCO S.A., deren Tochterunternehmen mit Ländereien von 145.000 Hektar zweitgrößte Landbesitzer in Paraguay seien; damit sei die vorgebliche Entwicklungsbank an der dortigen Landnahme führend beteiligt. Selbst Olam International, mit inzwischen drei Millionen Hektar Nutzlandfläche einer der größten Agrarkonzerne der Welt, zählt zu den Partnern des Bundesentwicklungsministeriums. Der Großkonzern werde „umfangreich von der bundeseigenen KfW-Bank finanziert“, berichtet die Welthungerhilfe.

Wer hat, dem wird gegeben

Der hohe Grad der Kapitalakkumulation auf den globalen Agrarmärkten zeigt sich auch an der extrem ungleichen Verteilung landwirtschaftlicher Flächen, die Untersuchungen zufolge Ende 2020 einen neuen historischen Höchststand erreichte. Demnach kontrollieren Agrarkonzerne und Unternehmen, die das reichste Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe bilden, inzwischen 70 Prozent der globalen Ackerfläche. Den 2,5 Milliarden Kleinbauern, die rund ein Drittel der Weltbevölkerung bilden, stehen hingegen nur noch drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Verfügung; sie sind, heißt es, „abhängig von Kleinstflächen, die das Überleben sichern müssen“.

Ein Kommentar zu “Deutsche Entwicklungshilfe fördert Land Grabbing

  1. Mit großem Bedauern liest man immer öfter von “Landraub”. Dazu muss gesagt werden, das diese Landteile nicht “geraubt” wurden. Sie befinden sich nach wie vor dort wo sie immer waren. Sie wurden nur von den lokal gewählten Regierungen, zu einem extrem günstigen Preis verpachtet oder verkauft – also kein Raub.
    Mir scheint es eher, das hunderte NGO´s, mit tausenden Projekten, in 50 -60 Jahren Arbeit nicht das geleistet haben was sie versprachen “Hilfe zur Selbsthilfe”. Hätten diese NGO´s genügend Leistung gebracht, stünden wir nicht vor der Tatsache das z.B. Afrika Hunger leidet, und die vorhandenen Flächen, nicht von Afrikanern sondern von Anderen bewirtschaftet werden.
    Dies medial zu Thematisieren wäre mehr als interessant.
    Gerhard Karpiniec
    Münchendorf/Österreich

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