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Im Gegensatz zur ganzen Lehre

Foto: Ivan Kruk, Adobe Stock

Tesneem Alkiek, Dalia Mogahed, Omar Suleiman und Jonathan Brown beschäftigen sich mit häuslicher Gewalt gegen Frauen.

(Yaqeen Institute). Während einer Radioansprache am 17. November 2001 bemühte sich die damalige Gattin des US-Präsidenten, Barbara Bush, die Unterstützung für den „Krieg gegen den Terror“ anzuheizen, indem sie ihn als „einen Kampf für die Rechte und Würde von Frauen“ neu formulierte. 

Präsident Donald Trumps Durchführungsverordnung, die Reisen aus sechs überwiegend muslimischen Ländern einschränken sollte, enthielt eine Bestimmung, die die Protokollierung sogenannter „Ehrenmorde“ in den Vereinigten Staaten verlangte. Menschenrechtsaktivisten, die den Erlass kritisierten, argumentierten, dass die Verwendung des Begriffs „Ehrenmorde“ im Gegensatz zu häuslichen Tötungsdelikten im Allgemeinen ein kaum verhüllter Angriff auf Muslime sei, die zu Gewalt gegen Frauen neigen würden, und daher als Rechtfertigung für den sogenannten „Bann“ diene.

Beide Beispiele, die oberflächlich einem wohlmeinenden Schutz muslimischer Frauen vor ihrer eigenen Kultur dienen sollten, stehen in Wirklichkeit in Verbindung zu Politik und Handlungen, welche eben jene Frauen schlussendlich verletzte. Nichts davon war neu oder einzigartig.

Die Verunglimpfung muslimischer Kulturen als sonderlich frauenfeindlich und gewalttätig gegenüber Frauen zur Rechtfertigung antimuslimischer Unterdrückung – inklusive staatlicher Gewalt gegen Frauen in der Form von Krieg – ist eine alte Taktik westlicher Mächte. Briten und Franzosen nutzten lange die „Befreiung von Frauen“, um ihre gewaltsame Kolonisierung und ökonomische Ausbeutung von Nordafrika und des Nahen Ostens zu rechtfertigen.

Leider lässt sich das populäre Bild der muslimischen Gewalt gegen Frauen, mit dem Gewalt und Diskriminierung gegen muslimische Frauen und Männer gegenüber dem westlichen Publikum gerechtfertigt werden, über alle politischen Ideologien hinweg leicht verkaufen. Jüngste Umfragen zeigen, dass eine negative öffentliche Wahrnehmung von Muslimen weit verbreitet ist, insbesondere wenn es um die Behandlung von Frauen geht.

Die Orientalisierung von Gewalt gegen Frauen, wenn sie von Muslimen ausgeht, reduziert sie auf die Kultur, anstatt sie als eine menschliche Krankheit zu universalisieren. Das wird besonders augenfällig, wenn irgendeine oder alle Handlungen von Gewalt gegen Frauen als „Ehrenmorde“ etikettiert werden, während vergleichbare Angriffe auf Frauen in der Dominanzkultur westlicher Demokratien als „häusliche Gewalt“ gelten.

Dieser Widerspruch wird deutlicher, wenn wir die weltweite Zahl sogenannter Ehrenmorde mit den häuslichen Morden in den Vereinigten Staaten vergleichen. Die UN gehen von rund 5.000 solcher Tötungen auf globaler Ebene aus. Diese Verbrechen sind nicht auf muslimische Gesellschaften beschränkt und ereigneten sich in verschiedenen Kulturen und religiösen Gemeinschaften. Verglichen dazu wurden 2007 alleine mehr als 1.600 Frauen durch den engsten Lebenspartner ermordet. Diese Zahlen werden selten in der gleichen Kategorie betrachtet, auch wenn es sich in allen Fällen um Gewalt gegen Frauen handelt, die von engen Familien- oder Intimpartnern ausgeübt wird. Werden sie jedoch verglichen, wird sehr deutlich, dass das Problem von antiweiblicher Gewalt kein überproportional muslimisches Problem ist.

