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Die heutige Repression der Uiguren hat historische Vorläufer

Ausgabe 310

Foto: Hariyanto Surbakti, Shutterstock

Seit 2016 hat Chinas Regierung den Aufbau eines massiven Netzwerkes von Internierungslagern oder „Hightech-Überwachungs-Gefängnissen“ in der ganzen Autonomen Uigurischen Region begonnen. Laut Medienberichten können einige Lager bis zu 10.000 Gefangene aufnehmen. Nach Angaben verschiedener Quellen sollen bis zu drei Millionen Uiguren und andere chinesische Bürger aus Turkvölkern illegal festgehalten werden. Die Pekinger Behörden bezeichnen sie als „Berufsbildungszentren“ mit chinesischen Eigenschaften. Ihre Existenz wurde zuerst von westlichen Akademikern, Medien und Menschenrechtsorganisationen im Frühjahr 2017 enthüllt. Von Aziz Isa Elkun

(iz). Es herrscht Einigkeit zur Dringlichkeit der „Uiguren-Krise“ im heutigen China. Mit Recht kann von einem der schwerwiegendsten Verbrechen gesprochen werden, das irgendein Land seit dem Zweiten Weltkrieg begangen hat. Es ist eine Art „Völkermord“ in Zeitlupe gegen ein spezifisches Volk auf einem massiven Niveau.

Aber er hat eine lange Geschichte, die bis in die Zeit zurückreicht, als China seinen ersten Verteidigungswall, die „Große Mauer“, baute. Blicken wir auf die brutale Geschichte der Region, dann ist die Krise der Uiguren keine neue, sondern eine alte und ungelöste. Sie hat dank dieses Jahrhunderts der Überwachung Aufmerksamkeit bekommen.

Wir müssen uns an die kriegsgebeutelte Geschichte erinnern und gleichzeitig die aktuellen Ereignisse mit der Vergangenheit verbinden. Wir müssen über die historischen Perspektiven des andauernden Völkermordes an Uiguren sprechen. Wir können die Narben nicht vergessen, die das „Große Spiel“ in Zentralasien im 19. Jahrhundert hinterlassen hat, das vom britischen, russischen und Qing-Reich gespielt wurde. Leider hatten die Großmächte kein Interesse an einer Unabhängigkeit der Uiguren. Das Spiel endete im Oktober 1949, als die Republik Ostturkestan mit der Hilfe von Stalins Sowjetunion vollständig durch das kommunistische China besetzt wurde.

Chinas „Grenzland“, Mauern und Kriege

Seit über zwei Jahrtausenden Geschichte kämpften die nomadischen „Völker des Nordens“ um das heutige Nordwestchina und angrenzende Gebiete. Dazu gehörten Hunnen, Türken, Uiguren, Mongolen und Mandschuren. Aufgrund der natürlichen, geopolitischen und ethnischen Trends in der Region gab es in der ganzen Vergangenheit endlose Kriege zwischen Steppenvölkern und dem „Reich der Mitte“. In ihnen ging es um Kontrolle und Besetzung von Land sowie Erlangung von Ressourcen. Aber sie wurden auch angetrieben von Nationalismus und dem Glauben, ein Volk oder eine Kultur sei den anderen überlegen. James Milward sagte hierzu: „Bei Nationalismus geht es um Leute, Land und der Beziehung zwischen ihnen. Ein nationalistisches Projekt will eine besondere Beziehung zwischen einem einzigartigen Volk und einem bestimmten Stück Erde definieren.“

China ist im Rest der Welt für seine antike „Große Mauer“ bekannt, die mehr als 21.000 Kilometer lang ist. 221 v.Chr. begann Kaiser Qin Shi Huang Di mit ihrem Bau. Nach Ansicht des bedeutenden chinesischen Historikers Sima Qian hatte sie den Zweck, die Hunnen fernzuhalten. Am 10. März 2017 gab die Nachrichtenagentur Xinhua bekannt, dass Xi Jinping, der moderne chinesische Kaiser, den Bau einer „großen Eisenmauer“ um Chinas Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang angeordnet hat. Dabei gehe es um den Schutz der nationalen Einheit, ethnischer Solidarität und sozialer Stabilität.

