Drohnen 2023: Die Himmel über Kampfzonen füllen sich zusehends

Ausgabe 336

Drohne
Fotos: Iran MoD | army.com.ua

Militärische Drohnen schwärmen über der Ukraine und anderen Konfliktherden aus – und wenn es um das Völkerrecht geht, ist alles erlaubt.

(The Conversation). Laute Explosionen erschüttern den Abendhimmel. Lichtstreifen erscheinen wie Kometen. Raketen regnen herab. Unten drängen sich die Menschen in Deckung. So sieht der Alltag in der Ukraine aus, wo in einem realen Krieg mit Russland unbemannte Fahrzeuge den Himmel übersähen. Von Tara Sonenshine

Foto: aleksandarlittlewolf, Freepik.com

Kriegsdrohnen sind zum wichtigen Werkzeug geworden

Beide Kriegsparteien setzen solche Flugkörper ein, um unter anderem Ziele aus der Ferne zu orten und Bomben abzuwerfen. Heute werden sie in weiteren Kriegen eingesetzt, aber auch für Paketzustellung, Wetterbeobachtung, Abwurf von Pestiziden und zur Unterhaltung von Drohnenbastlern.

Willkommen in der Welt der Drohnen! Sie reichen von kleinen Vier-Rotor-Modellen bis zu ferngesteuerten Kampfflugzeugen. Alle Arten werden von Militärs weltweit eingesetzt. Als Dozent für öffentliche Diplomatie – und ehemaliger stellvertretender Außenminister – weiß ich, wie wichtig es ist, sie und ihre Verbreitung zu verstehen.

Das gilt insbesondere angesichts von Kriegsrisiken, Terrorismus und ungewollten Kollisionen in der Welt von heute.

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Die USA machten den Anfang

Die USA gehören zu den mehr als 100 Ländern, die Drohnen in Konflikten nutzen. Auch Terroristen haben das getan, denn diese Systeme sind relativ preiswert und erzeugen hohe Opferzahlen unter Zivilisten. Bis 2025 soll es weltweit mehr als sieben Millionen Drohnen für Endverbraucher geben. Und von 2021 zu 2022 stiegen die globalen Verkaufszahlen um 57 Prozent.

Angesichts des exponentiellen Anstiegs der Drohnenkäufe gibt es für die Käufer nur wenige Beschränkungen. Das führt zu einem wilden Westen mit ungeregeltem Zugang und unkontrollierter Nutzung.

Jeder Staat kann frei entscheiden, wann und wo diese Geräte fliegen, ohne sich gegenüber einem anderen oder einer internationalen Behörde für ihre Anwendung zu verantworten. Der Himmel ist oft mit Drohnenschwärmen gefüllt, abgesehen davon, dass es vor Ort keine Anleitung zu seinen Regeln gibt.

Jede Regierung hat ein spezifisches Interesse für den Kauf und die Nutzung von Drohnen. China setzt zunehmend ausgefeilte Geräte in der verdeckten Überwachung ein – vorrangig in den Gewässern um die umstrittenen Inseln im südchinesischen Meer. Sein erweitertes Drohnenprogramm veranlasste andere Staaten, ebenfalls mehr in diese Technologie zu investieren.

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Die türkische Bayraktar-Drohnen erobern den Markt

Das türkische Militär verfügt über eine hoch entwickelte Drohne. Die Bayraktar TB2 kann lasergesteuerte Bomben tragen und ist klein genug, um in einen Pritschenwagen zu passen. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) importieren Flugkörper aus China und der Türkei, um sie im Jemen und in Libyen zur Überwachung von Warlords einzusetzen, falls ein Konflikt ausbricht.

Südkorea erwägt die Gründung einer Drohneneinheit, nachdem es auf einen kürzlichen nordkoreanischen Drohnenangriff nicht reagieren konnte. Als Nordkorea im Dezember 2022 fünf Drohnen startete, musste Seoul seine Kampfjets zu Warnschüssen veranlassen.

Staaten schaffen ihre eigenen Regeln, anstatt sich auf international vereinbarte Regelwerke verlassen zu können. Das Völkerrecht verbietet den Einsatz bewaffneter Kräfte, solange der UN-Sicherheitsrat diesem nicht zustimmt oder solange kein Fall von Selbstverteidigung vorliegt. 

Unterhalb der Schwelle eines konventionellen Krieges können Drohnen legal gegen Terroristen, zur Überwachung und anderen Bedürfnissen eingesetzt werden, die nicht der Selbstverteidigung dienen.

Aber das schafft eine abschüssige Ebene, die in einen bewaffneten Konflikt führen kann. Bisher war es hart, nationale und internationale Regeln für sie zu schaffen. Das ist ein Vorhaben, an dem Juristen seit 20 Jahren arbeiten. Die Gefahren von Drohnen sind real.

Viele Drohnenexperten wie ich sind der Meinung, dass es unsicher ist, wenn die Militärs der einzelnen Länder ihre eigenen Entscheidungen über Drohnen treffen, ohne dass es Regeln gibt.

Drohnen fordern das Recht heraus

Spätestens seit dem Aufflammen des Terrorismus in aller Welt und dem globalen Krieg gegen den Terror wird auch die Krise des internationalen Rechts augenfällig. Hierbei geht es nicht nur um die Rechtspraxis, sondern auch um die rechtsphilosophische Begründbarkeit neuer Phänomene staatlicher Gewaltausübung.

Typischerweise liegen dabei die Probleme der modernen Rechtsphilosphie meist im Kontext der technischen Revolution und den zahlreichen Innovationen im Sicherheitsbereich und in der Militärtechnik verborgen. Wenn der Krieg – wie Heraklit meinte – der „Vater aller Dinge” sei, dann sind die philosophischen Konsequenzen dieses Neulandes kaum abzusehen.

Eine Zeit lang wirkten Drohnen wie ein technischer Spleen ohne großen Praxisbezug. Das war einmal. Heute werden diese Flugmaschinen zunehmend zu einem Symbol einer neuen Zeit.

Drohnen liefern Pakete, kundschaften den Nachbarn aus oder sind fliegende Reporter, die von amerikanischen Fernsehanstalten an die Orte mit „Breaking News“-Potenzial gesendet werden.

Natürlich wird schon die zivile Nutzung von Drohnen einige gesellschaftliche Debatten auslösen müssen. Aber, hier liegt der Kern, Drohnen fordern vorrangig als Kriegswerkzeug unsere ethischen Grundlagen heraus.

* Abdruck im Rahmen einer CC-Lizenz.

** Mit Material aus dem IZ-Archiv.