Wir möchten vor dem Hintergrund dieser ungerechtfertigten Instrumentalisierung von Feminismus im Dienste von Islamfeindlichkeit und Imperialismus die drängende Frage von Gewalt gegen Frauen in muslimischen Gemeinschaften diskutieren.

In den USA befragte das Institute for Social Policy and Understanding Muslime, Juden, Katholiken, Protestanten und religiös ungebundene US-Bürger. Es fand heraus, dass Muslime, beide christliche Kirchen, Nicht-Religiöse und die allgemeine Öffentlichkeit im gleichen Maße von häuslicher Gewalt in ihren Glaubensgemeinschaften berichteten. Gleichermaßen würden sie Angriffe bei Strafverfolgungsbehörden anzeigen, obwohl in allen Glaubensgemeinschaften beinahe die Hälfte aller Vorfälle nicht gemeldet würden.

Muslime fielen nicht durch die Häufigkeit häuslicher Gewalt auf, sondern durch die Art und Weise, in der die Opfer Unterstützung bei Gemeinde- und Religionsführern suchten: Die Mehrheit gab an, dass das Opfer den Vorfall einem Glaubens- oder Gemeindeführer meldete. Dies deutet darauf hin, dass muslimische Opfer das Verhalten in ihrer Glaubenstradition für verwerflich hielten und daher erwarteten, bei einem Imam Unterstützung zu finden.

Die Daten verweisen auf einen Ausweg. Diejenigen, die für ein Ende von Gewalt gegen Frauen arbeiten, müssen das Problem als ein allgemeines menschliches Übel adressieren; nicht nur als eines, von dem nur eine Gemeinschaft betroffen wäre. Außerdem können und müssen religiöse Autoritäten im Falle der Muslime Teil der Lösung sein. Wir müssen in Gruppen investieren, die Imame ausbilden, damit diese effektiv bei der Lösung von Fragen wie häuslicher Gewalt in ihren Gemeinschaften mitarbeiten. Das wichtige Thema von Gewalt gegen Frauen wird untergraben, wenn Experten oder Politiker es ausnutzen und falsch darstellen, um eine antimuslimische Politik zu rechtfertigen, die letztlich genau den Frauen schadet, um die sie sich angeblich sorgen. Wer sich für die Sicherheit von Frauen einsetzt, muss sich entschieden dagegen wehren, dass dieses Thema im Dienste der Unterdrückung instrumentalisiert wird.

Islamische Perspektiven

Eine von drei Frauen wird mindestens einmal in ihrem Leben von einem engen Lebenspartner missbraucht. Diese erschütternde Statistik erstreckt sich über Ethnien, Religionen und Nationen. Welche Rolle spielt Religion demnach in der Ermöglichung oder Erschwerung häuslicher Gewalt? Zum einen nutzen die Täter Fehlinterpretationen religiöser Texte und missbrauchen Offenbarung als eine Rechtfertigung für die körperliche und geistige Schädigung Dritter. Religiöse Gemeinschaften und ihre Autoritäten auf der anderen Seite können grundlegende Ressourcen bereitstellen, um das Bewusstsein von der Schädlichkeit und Unzulässigkeit familiärer Gewalt zu steigern. Und sie können den Gewaltopfern Hilfe anbieten.

Der erste und wichtigste Schritt in diese Richtung ist die Hinwendung zur Offenbarung selbst, um die Fragwürdigkeit solcher Ansichten zu demonstrieren, wonach ein solches Verhalten erlaubt sei. Ein kurzer Überblick über die islamische Gelehrsamkeit in dieser Frage enthüllt eine klare Zurückweisung häuslicher Gewalt und eine Widerlegung falscher Interpretationen, welche diese begründen sollen. Heutige Gelehrte haben auch klar begründet, dass die emotionale oder körperliche Verletzung des Ehepartners strikt verboten ist.