Von Kaschgaria bis Xinjiang – Chinas „neues Gebiet“

Die letzten zwei Jahrhunderte in der Region haben seit der Besetzung durch die Mandschu in den 1760ern viele brutale Ereignisse gesehen. Oft folgten massive Rachemorde auf Aufstände und Kriege, die ethnisch motiviert waren. So beschrieb Kuropatkins Buch „Kashgaria“ (veröffentlicht 1882) die Rückeroberung von „Kaschgaria“ (Ostturkestan) in den 1870ern durch den Mandschu-General Zuo Zongtang. Darin findet sich, dass nach der Niederlage von Emir Yaqub Beg bis zu eine Million Menschen massakriert wurden.

Rückeroberung und Neu-Erfindung von Uiguren und ihrer Heimat

Am 12. November 1944 gründeten Uiguren und andere Turkvölker in der nördlichen Stadt Gulja eine zweite „Republik Ostturkistan“. Sie erhielt zunächst Militärhilfe von der Sowjetunion, um die chinesischen Nationalisten an den Verhandlungstisch mit Moskau zu bringen. Aufgrund der sich schnell ändernden politischen Situation und des Bürgerkriegs in China kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann Stalin, Mao zu unterstützen und zwang die Uiguren, Teil Chinas zu werden. Der Präsident der Republik, Achmetjan Qasim, und ein weiteres Dutzend Führungspersönlichkeiten kamen bei einem „Flugzeugabsturz“ ums Leben, als sie sich in einem sowjetischen Flugzeug auf dem Weg nach Peking befanden, um Ende August 1949 mit dem kommunistischen Führer zu verhandeln.

Kurz nach dem „Absturz“ wurde der nationalistische General Wang Zhen von Mao entsandt, um Ostturkestan erneut zu besetzen. Im Oktober 1949 wurden – mit direkter Militärhilfe von Stalins Sowjetunion – verschiedene Widerstandsformen der uigurischen Eliten, Intellektuellen und ehemaligen Soldaten der Republik brutal unterdrückt. In diesen Jahren tötete Wang Zhens Armee hunderttausende Uiguren und Angehörige anderer Türkvölker im Namen von Landreform und „Reinigung“ der Region von Soldaten der besiegten chinesischen Nationalisten.

Peking wies Forderungen uigurischer Politiker und Intellektueller zur Gründung einer Republik Uiguristan (nach dem Vorbild der zentralasiatischen Sowjetunion) als Teil Chinas zurück. In Folge wurden die meisten verhaftet oder getötet. Einigen gelang die Flucht in die Sowjetunion. Am 1. Oktober rief die Pekinger Zentralregierung die Gründung des Uigurischen Autonomen Gebietes Xinjiang aus.

In diesen 72 Jahren eroberte die Volksrepublik China Ostturkestan zurück und kolonisierte es erneut. Seit Gründung der Region forderten Uiguren politische, kulturelle und religiöse Freiheiten sowie Gerechtigkeit und gleiche Rechte. Dafür wurden sie als „Panturanisten“, „Panislamisten“ und „ethnische Separatisten“ verunglimpft, die rücksichtslos niedrig gehalten wurden. Viele Gesetze und Regeln für Minderheiten wurden in die chinesische Verfassung geschrieben – darunter „regionale Autonomie für ethnische Minderheiten“. Sie wurden niemals respektiert oder durchgesetzt.

Seitdem haben Uiguren unterschiedliche Arten der Unterdrückung durch das Regime erlebt. China nutzte früher schon Methoden der Zwangsassimilation, die den heutigen ähneln. In der Kulturrevolution wurden Kultur und Religion der Uiguren angegriffen, Moscheen zerstört, Koran-Kopien verbrannt und viele Menschen inhaftiert.

