
Die marokkanische Stadt Fes gehört zu den herausragenden zivilisatorischen Zentren der muslimischen Welt.
(iz). Im Gegensatz zu weiteren Orten werden hier die Tradition des Wissens und der Weisheitslehre geachtet und aktiv gepflegt. Es ist nicht nur eine Stadt, sondern ein Symbol für das liebenswerte Erbe unserer Umma. Von Schaikh Isma-eel Isaacs & Ali Kocaman
Sie ist die Ruhestätte einiger der größten Koryphäen und Freunde Allahs (arab. auliya). Ihre Beiträge inspirieren weiterhin Generationen von Muslimen in aller Welt. Sie ist bekanntermaßen die Heimat von Al-Qarawiyyin, der ältesten Universität der Welt. Diese wurde von Fatima Al-Fihri als Zentrum des Wissens und der Rechtleitung gegründet.
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Fes – es begann mit einem Vater und seinem Sohn
Ihren Anfang nahm die Stadt mit einem Vater und seinem Sohn: Moulay Idris Al-Akbar und Moulay Idris Al-Azhar. Die Titel „Akbar“ (der Größere) für Moulay Idris I. und „Azhar“ (der Strahlende) für Moulay Idris II. verdeutlichen ihre zentrale Rolle in der marokkanischen und der islamischen Geschichte. Idris I., auch bekannt als Moulay Idris der Ältere, war Idris ibn Abdullah Al-Kamil ibn Al-Hasan Al-Muthanna ibn Al-Hasan As-Sibt (Enkel des Propheten) ibn Ali ibn Abi Talib und Fatima Az-Zahra, die Tochter des Gesandten Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben.
Er wanderte während des Kalifats von Harun Ar-Rashid nach Ägypten aus und kam 169 n. Chr. (786 u. Z.) in der Stadt Walila in Fes an, wo er mit Unterstützung der Bevölkerung ein islamisches Gemeinwesen gründete. Mawlay Idris I. verbreitete den Din und die arabische Sprache bis in die entlegensten Regionen des Maghreb und Al-Andalus. Tragischerweise wurde er während der Abbasiden-Herrschaft 177 n.H. (entspricht dem Jahr 793 unserer Zeitrechnung) ermordet. Doch sein Vermächtnis überdauerte durch die Gründung der gleichnamigen Dynastie in Fes.
Moulay Idris II. setzte die Arbeit seines Vaters fort und entwickelte Fes zu einer blühenden Hauptstadt des Lernens und Regierens. Seine Führung brachte Glanz sowie Wachstum und symbolisierte das Aufblühen des Islam im Maghreb. Zusammen spiegeln ihre Titel ihre sich ergänzenden Rollen wider: Der Vater als bahnbrechender Gründer und der Sohn als derjenige, der dieses Fundament zu einer strahlenden Zivilisation ausbaute und erleuchtete.
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Bittgebet für ihr Blühen
Neben dem Grab des Letzteren findet sich ein Bittgebet, dem die folgenden Zeilen entnommen wurden. „O Allah, Du weißt, dass ich mit dem Bau dieser Stadt nicht angeben wollte, noch konkurrieren, noch Ansehen oder persönliches Verlangen im Sinn hatte. Vielmehr wollte ich, dass Du hier angebetet wirst und dass Dein Name in ihr verherrlicht wird, solange sie besteht.“
Dieses Bittgebet sagt über den Mann, aber noch mehr über die Macht Allahs. Seit der Stadtgründung gibt es in Fes eine ununterbrochene Kette von Qur’anrezitatoren, die jeden Morgen und Abend in ihren Moscheen einen Qur’anabschnitt (arab. hizb) rezitieren. Das ist der Ort mit der drittgrößten Moscheedichte überhaupt. Menschen aus aller Welt kommen, um an der Universität den Din zu studieren. Die Einwohner sind nicht wohlhabend, aber sie kümmern sich umeinander und tun viel Gutes.
Der Schweizer Schriftsteller Titus Burckhardt gehörte zu den bekanntesten Autoren über diese marokkanische Metropole. 1960 erschien „Fes, die Stadt des Islam“ von ihm. Darin begreift er sie als einen Inbegriff der idealen islamischen Stadt, der alle wichtigen Faktoren harmonisch zusammenkommen. Er bietet dem Leser ein eindrucksvolles Panorama der islamischen Zivilisation durch seine Beschreibungen von Moscheen, Häusern, Handwerkern, Händlern, Gelehrten und Heiligen.
Das Buch enthält zusätzlich umfangreiche historische Fotografien und Zitate klassischer arabischer Autoren, was es zu einem interessanten Dokument der dortigen Kultur macht. Es wurde erstmals 1960 veröffentlicht und 2015 in einer überarbeiteten Version neu aufgelegt. Der Neuauflage wurde ein Nachwort von Navid Kermani beigefügt.