Blick auf das Recht

Bevor wir in die Feinheiten des Verbots von häuslicher Gewalt im Islam einsteigen, ist es wichtig, einen Schritt zurückzugehen und den allgemeinen Rahmen zu verstehen, in dem innerhalb der muslimischen Gemeinschaften Regeln formuliert werden. In der vormodernen Ära, in welcher Konzepte wie Nationalstaat und Regierung nicht existierten, wurden das islamische Recht und Gesellschaft autonom gehandhabt. Auch wenn Herrscher und Königreiche früh in der islamischen Geschichte auftauchten, bestimmten Gemeinschaften hauptsächlich ihre eigenen Angelegenheiten und die Herrscher hatten wenig Einwirkung darauf, wie Gesetze direkt angewandt wurden. Daher bestimmte jede Gemeinschaft, ob in einer Stadt oder einem Dorf, eigene Juristen, die schlussendlich die Regeln auf Grundlage der individuellen Methodologie eines Gelehrten festlegten.

Die nächste Frage ist, wie diese Gelehrte sekundäre Gesetze formulierten und ihre Urteile fällten? Als die zwei wichtigsten Rechtsquellen gelten der Qur’an sowie das Vorbild des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben. Im Qur’an finden sich mehrere hundert Verse (arab. Ahkam), die festlegen, was Allah an Glaubensüberzeugungen und Handlungen vorgeschrieben hat. Hinzu kommt der Präzedenzfall des Propheten Muhammad, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, von dem man annimmt, dass er den Willen Gottes aus dem Qur’an am besten verstanden und in seinem täglichen Leben entsprechend gehandelt hat. Doch trotz dieser beiden soliden Quellen ist die Sprache dieser beiden Texte gelegentlich mehrdeutig und daher offen für Interpretationen. Daher mussten Gelehrte verschiedene hermeneutische Methoden entwickeln oder in den Quellen finden, um gleichnishafte oder mehrdeutige Aussagen zu verstehen.

In diesem Prozess des Nachdenkens und der Arbeit am Text gelang es ihnen, Rechtsnormen abzuleiten. Im Gegensatz zu den Zielen des modernen Rechts, das darauf abzielt, den gesamten Staat zu kontrollieren und zu disziplinieren, bestand das Ziel des islamischen Rechts darin, die Ruhe im Leben jedes Einzelnen und in seinem Umgang mit anderen zu fördern. Die fundamentale Dynamik in den Gemeinschaften bestand darin, dass Gelehrte Regeln formulierten, welche Einzelne zu einem Verhalten veranlassen sollte, dass in der jeweiligen Situation angemessen war. Die politische Ordnung selbst hatte die Aufgabe, jene Individuen zu bestrafen, welche die gesetzten Grenzen überschritten.

Religiöse Quellen

Es gibt zwei Hauptauslegungsarten, die von Gelehrten zum qur’anischen Verständnis entwickelt wurden. Die erste Form besteht darin, den Qur’an textintern zu erklären, das heißt seine verschiedenen Verse einander zu erläutern. Die zweite Form besteht darin, den Qur’an nach dem Vorbild des Propheten zu interpretieren, der von seiner Frau als „wandelnder Qur’an“ bezeichnet wurde. Anhand dieser beiden Formen der Hermeneutik können wir uns unseren Quellen zuwenden, um zu verstehen, wie im Islam die häusliche Gewalt konsequent verurteilt wird.

Im Kern gibt es eine Handvoll Verse, in denen die ideale Beziehung zwischen Ehemann und -frau beschrieben wird. „Und es gehört zu Seinen Zeichen, dass Er euch aus euch selbst Gattinnen erschaffen hat, damit ihr bei ihnen Ruhe findet; und Er hat Zuneigung und Barmherzigkeit zwischen euch gesetzt. Darin sind wahrlich Zeichen für Leute, die nachdenken.“ (Ar-Rum, Sure 30, 21) Allah befiehlt Männern in einem anderen Vers: „Lebt mit euren Frauen in Freundlichkeit und Gerechtigkeit.“ (An-Nisa, Sure 4, 19) Währenddessen wird ihnen an anderer Stelle Gottes Warnung angedroht, wenn sie die Absicht haben, ihren Frauen zu schaden, oder es tatsächlich tun (Al-Baqara, Sure 2, 231). Darüber hinaus finden sich Stellen, welche die ergänzende Natur der Ehe anerkennen, in denen die Partner als gegenseitige Gewänder beschrieben werden (Al-Baqara, Sure 2, 187). Diese Verse geben den Stand und das Weltbild für Liebe, Mitgefühl und gegenseitige eheliche Beziehungen vor.