Zusammenbruch der Sowjetunion und Hoffnungen auf eine unabhängige Heimat

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erwuchs neue Hoffnung auf eine unabhängige Heimat der Uiguren. Sie beobachten wie ihre ethnischen Verwandten – Usbeken, Kasachen und Kirgisen über Nacht unabhängig wurden. Daher wuchsen Erwartungen auf Eigenständigkeit stark an. Unter Uiguren entstand systematischer Widerstand.

Vor Ende der 1980er Jahre, der Liberalisierung akademischer Freiheit und der Toleranzpolitik gegenüber ethnischen Minderheiten schrieb der uigurische Historiker und Dichter Turghun Almas ein Buch über die Geschichte mit dem Titel „Uyghurlar“ (Die Uiguren). Es wurde 1989 in Urumtschi veröffentlicht. Es war das erste seiner Art, das unter chinesischer Herrschaft erschien. Nach der Veröffentlichung hatte es einen großen Einfluss auf die Gesellschaft und wurde populär.

Das Buch basierte auf der sowjetischen Geschichtsschreibung und vertat die These, dass die Uiguren die historischen Eigentümer von Xinjiang seien und einen unabhängigen Staat haben sollten. Es propagierte als erstes den Begriff Ostturkestan, der eine Verwandtschaft zu einem „Westturkestan“ in den unabhängigen zentralasiatischen Staaten nahelegte. Im Gegensatz zur offiziellen chinesischen Version, die besagt, dass die Region seit der Han-Dynastie integraler Bestandteil Chinas sei, vertritt das Buch die uigurische Sichtweise und argumentiert, dass es im Laufe der Geschichte mehrere unabhängige uigurische Staaten gegeben habe.

Almas nutzte Beweise und bezog sich dabei auf chinesische als auch auf sowjetische Quellen, um seine Thesen zu belegen. Dazu gehörte, dass die Mumien des Tarimbeckens darauf hindeuten, dass die Uiguren älter seien „als die chinesische Kultur selbst“. Und dass Uiguren den Kompass, Schießpulver und den Buchdruck erfunden hätten.

Chinas Kampf um Xinjiang als untrennbaren Bestandteil

Als Antwort auf seine wachsende Beliebtheit unter Uiguren organisierten die Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei in Xinjiang und die dortige Akademie im Februar 1991 eine Konferenz, um die Thesen von „Uyghurlar“ zu diskutieren.

Das Buch wurde verboten und Almas in Urumtschi unter „de facto Hausarrest“ gestellt. Kurz nach der Kampagne zur Verunglimpfung des Titels veröffentlichte die Regionalregierung hastig das Schulbuch „Lokalgeschichte Xinjiangs“ für Schüler und Studenten als Teil ihres Lehrplans. Erstaunlicherweise gab es vorher überhaupt keine historische Erwähnung der Uiguren und ihrer Geschichte – sondern nur Verweise auf chinesische Dynastien.

Von „hart zuschlagen“ zu „Anti-Terrorismus“

In den 1990er Jahren organisierte China eine Reihe an „hart zuschlagen“-Kampagnen. Sie richteten sich gegen die Unabhängigkeitsbewegung, aber sie gaben niemals ihre Forderung nach legitimen Bürgerrechten innerhalb Chinas auf. Peking begründete seine Unterdrückung der Rechte von Uiguren auf vielfältige Weise. Nach dem Terror des 11. September 2001 in den USA nutzte China den „Krieg gegen den Terror“ als Begründung seiner Unterdrückung von Uiguren.

