Israels Mauer in unserem Tal

Ausgabe 254

Foto: Autorin

(iz). In Ost-Jerusalem ist fast kein Grün zu sehen. Stein auf Stein, immer mehr Etagen werden auf die Häuser gebaut, immer mehr Autos parken die schmalen Bordsteine zu. Hier, am Rand von Ost-Jerusalem (eigentlich schon fast näher an Bethlehem), hatten wir bisher den Luxus, auf ein grünes Tal – das Cremisan Tal – zu blicken. Jetzt blicken wir auf die Mauer. Freilich konnten wir auch vorher nie im weiten Tal spazieren gehen, denn es war bereits so etwas wie eine israelische Sperrzone, in der fast täglich ein israelischer Jeep „Patrouille“ fuhr. Zwei illegale israelische Siedlungen, „Gilo“ und „Har Gilo“, umgeben uns.

Acht Jahre lang führten die Palästinenser einen Gerichtskampf gegen die bereits 2006 beschlossene Cremisan-Mauerstrecke. Das Land im Tal gehört 58 palästinensischen Familien sowie einem christlichen Orden mit einem Männer- und einem Frauenkloster und einer Schule für rund 400 Kinder. Das oberste Gericht in Israel erlaubte schließlich den Mauerbau – mit der einzigen Einschränkung, dass das Land des christlichen Ordens durch eine 200 Meter lange Öffnung verbunden bleibt.

Danach ging es schnell: Die Bagger rollten an, wurzelten die Olivenbäume aus und Stück für Stück wurden wir innerhalb weniger Monate zugebaut. Es gab Steinewerfer, Tränengas, Verhaftungen und christliche Bus-Gruppen (vor allem aus den USA), die anreisten, um zu bezeugen, dass Israel nicht nur (terrorverdächtige) Muslime mit dem Mauerbau bestraft. Oft sangen oder beteten sie und wenn ich mit den Kindern aus der Nachbarschaft daneben stand, haben wir ebenfalls Bittgebete gesprochen.

Um die Kinder aufzumuntern, schlug ich vor, wir könnten die Mauer ja schön anmalen. Dieser Vorschlag war sofort ein Hit und verbreitete sich in der ganzen Straße. Ich bekam sogar schon die ersten Entwürfe von den Jugendlichen: Weinende Frauen, Soldaten, eine Aqsa Moschee umringt von Tränen. Doch die Eltern haben sich gegen die Idee gestellt. So bleibt nur der Blick auf Beton.