Soweit es um das prophetische Vorbild geht, zu dessen Nachahmung jeder Mumin (jene, die auf Allah vertrauen) aufgerufen ist, so überlieferte seine Frau: „Der Gesandte Allahs, Friede und Segen auf ihm, schlug niemals einen Diener oder eine Frau. Und er schlug niemals etwas mit seiner Hand.“ Es wurde auch weitergegeben, dass er sagte: „Ein ehrenhafter Mann behandelt Frauen mit Ehre und Respekt. Nur eine verachtenswerte Person geht mit Frauen armselig um.“ In einem anderen Hadith (Überlieferung) wird die Geschichte eines seiner Gefährten erzählt, der ihn fragte: „Welchen Ratschlag gibst Du uns bezüglich unserer Frauen?“ Worauf der Gesandte Allahs entgegnete: „Teilt mit ihnen die gleiche Nahrung, die ihr habt. Und kleidet sie in das, was ihr tragt. Schlagt sie nicht und verunglimpft sie nicht.“ Darüber hinaus erklärte er: „Würde jemand seine Gattin wie einen Sklaven schlagen und dann am Ende des Tages mit ihr schlafen?“ Damit betonte er die Absurdität eines schädlichen Umgangs mit einer Frau.

Es gibt unzählige andere Berichte, welche die Abscheu des Propheten Muhammad, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, vor häuslicher Gewalt veranschaulichen. In einem Vorfall näherte sich ihm die Frau eines Mannes namens Al-Walid ibn ‘Uqba und beklagte sich über ihren Ehemann: „O Gesandter Allahs! Al-Walid schlägt mich!“ Der Prophet wies sie an: „Sag ihm, der Prophet hat mich geschützt.“ Kurze Zeit später kam sie zurück und berichtete: „Er gab mir nichts als weitere Schläge.“ Der Prophet riss dann einen Streifen Stoff seiner Kleidung (als physischen Beweises des Schutzes). „Sag ihm: Wahrlich, der Gesandte Allahs hat mir Schutz gewährt.“ Es dauerte nicht lange, bis sie erneut von weiterer Gewalt berichtete. Dann erhob der Prophet seine Hände mit den Worten: „O Allah, Du musst mit Al-Walid handeln, denn er hat zwei Mal gegen mich gesündigt.“

Bei einem anderen Vorgang unterstützte der Prophet aktiv ein Gewaltopfer. Habiba bint Sahl war die Frau von Thabit ibn Qais und seine Nachbarin. Er half ihr dabei, die Missbrauchsbeziehung zu verlassen. Nachdem Thabit Habiba geschlagen hatte, stand sie vor der Tür des Propheten. Sie berichtete von ihrer Lage und sagte: „Thabit und ich können nicht länger verheiratet bleiben.“ Der Gesandte Allahs bestellte ihren Ehemann ein, regelte ihre finanziellen Angelegenheiten und gewährleistete, dass sie sicher zu ihrer Familie zurückkehren konnte.

Neben einem solchen Vorgehen unternahm der Prophet Muhammad, Allah segne ihn und schenke ihm Frieden, präventive Schritte, um zu garantieren, dass Frauen nicht mit gewalttätigen Männern verheiratet wurden. Es wurde überlieferte, dass er bei Fatima bint Qais anfragen ließ, ob sie bereit für die Ehe sei. Sie hatte Angebote von Mu’awija, Abu Dschahm und Usama bin Zaid erhalten. Um ihr bei der richtigen Entscheidung zu helfen, riet der Prophet: „Soweit es um Mu’awija geht, ist er ein armer Mann ohne Geld (der nicht ausreichend für dich sorgen kann). Abu Dschahm ist ein Mann, der regelmäßig seine Frauen schlägt. Ich rate dir zur Ehe mit Usama.“

