GfbV fordert ehrliche Beschäftigung mit dem Genozid von Srebrenica

Foto: Emir Kotromanić | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Göttingen/Sarajevo (GfbV). Am Vorabend des 22. Jahrestages des Massakers von Srebrenica (11. Juli 1995) hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mehr Einsatz für das bis heute ethnisch geteilte Bosnien-Herzegowina (BiH) gefordert. „Die bosnischen Politiker müssen entschlossen in die Pflicht genommen werden, Verantwortung für die Vergangenheit und Zukunft ihres Landes zu übernehmen.
Wer die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen behindert und Hass schürt wie der Präsident des serbisch verwalteten Landesteils, Milorad Dodik, und der serbische Bürgermeister von Srebrenica, Mladen Grujicic, gehört abgesetzt“, verlangte die GfbV am Montag vom Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko. Es sei nicht hinnehmbar, dass vor allem in der Republika Srpska selbst verurteilte Kriegsverbrecher glorifiziert, Fakten bestritten und Urteile des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag ignoriert werden, kritisierte die Menschenrechtsorganisation. So werde geleugnet, dass in Srebrenica 1995 mindestens 8.372 Bosniaken – vor allem Männer und Jungen – von serbischen Truppen ermordet und etwa 30.000 Frauen, Kinder und Alte aus der Region um die sog. UN-Schutzzone im Osten des Landes vertrieben wurden. Jede individuelle Verantwortung für einzelne Verbrechen sowohl der Politiker als auch der Militärs werde bestritten, ohne dass die internationale Gemeinschaft einschreite.
Am Dienstag sollen die sterblichen Überreste von 70 Srebrenica-Opfern auf dem Friedhof von Potocari bei Srebrenica beerdigt werden, unter ihnen sieben Minderjährige. Der jüngste von ihnen, Damir Suljic, war am 11. Juli 1995 gerade einmal 15 Jahre alt. 6.504 Opfer des Massakers wurden bereits beigesetzt, von insgesamt etwa 7.400 Opfern wurden sterbliche Überreste exhumiert. Mehr als 7.000 von ihnen wurden anhand von DNA-Proben identifiziert. Von rund 800 noch nicht bestatteten, jedoch identifizierten Opfern liegen meist sehr kleine Skelett-Teile im Identifikationszentrum von Tuzla. Ihre Angehörigen warten darauf, dass noch mehr Massengräber geöffnet, sterbliche Überreste gefunden und zugeordnet werden können.
„In der Region um Srebrenica sind noch immer Hunderte mutmaßliche Kriegsverbrecher auf freiem Fuß sind. Sie sind eine Bedrohung für Rückkehrer“, warnte die GfbV. Viele Rückkehrer haben Srebrenica aus Angst vor offenen Angriffen verlassen, als der Serbe Mladen Grujicic im Oktober 2016 zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde. Seitdem hat sich die Sicherheitslage dort erheblich verschlechtert. Grujicic ist Anhänger der Serbenführer Radovan Karadžic und Ratko Mladic, die für das Massaker von Srebrenica verantwortlich waren. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Grujicic nicht den Genozid und die Verbrechen an Bosniaken in Srebrenica leugnet.
Noch immer – 22 Jahre nach Kriegsende – leben nach GfbV-Angaben rund 98.000 Binnenvertriebene in 121 Kollektivzentren. Zwischen 6.800 und 8.000 Personen werden noch vermisst. Die Lage der 60.000 bis 80.000 Roma, die in Bosnien die größte Minderheit stellen, ist schwierig. Insbesondere die nicht registrierten Roma werden diskriminiert, etwa bei der Arbeitssuche, bei Sozialleistungen, der Krankenversicherung, Fragen der Ansiedlung und Unterkunft, beim Zugang zu Personaldokumenten und in Staatsangehörigkeitsfragen.