Die Bluttaten von Gulja und Urumtschi

Das Massaker vom 5. Februar 1997 in Gulja war eine der schwerwiegendsten chinesischen Grausamkeiten in der Region. Mitte der 1990er Jahre nahmen kulturelle Aktivitäten der Uiguren, die verschiedene soziale Probleme lösen sollten, unter der Jugend in Gulja an Fahrt auf. Früh im Jahre 1997 wurden teilnehmende Jugendliche verhaftet. Uiguren demonstrieren gegen die Festnahmen. Die Armee feuerte in die friedliche Menge, wobei eine unbekannte Menge Menschen getötet wurde. Mitten im kalten Winter setzte sie Wasserwerfer ein, als die Temperaturen unter 15 Grad minus lagen; viele erlitten Frostbeulen.

Am 5. Juli 2009 ereigneten sich bösartige Zusammenstöße in der Regionalhauptstadt Urumtschi. Auslöser waren Schüsse der Polizei auf Demonstranten, die gegen die Tötung uigurischer Wanderarbeiter in Südchinas protestierten. Als Reaktion unterdrückte die Regierung Forderungen nach Gerechtigkeit für die ermordeten Arbeiter.

Kurz nach der Gewalt vom 5. Juli marschierten tausende Han-Chinesen auf den Straßen der Stadt. Sie führten Schlagstöcke sowie Macheten mit sich und skandierten: „Wir vermissen Wang Zhen! Bringt einen neuen Wang Zhen nach Xinjiang!“ 2018 kommentierte der australische Xinjiang-Experte dies: „Als Chef der Militärregierung in Xinjiang von 1950 bis 1952 hatte Wang Zhen die Uiguren als ‘unruhestiftende Minderheit’ eingeschätzt und an Mao Zedong geschrieben, sie sollten ‘gründlich ausgerottet’ werden, um zukünftige Probleme zu vermeiden. Selbst Mao hielt dies für ein wenig extrem – oder zumindest für verfrüht – und versetzte Wang: Jetzt scheint es, Maos Nachfolger, Xi Jinping, hat seinen Wang Zhen gefunden.“

Nach 2009 trennten sich uigurische und han-chinesische Stadtbewohner in der Region. Gegenseitiger Hass und Misstrauen nahmen zu. Die Zentralregierung betrachtete die neue Krise als Herausforderung des chinesischen Traums von der ökonomischen und politischen Weltmachtstellung. Die erwähnte Konferenz zum Thema empfahl Apartheid-Maßnahmen gegenüber Uiguren.

Betrachten wir die aktuelle Situation der Region und vergleichen ihre 200 Jahre kriegsgebeutelte Geschichte, sind alle Ereignisse miteinander verbunden. Sie spiegeln Gewalt und Unterdrückungsmuster wider, gefolgt von Assimilierung und Umgestaltung der neuen Generationen, um sie mit den chinesischen Interessen und der Lebensweise in Einklang zu bringen.

Das größte Freiluftgefängnis der Welt

In Folge verschlechterte sich die politische Lage der Uiguren unter Xi Jinping. 2016 schickte er Chen Quango von Tibet nach Xinjiang. Der hochrangige Funktionär erhielt weitreichende Befugnisse, um uigurischen Widerstand zu unterdrücken und die Zwangsassimilation unter allen Mitteln voranzutreiben. Diese Politik begann 2016 unter dem Deckmantel einer „Anti-Terrorkampagne“ und zielte auf die Auslöschung einer eigenständigen ethnischen, kulturellen und religiösen Identität ab. Uigurisch wurde aus Schulen verbannt und Moscheen geschlossen.

Zur Beendigung des Widerstands begann Chen Quango mit dem Bau eines Rasters von Polizeirevieren – alle 100 Meter eines. Das Gleiche hat er davor in Tibet getan. Ab 2017 begann er mit dem Bau riesiger „Konzentrationslager“. Am 31. Oktober 2018 berichtete die Nachrichtenagentur ABC: „Trotz der massiven Ausmaße der Lager, die in diesem Projekt untersucht wurden, ist es wahrscheinlich, dass sie nur einen Bruchteil des Inhaftierungsnetzwerkes in Xinjiang ausmachen. Schätzungen ihrer Menge belaufen sich von 181 bis über 1.200.“

Heute wird geschätzt, dass zwischen einer und drei Millionen unschuldiger Uiguren, Kasachen und anderer türkischsprachiger Muslime – darunter Autoren, Akademiker, Lehrer und Bauern – in diesen Lagern sind. Seit Anfang 2018 ist es Uiguren in der Region verboten, mit Verwandten im Ausland zu telefonieren. Sie sind von jeder Kommunikation abgeschnitten.