Der „umstrittene“ Vers

Trotz der prophetischen Abscheu vor einer Schädigung von Frauen, gab es Versuche, häusliche Gewalt aufgrund eines spezifischen Qur’anverses (An-Nisa, Sute, 4, 34) zu rechtfertigen. Der Streit über die Frage des Missbrauchs in der Ehe im Islam beruht letztlich auf einer falschen Auslegung dieses speziellen Verses. Dieser Vers besagt, dass ein Ehemann, der ein ungeheuerliches oder trotziges Verhalten seiner Frau befürchtet, ein dreistufiges Verfahren befolgen sollte, um die Lage beizulegen. Zuerst muss er sie verbal vor ihrem Verhalten warnen und ihr Fehlverhalten korrigieren. Wenn das die Situation nicht verbessert, dann muss er ihr Bett als Ausdruck seiner Missbilligung „verlassen“. Wenn auch das keine Folgen zeigt, dann wurde die abschließende Maßnahme heute als eine symbolische Geste körperlicher Züchtigung (arab. daraba) übersetzt. Dieses mehrstufige Verfahren wurde wahrscheinlich als Mittel zur Regulierung eines anfänglichen Wutausbruchs eingeführt, indem der Ehemann aufgefordert wurde, sich im Wesentlichen zu beruhigen und seiner Frau nicht impulsiv Schaden zuzufügen.

Nach einem ersten Lesen neigen viele Leser:innen zur Frustration angesichts der scheinbaren Erlaubnis, wonach ein Ehemann seine Frau schlagen könnte. Das ist einer der Gründe, warum Juristen Normalpersonen davon abraten, rechtliche Antworten aus dem Qur’an zu ziehen. Umfassendes Verständnis des Textes benötigt Deutung und Kontextualisierung. Die allermeisten muslimischen Schulen sind sich darin einig, dass die Qur’anverse nur angemessen verstanden werden können, wenn sie im Lichte anderer und des prophetischen Vorbilds gelesen werden. Hinzukommen die Deutungen und rechtlichen Umsetzungen der Juristen. Die Gelehrten jeder einzelnen Gemeinschaft bestimmten nicht nur das Verständnis dieses Verses. Sie legten auch fest, welche Konsequenzen folgten, wenn ein Ehemann seine Frau auf irgendeine Weise misshandelt (das heißt körperlich oder seelisch).

In Wirklichkeit teilte die Mehrheit der Gelehrten die prophetische Abscheu gegenüber häuslicher Gewalt und sie unternahmen Schritte zur Begrenzung der wörtlichen Bedeutung von „daraba“ oder körperlichen Disziplinierung in dem Vers. Nach Ansicht des frühen mekkanischen Jursiten ‘Ata’ ibn Abi Rabah (gest. 732) bezieht sich der Begriff überhaupt nicht auf „schlagen“. Vielmehr sei damit eine symbolische Geste zum Ausdruck der Verärgerung gemeint. Er sagte eindeutig: „Ein Mann schlägt seine Gattin nicht. Er drückt einfach seine Unzufriedenheit mit ihr aus.“ Ad-Darimi (gest. 869), ein bekannter früher persischer Gelehrter und Lehrer der zwei bekanntesten Sammler von Hadith-Kompilationen Bukhari und Muslim, schrieb ein eigenständiges Kapitel über prophetische Aussagen gegen häusliche Gewalt mit dem Titel „Verbot des Schlagens von Frauen“. Einige gingen soweit und stellten die Echtheit von Berichten in Frage, die Männern angeblich das Schlagen ihrer Frauen erlauben würden. Ibn Hadschar, der als mittelalterlicher Hadith-Meister gilt, war der Ansicht, dass trotz der vermeintlich offenkundigen Bedeutung des qur’anischen Verses, das prophetische Vorbild ein ausreichender Beweis für das Verbot häuslicher Gewalt ist. Ibn ‘Abidin, ein syrischer Jurist des 19. Jahrhunderts erklärte darüber hinaus, dass jede Gewalt, die bei einer Ehefrau Spuren hinterlässt, zu einer körperlichen Bestrafung des Ehemanns führen kann.

Gerichtsakten

Ibn Aschur (gest. 1973) war ein tunesischer Gelehrter des frühen 20. Jahrhunderts. Er verstand den erwähnten Qur’anvers als einen rechtlichen Hinweis für diejenigen in der Regierung und dass die Maßnahmen, die gegen eine widerspenstige Ehefrau ergriffen werden, eigentlich nicht in der Verantwortung des Ehemannes liegen, da es in Situationen des Zorns schwierig sein kann, sich persönlich zurückzuhalten.

