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Konvertiten – für viele eine Provokation

Ausgabe 318

Foto: Khalil Mitchell

(iz). Die Geschichte des Begriffes „Konversionen“ im christlichen Europa ist lang; und es gibt keinen entsprechenden Begriff im Islam. Wer immer sich dem Islam zuwendet, der kehrt nach Auffassung der Muslime zum ursprünglichen Glauben des Menschen zurück. Dies betrachtet die christliche Theologie anders.

Während der ersten Jahrhunderte der Ausbreitung des Einflussbereiches der Kirche sprach man von Christianisierung. In den Jahren der Reconquista sprachen die Spanier von Conversos und meinten damit Juden und Muslime, die unter dem Druck der siegreichen spanischen Könige zu katholischen Christen wurden. Als später die europäischen Großmächte in ihren Kolonien die Missionstätigkeit ihrer Kirchen unterstützten, schuf man keine Konvertiten, obwohl die Inkas ebenso wie die Stämme in Nordamerika oder die Bantu einem eigenen Glauben gefolgt waren.

Und im 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert wurde es Brauch, jene Christen, die von der evangelischen Kirche zur römisch-katholischen wechselten und umgekehrt, so zu nennen. Merkwürdigerweise galt dies nicht für jene Mitbürger, die von einer atheistischen Glaubensform zum Christen – welcher Kirche auch immer – wurden.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und vor allem nach dem Wegfall des sowjetischen Gegners wurde das Wort „Konvertit“ zunehmend auf solche Persönlichkeiten übertragen, die in Westeuropa Muslime wurden, ohne sich zu fragen, ob die oder der Betreffende zuvor überhaupt einer Kirche angehört hatte oder die Frage des Glaubens gänzlich obsolet gewesen war. 

In den alltäglichen Diskussionen am Stammtisch bekam das Wort „Konvertit“ – von einem Begriff lässt sich dort wohl kaum sprechen – nicht nur einem negativen Klang, sondern wurde zugleich ethnisiert: Wenn jemand zu den Muslimen geht, dann geht er zu den Arabern. Also lernt er Arabisch und benimmt sich so. Er wird also zum Kulturverräter.  Eine große Zahl von journalistischen Berichten orientiert sich an dieser Ausdrucksweise.

Da mögen noch so renommierte Fachleute gleich den Professoren Schiffauer, Antes oder Steinbach noch so deutlich vor pauschalen Urteilen warnen, sie dringen nicht an die Ohren der Allgemeinheit. Dies gilt ebenso für die Forschungen Sabine Schiffers, die Strukturen der journalistischen Berichterstattung aufzeigt.

Es gibt daher mindesten vier verschiedene Diskussionskreise: den der Allgemeinheit, der öffentlich redenden Politik, der Muslime und der Wissenschaft. Und dann gibt es da jene, die jeglicher Religion verbittert bis böswillig gegenüber stehen. Sie halten jeden Konvertiten für eine Gefahr, die man bekämpfen muss. Die Konsequenz ist, dass sie jeden neuen Muslim für ein geistiges, politisches und soziales Problem halten. Der für sie einzig ertragbare Muslim ist nicht nur säkular, sondern zudem jemand,  den niemand in der Gesellschaft bemerkt, dass es ihn gibt. Dem widerspricht jede noch so stille Konversion.