China behauptet, die Lager dienten zur „Umerziehung von Uiguren“ und „Berufsbildung“, aber internierte Intellektuelle brauchen weder Erziehung noch Ausbildung. Das sind Fachleute, die für die Regierung arbeiteten. Dass die chinesischen Behörden gezielt Gelehrte ins Visier nehmen, zeigt, dass die Kampagne darauf abzielt, die ethnische Identität der Uiguren zu zerstören und sie zur Assimilation zu zwingen.

Alarmierende Todesraten und sexuelle Gewalt

Migrigul Tursun, eine Lagerüberlebende, kam September 2018 in den USA an. Im November 2018 sagte sie vor einem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses aus: „Leider habe ich allein in diesen drei Monaten neun Todesfälle in meiner Zelle mit 68 Personen erlebt. Wenn meine kleine Zelle – Zelle Nr. 210 – in einem kleinen Bezirk, 9 Todesfälle in drei Monaten erlebte, kann ich mir nicht ausmalen, wie viele Todesfälle es in meinem ganzen Land geben muss.“

Wenn diese Todesrate in allen Lagern gilt, dann muss die Gesamtmenge unter den mehr als drei Millionen Insassen ein geheimer Schrecken in den chinesischen Geheimlagern sein.

Es gibt viele traurige und tragische Geschichten in der uigurischen Diaspora. In London leben einige hundert Mitglieder der Gemeinschaft. 2019 erhielt ich die Nachricht eines Freundes: „Wir möchten Sie einladen, zu einer Beerdigung in unser Haus zu kommen. Wir haben Informationen über den Tod meines Bruders erhalten. Er wurde krank, während er in einem Lager war, und starb zwei Wochen nach seiner Entlassung.“

Es gibt anhaltende, schwerwiegende Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an uigurischen und anderen türkischen Frauen in den Internierungslagern. Am 3. Februar 2021 berichtete die BBC schockierende Einzelheiten dieses systematischen Missbrauchs. Darin hieß es, dass Frauen in Chinas Umerziehungslagern systematisch „vergewaltigt, sexuell missbraucht und gefoltert“ werden.

Der Sender interviewte die Lagerüberlebende Tursunay Ziawudun. „Das ist vielleicht die unvergesslichste Narbe auf mir. Ich will nicht einmal, dass diese Worte aus meinem Mund kommen“, berichtete sie.

Nach dem Bericht reagierten britische Politiker heftig, darunter der Schattenaußenminister der Labourpartei Kinnock, der das als „Narbe auf dem Weltgewissen“ bezeichnete. Die konservative Abgeordnete Nus Ghani forderte das Außenministerium zu einer Erklärung auf. Vor dem Unterhaus verlangte sie sofortige Maßnahmen zum Schutz der Uiguren vor den Chinesen, darunter Sanktionen im Außenhandel.

Was nun?

Viele westliche Medien haben über die „Konzentrationslager“ berichtet. Länderregierungen und die Vereinten Nationen haben ihre Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Seinerseits leugnete China bei UN-Sitzungen die Existenz solcher Lager in der uigurischen Region und bezeichnete sie als „Weiterbildungs-“ oder „Berufsbildungszentren“.

Am 16. November 2019 veröffentlichte die „New York Times“ 403 Seiten enthüllter Geheimdokumente. Die Einzelheiten lösten Rufe nach internationalem Handeln auf, um Peking zur Rechenschaft für seine Missbräuche zu ziehen. Frankreich forderte Zugang für UN-Beobachter in den chinesischen Lagern. Nur die Vereinigten Staaten ergriffen Maßnahmen auf staatlicher Ebene, um den chinesischen Genozid am uigurischen Volk zu verfolgen.

