Türkeiexperten phantasieren über die Diktatur – über Jahrzehnte des Kemalismus war wenig von ihnen zu hören

(iz). Jetzt geht es los: Auf dem Titelbild des „Economist“ erscheint der aktuelle türkische Ministerpräsident, Recep Tayyib Erdogan, als „Sultan“. Das trifft. Jetzt denkt das einfache Volk in Europa nicht etwa an die türkische Geschichte, sondern an Diktatur, an Hitler oder Stalin, mindestens.

Schnell ist vergessen, dass der türkische Ministerpräsident bei den letzten Wahlen immerhin über 50 Prozent der Stimmen hinter sich gebracht hat. Schnell ist auch vergessen, dass es die AK-Partei und nicht etwa die NATO war, die das antidemokratische Militär der Türkei an die Demokratie erinnerte.

Erdogan mag ein wenig machtbesoffen sein, aber wer jetzt schon die „Diktaturkeule“ schwingt und in Wirklichkeit auf den Islam Erdogans zielt, muss ein wenig innehalten. Die Rechte, die Ministerpräsident Erdogan im Moment – ob zu Recht oder nicht – nutzt, ergeben sich doch aus der (säkularen) türkischen Verfassung!

Sollte die Diktatur einer Partei in der Türkei (leider) noch immer möglich sein, dann ist das ein typisches, modernes Verfassungsproblem. Der Islam sieht die Diktatur jedenfalls nicht vor.