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Gruppe S.: Parallelwelt aus Waffen, Wut und Hass

Verfassungsschutz Vernetzung Rechtsextremismus
Foto: MQ-Illustrations, Adobe Stock

Im Prozess gegen zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen in Stuttgart tun sich Abgründe auf. Ein Ausflug in die rechte Unterwelt. Von Nico Pointner

Stuttgart (dpa). Es sind zwölf unterschiedliche Männer, die da auf der Anklagebank sitzen. Einer ist Krankenpfleger, einer Trockenbauer, einer Lagerist, mehrere sind arbeitslos. Der eine ist 61 Jahre alt, der andere gerade mal 32. Der eine kommt aus Minden in Nordrhein-Westfalen, der andere aus München in Bayern. Aber glaubt man der Bundesanwaltschaft, verbindet alle zwölf Männer eine Gemeinsamkeit: Der Hass auf Ausländer, auf Muslime und Juden, auf politisch Andersdenkende. Und der Wunsch nach einer neuen Gesellschaftsordnung, einem anderen Deutschland.

Diese Gemeinsamkeit ist der Grund, warum sich die zwölf Männer seit Dienstag (13. April) vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart verantworten müssen. Einer hält leicht zitternd einen Ordner vors Gesicht, als er in Handschellen in den Saal geführt wird, dem anderen reicht die Corona-Maske als Verhüllung. Die rechtsterroristische Vereinigung „Gruppe S.“ soll Äxte, Schwerter und Schusswaffen gehortet und Angriffe auf Moscheen geplant haben. Der Anklage zufolge wollten sie „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auslösen und die Gesellschaftsordnung ins Wanken bringen.

Die Verhandlung ist ein Mammutprozess, im Gerichtssaal wimmelt es von Ordnern der Justiz und von Rechtsanwälten in Roben. „Ich wüsste hier kein Verfahren, dass so viele Angeklagte hatte“, sagte der Gerichtssprecher des Oberlandesgerichts. Die Angeklagten sitzen abgetrennt hinter dicken Glasscheiben. Bis Mitte 2022 sind Termine für die Verhandlungen geblockt. „Für uns alle ist das Neuland, was den Umfang angeht“, sagte Rechtsanwalt Daniel Sprafke, der einen der Angeklagten vertritt. Er betonte zum Prozessauftakt, dass die Gruppe keineswegs homogen sei. Nicht alle hätten am gleichen Strang gezogen – „wenn überhaupt“. Klar ist: Bis zu einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.

Es ist ein besonderes Verfahren, weil es offenbaren kann, wie die Rechtsextremisten sich vernetzen und organisieren. Die Männer um den als Rädelsführer angeklagten Werner S. aus dem Raum Augsburg wollten der Anklage zufolge Muslime töten und einen Bürgerkrieg anzetteln. Er habe versucht, Führungspersonal aus der rechten Szene für seine Gruppe zu rekrutieren, weil er sich von ihnen viel Mobilisierungspotenzial versprochen habe.

Auf Betreiben von Werner S. soll sich die Gruppe laut Bundesanwaltschaft im September 2019 gegründet haben. Die Angeklagten seien gut vernetzt gewesen in der rechtsextremen Szene und hätten teils enge Kontakte zu Waffenlieferanten besessen, sagte die Vertreterin der Bundesanwaltschaft am Dienstag beim Prozessauftakt.

Die Angeklagten hätten der Bundesanwaltschaft zufolge eine ausländerfeindliche und nationalsozialistische Grundhaltung geteilt, hätten von „Menschenmüll“ und „Kakerlaken“ gesprochen. Sie vernetzten sich demnach über Telegram-Chatgruppen und trafen sich mehrmals persönlich, wollten sich Waffen besorgen und damit Moscheen überfallen, hatten aber auch Politiker und Andersdenkende im Visier.