Im Laufe der Geschichte wurden Fälle von häuslicher Gewalt in der Regel an Gelehrte oder Gerichte delegiert, die für die Durchsetzung von Beschränkungen zum Schutz der Frau zuständig waren. In den letzten Jahrzehnten hat das wissenschaftliche Interesse an der Rolle der Frau in verschiedenen islamischen Gerichtssystemen zugenommen. Viele dieser Aufzeichnungen und Analysen belegen letztlich, dass muslimische Frauen eine aktive Rolle dabei spielten, ihre Anliegen bei den Behörden vorzubringen, und dass diese Probleme zum großen Teil gelöst wurden.

Eine der ersten Arbeiten dazu war „In The House of the Law“ von Judith Tucker. Die Autorin untersuchte darin die Rechtsmeinungen von Juristen im osmanischen Syrien und Palästina aus dem 17. und 18. Jahrhundert, um die Dynamik der Geschlechter in dieser Gesellschaft zu verstehen. Ihre Forschungen reflektieren einen Trend unter Wissenschaftlern, die nachzuweisen versuchen, dass das Recht flexibel genug ist, um sich wechselnden Umständen anzupassen. Tucker kommt in erster Linie zu dem Schluss, dass die Rechtsgelehrten und Gerichte trotz des dem islamischen Recht innewohnenden Patriarchats bestrebt waren, das Wohlergehen der Gemeinschaft zu fördern und folglich die Rechte der Frauen zu schützen – insbesondere in Fällen von körperlichen und seelischen Schäden.

Osmanische Gerichtsakten aus Aleppo im 17. Jahrhundert beispielsweise dokumentierten bei verschiedenen Fällen eine Entscheidung zugunsten von Frauen. In einem Streit bezeugte eine Klägerin namens Fatima vor Gericht, dass ihr Ehemann sie geschädigt habe und sie mindestens einmal habe bluten lassen. Ihre Aussage wurde von fünf Zeugen bestätigt. Das Gericht entschied gegen den gewalttätigen Ehemann und ordnete seine Bestrafung an. Bei einem ähnlichen Beispiel wurde der führende osmanische Jurist, Abu Al-Saud, dazu befragt, was geschehen würde, wenn ein Mann seine Frau auf verschiedene Weisen misshandeln würde. Seine Antwort lautete, der Richter müsste sie durch jedes zur Verfügung stehende Mittel vor Schaden bewahren.

Schlussfolgerung

Der mittelalterliche Gelehrte Ibn Al-Qajjim (gest. 1350) sagte: „Die Religion in ihrer Gesamtheit ist Gerechtigkeit, Mitgefühl, Wohlstand und Weisheit. Was diesen widerspricht, etwa Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Schaden oder Unsinn, kann niemals als ihr Teil angesehen werden; egal, welche Interpretation dies versucht.“

Bei der Erörterung und dem Verständnis des Modells von Ehe im Islam ist es wichtig, einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, der eine umfassende Lektüre der qur’anischen, prophetischen und wissenschaftlichen Quellen ermöglicht. Dieser umfassende Ansatz erlaubt es uns, die Partei der großen Mehrheit der Gelehrten zu ergreifen, welche die Erlaubnis jeglicher körperlicher Schädigung zurückgewiesen haben, und die Männer vielmehr für Übergriffigkeit gegenüber Frauen zur Rechenschaft ziehen. Schließlich rief Ibn Al-Dschauzi im 12. Jahrhundert aus: „Wenn die Androhung von Gewalt nicht funktioniert, dann wird die tatsächliche Gewalt auch nicht funktionieren.“

Das Problem der häuslichen Gewalt geht letztlich über die Belange des Religionsrechts hinaus und hat seinen Ursprung in der persönlichen Entwicklung des Täters selbst. Daher obliegt es uns als Einzelpersonen und als Religionsgemeinschaften, Sicherheitsnetze für Missbrauchsopfer bereitzustellen und unsere Mitglieder über die Schäden und Verbote von häuslicher Gewalt aufzuklären.