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Nicht nur Halal, sondern auch Tayyib

Ausgabe 356

halal tayyib
Foto: AHNH3, Adobe Stock

Halal & Tayyib: Ramadan ist die perfekte Zeit, um über unsere Lebensform nachzudenken. Wir stellen einen wichtigen Ratgeber von NourEnergy vor.

(iz). In wenigen Wochen startet der Fastenmonat Ramadan. In ihm enthalten Muslime sich täglich für eine festgelegte Zeitspanne vom Konsum weltlicher Dinge wie Essen und Trinken. Das Fasten ist wie Maulana Rumi einmal sagte, die Entwöhnung von „der großen Brust“, d.h., der vermeintlichen Abhängigkeit von materiellen Gegenständen, Gewohnheiten oder unbewussten Zwängen.

Paradox: Bei vielen steigt der Konsum im Ramadan

In der Realität führt das Fasten in diesem Monat viele Muslime zu einem gesteigerten Verbrauch von Lebensmitteln und anderen Ressourcen – bspw. durch umfangreiche Mahlzeiten oder opulente Einladungen zum Essen.

Foto: Svetlana Lukienko, Adobe Stock

Dass der dabei stattfindende Verbrauch von Einmalgeschirr und Plastik zum Problem werden kann, hat der Verein NourEnergy e.V. bereits vor Jahren problematisiert. Mit dem GreenIftar unterhält er seit Jahren ein Projekt, durch das den Fastenden der Aspekt von Nachhaltigkeit im Ramadan nahegebracht werden soll.

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Im Mai letzten Jahres veröffentlichte der Verein sein Buch „Halal & Tayyib: Vom Erbe zum Bewusstsein“. Sein Ziel und das des begleitenden Bildungsprogramms besteht darin, Muslime für die Verbindung zwischen der Praxis von „halal“ (erlaubt) und „tayyib“ (nachhaltig oder vollwertig) zu sensibilisieren. Über die rein islamrechtliche bzw. juristische Betrachtung aus dem Bereich „halal“ soll die ethische und lebenspraktische Dimension von „tayyib“ in den muslimischen Diskurs gerückt werden.

NourEnergy wirbt praktisch für Achtsamkeit und Umweltbewusstsein

Darüber hinaus sollen Buch und Bildungsprogramm Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein bei Muslimen erhöhen. Sie gehören zu den Bemühungen von NourEnergy, Muslime zu einem nachhaltigeren und ökologischeren Lebensstil zu ermutigen.

Außerdem stellen die MacherInnen eine Verbindung zwischen islamischen Traditionen und zeitgenössischen Herausforderungen vor. Der Titel soll aufzeigen, wie traditionelle islamische Konzepte auf aktuelle Themen wie Umweltschutz, faire Arbeitsbedingungen und verantwortungsvollen Konsum angewendet werden können.

Dass es dabei nicht bei bloß theoretischen Ansätzen und Anforderungen bleibt, verdeutlichen diverse Kapitel des Bandes durch ihre praktischen Ansätze, Vorschlägen zur Änderungen des Lebensstils sowie einem umfangreichen Anhang mit Rezepten.

Umweltethik Islam

Foto: Bahatha.co

Wie NourEnergy e.V. in seinem Vorwort schreibt, ist „Halal & Tayyib“ das Ergebnis einer „langen, inspirierenden Reise“. Als Ausgangspunkt gilt der Qur’anvers: „Darum esst nun von den erlaubten (halal), guten (tayyib) Dingen, womit Allah euch versorgt hat. Und seid dankbar für Allahs Huld, wenn Er es ist, dem ihr dient.“ (An-Nahl, Sure 16, 114)

Der Ansatz im Buch und dem Bildungsprogramm soll eine Suche nach den „vielfältigen Facetten und Bedeutungsebenen“ dieses Verses sein. Dabei stellen sich einige wesentliche Fragen die nach dem Platz des Menschen in der Schöpfung, nach der menschlichen Verantwortung sowie der Beziehung zwischen Konsum (und demnach Ressourcenverbrauch) in der materiellen Welt und Nähe zu Allah.

Es macht in seiner Gesamtheit deutlich, dass es sich dabei um relevante Aspekte handelt und kein bloßes Beiwerk. Die gegenwärtige ökonomische Ordnung der Welt – „Globalisierung, Kapitalismus und technischer Fortschritt“ –, an der Muslime wie alle Anteil haben, bringe nicht nur Vorteile, „sondern vor allem auch eine Vielzahl an Leid und folgenschweren Problemen für Mensch und Mitwelt“. Diese schwerwiegenden Herausforderungen beträfen die gesamte Schöpfung – und damit auch „unsere Lebenrealität“. Mit diesem nötigen Wissen im Gepäck könnten Muslime sich auf den Weg zu ihren Spuren machen.

Von Nachhaltigkeit, über Ressourcenverbrauch bis zu Gesundheit

NourEnergy e.V. hat mit „Halal & Tayyib“ auch das Ziel, „Bewusstsein für ein achtsameres Leben in Einklang mit der Mitwelt und der gottgegebenen Verantwortung“ zu schaffen. Das Buch steht daher unter dem Motto „Vom vergessenen Erbe zum gelebten Bewusstsein“. In fünf Abschnitten werden die Leser durch die theoretischen und praktischen Schritte eines nachhaltigen Lebens geführt.