Das US-Repräsentantenhaus verabschiedete 2019 ein Gesetz über die Menschenrechte der Uiguren, und nur einen Tag vor dem Ende der Amtszeit der Trump-Administration, am 19. Januar 2021, verkündete Außenminister Mike Pompeo, sein Ministerium habe festgestellt, dass „Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ von China an den uigurischen Muslimen und anderen Minderheiten in Xinjiang verübt worden seien. Der neue Außenminister, Antony Blinken, äußerte seine Unterstützung für diese Feststellung.

In Großbritannien erklärte Außenminister Dominic Raab am 12. Januar 2021 nach langem Druck auf die Regierung durch NGOs und Abgeordnete, dass Exporte überwacht würden, um sicherzustellen, dass Waren nicht in Lagern verwendet werden, in denen Uiguren und andere Minderheiten festgehalten werden.

Ein weiterer positiver Schritt der britischen Politik sind Versuche, eine Änderung des Handelsgesetzes über Völkermord zu beschließen, dass Gerichten ermöglichen soll, darüber zu urteilen, ob China Völkermord an Uiguren begeht. Nach einer langen Kampagne und vielen Debatten stimmte das Parlament am 2. Februar 2021 zum zweiten Mal dafür, das Handelsgesetz zu ändern und eine härtere Haltung gegenüber Chinas Menschenrechtsbilanz einzunehmen. Eine gerichtliche Feststellung von Chinas Übergriffen gegen Uiguren erfordert es, dass Großbritannien sein Handelsabkommen mit Peking überarbeitet.

Schlussfolgerung

Gardner Bovingdon (Experte für Zentralasien) geht davon aus, dass die Phase der Unruhen in Xinjiang kein bloßer, zeitweiser Ausdruck einer Kultur der Gewalt sei. Sie seien auch nicht das Produkt ausländischer Intrigen. Stattdessen habe der Konflikt in der Region mehrere Gründe. Das System der „regionalen Autonomie“ müsse als Hauptursache angesehen werden. Anstatt den langjährigen, politischen Streit zwischen den Uiguren und der chinesischen Regierung beizulegen, habe es die Unzufriedenheit der Menschen vertieft und den Konflikt verschärft.

In den 72 Jahren kommunistischer Herrschaft über die Region hat China, trotz periodischer Kampagnen für „ethnische Einheit“, eine grausame repressive Politik gegen Uiguren und anderen türkischen Völkern betrieben. In den letzten Jahren beobachten wir einen systematischen kulturellen und ethnischen Genozid an den Uiguren in „Zeitlupe“. Die chinesische Regierung verübt schwerwiegende Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und die Welt muss sie dafür zur Verantwortung ziehen.

Weltweit gab es Aufrufe zu Maßnahmen, um Chinas Völkermord an den Uiguren zu stoppen. Das Bewusstsein über die uigurische Tragödie ist global gestiegen. Der Druck der internationalen Gemeinschaft auf Peking wächst, einschließlich NGOs und anderer westlicher Zivilgesellschaften, die das Regime kontinuierlich herausfordern.

Heute ist das wirtschaftlich erfolgreiche China zum führenden Herausforderer der USA und der westlichen Demokratien geworden. Viele sind der Ansicht, dass die etablierte Weltordnung durch das von China propagierte autoritäre Modell, das seinen Autoritarismus aktiv auf der ganzen Welt verbreitet, ernsthaft bedroht sei.

Ich glaube, es ist ein moralischer Imperativ der Welt – einschließlich aller UN-Mitgliedsstaaten –, zu handeln, um Völkermord zu verhindern. Die westlichen Demokratien sollten dabei eine führende Rolle spielen. Sie kann es sich nicht leisten, einem Land zu erlauben, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, ohne dass es dafür belangt wird.