Dabei reicht der Fokus der AutorInnen – wie der vorgestellte konkrete Teil – von Nachhaltigkeit beim Fasten, Lebensmittel aus der Sunna über Tierethik im Islam bis hin zu Aktivitätsfeldern, die uns eine Lebensänderung ermöglichen.

Eingeleitet wird das Buch mit einer wichtigen Klarstellung von Kernbegriffen wie „halal“. „Halal & Tayyib“ macht deutlich, dass sich die wesentlichen Konzepte und Begriffe einer erlaubten Lebensweise nicht auf die Themen Fleisch oder Prüfsiegel eingrenzen lassen. Hierbei ist es jenseits des vorliegenden Textes insgesamt von erheblicher Bedeutung, dass das oft benutzte Wort „halal“ eine Verflachung und Vernutzung erlebt hat.

Ursprünglich waren Termini wie „halal“ oder „haram“ Rechtsurteile. Aus diesem Grunde hatten viele Gelehrte der frühen Generationen nicht nur einen großen Respekt vor ihnen. Sie gebrauchten sie zusätzlich mit der gebotenen Sorge und hielten sich dabei mit „Schnellschüssen“ zurück. Heute hingegen ist das berühmte Halal-Siegel, das am Ende eines Prüfprozesses steht und das alle erdenklichen Erzeugnisse der Lebensmittelindustrie ziert, oft kaum mehr als der Stempel einer Prüforganisation.

Darüber hinaus hat sich die Einstellung vieler Muslime ihnen gegenüber verändert: Während früher alles erlaubt war, das nicht eindeutig als verboten zu erkennen war, sind viele muslimische Konsumenten der Ansicht, Lebensmittel müssten ein solches Siegel tragen, um „erlaubt“ zu sein.

Ohne Einbeziehung ganzheitlicher Aspekte geht es nicht

Der vorliegende Band von NourEnergy macht im ersten Kapitel klar, dass die Frage nach „halal“ Teil eines „ganzheitlichen Konzepts“ ist. Der Prophetengefährte ‘Abdullah ibn ‘Abbas sagte in Hinblick auf den einleitenden Qur’anvers, dass zur Erlaubtheit eines Lebensmittels nicht nur formelle Fragen gehören, sondern bspw. auch, ob im Zuchtprozess eines Schlachttieres Wucher (arab. riba) beteiligt ist. Darauf verweist die Einleitung zum Ratgeber. Ein Lebensmittel könne „zwar an sich halal sein“, doch aufgrund seiner Prozesse „als verboten gelten“.

Trotz des offenkundigen „Siegeszuges“ des Halal-Begriffs und seiner Ökonomisierung durch die globale Lebensmittelindustrie betonen die AutorInnen zurecht den zweiten Begriff aus dem wegweisenden Qur’anvers: Tayyib. Und sie erinnern uns daran, dass ein Lebensmittel zwar den formalen Standards des Erlaubten entsprechen könne, aber nicht „zwingenderweise auch rein und gut im Sinne von ‘tayyib’“ sein müsse. Für die Theologin Asmaa El Maaroufi stellt „halal“ eine rechtliche Kategorie dar, während sich „tayyib“ auf das psychisch oder moralisch Reine beziehe.

Der zweite große Aspekt von „Halal & Tayyib“ stellt die Frage nach unserer Lebensweise – und wie wir diese nachhaltiger und unserem Schöpfungszweck angepasst wandeln können. Die gegenwärtige sei, so die AutorInnen, aus dem Gleichgewicht geraten. Massenproduktion (auch Massentierhaltung), Gier und Habsucht, maßloses Kaufverhalten und Profitsucht hätten bewirkt, dass der Mensch „kein gesundes und friedliches Leben“ führen könne.

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Foto: Rumman Amin, Unsplash

Die islamische Tradition hat ein Wörtchen mitzureden

Dankenswerterweise weist die Textsammlung darauf hin, dass ein bewusster und achtsamer Umgang mit den Ressourcen der Natur beileibe kein Monopol der Moderne ist. Viele qur’anische Verse, prophetische Aussagen und Lebensgewohnheiten sowie Handlungsanweisungen der Tradition verweisen auf einen angemessenen Umgang mit der Schöpfung. Muslime müssten sich die Frage stellen, ob sie ihrer Verantwortung in dieser Welt gerecht würden.

Es ist alles andere als Zufall, über „Halal & Tayyib“ im Kontext des Ramadans zu sprechen. So wie NourEnergy e.V. diesen Monat für sein GreenIftar nutzt, so ist er besonders für eine Reflexion über unsere Gewohnheiten, Konsum und den „ökologischen Fußabdruck“ der heutigen Lebensweise geeignet.

Das liegt nicht nur an der besonderen Natur seiner Zeit, sondern wir sind als Muslime auch angehalten, in ihr über Allahs Wort und Schöpfung sowie unsere Rolle in ihr zu reflektieren. Zusätzlich schafft unser Verzicht den nötigen Raum für diese Beschäftigung.

Bezug: Halal & Tayyib – Vom Erbe zum Bewusstsein, NourEnergy 2024, Hardcover, 246 Seiten. Zu beziehen über: https://www.nour-energy.com/produkt/halal-tayyib/

Ein Kommentar zu “Nicht nur Halal, sondern auch Tayyib

  1. Danke danke danke! Solche Ansätze braucht die Ummah! Schade, dass ich erst jetzt von NourEnergy höre!

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