Trotz unzähliger sozialer Netze sind mehr Menschen einsamer denn je. Wichtig sind jene, die sie zusammenbringen.
(iz). Die Tradition der Salons ist eine faszinierende Facette der europäischen Kulturgeschichte, die sich über Jahrhunderte erstreckt. Ursprünglich als private Zusammenkünfte in den Wohnräumen wohlhabender Frauen konzipiert, entwickelten sich diese zu bedeutenden Zentren des gesellschaftlichen, kulturellen und intellektuellen Lebens.
Salons waren mehr als nur gesellige Treffen. Sie waren Orte, an denen Ideen ausgetauscht und Netzwerke geknüpft wurden. Hier entstand ein halböffentlicher Raum, in dem sich Kultur ereignen und man politisch diskutieren konnte. In den letzten zehn Jahren erlebte der Salon in Städten wie Berlin eine gewisse Renaissance.
Bild: Th. von Oer, gemeinfrei
Menschen insbesondere der arabischen Halbinsel kennen die Institution des Majlis oder Diwans. In ihnen unterhalten – meistens nach Geschlecht getrennt – die Gastgeber und Gastgeberinnen regelmäßig stattfindende Zirkel, in denen sich Leute unterschiedlicher Kategorien begegnen können. Es gibt solche für Mitglieder der Familie, für Anwohner der Nachbarschaft und jenen, in die Freunde und Bekannte kommen.
Manch bedeutendere Person am Golf nutzt diese Institution, um halboffizielle Besucher zu empfangen oder ausländische Gäste. Je nach Land herrschen ungeschriebene Gesetze der Höflichkeit, der Verweildauer etc. Und in einigen Gegenden stehen gesonderte Angebote im Ramadan offen, zu denen viele kommen, um gemeinsam ihr Fasten zu brechen.
In Kuwait bspw. werden bei der Suche nach einem neuen Amir gerne eine Handvoll Namen lanciert, um „die Temperatur“ der Leute vorzufühlen. Sollte diese Institution kein immaterielles Kulturgut der UNICEF sein, wäre es an der Zeit.
Foto: A. Seise
Ich hatte kürzlich mit einer umtriebigen und gebildeten Dame aus Berlin gesprochen, die sich bemüht hat, einen Kultursalon aufzubauen. Und ihr Fazit fiel ernüchternd aus: Es ist oft mühsam und zumeist einseitig, wenn man Leute zusammenbringen will.
Diese Erfahrung begegnet Aktiven in verschiedenen Bezügen schon länger: Menschen zusammenzuführen ohne eine Gewinnabsicht oder einen utilitaristischen Nutzen für die beabsichtigten Gäste, kann anstrengend und gelegentlich undankbar sein. Es bleibt eine wichtige Aufgabe.
Wir leben zwar in einer Welt unzähliger, angeblich sozialer Netzwerke, sie führen aber nur im Ausnahmefall zu einer echten, direkten Begegnung. Wer heute Menschen zusammenführt, weiß zwar um die Mühen der Ebene. Er – oder noch häufiger sie – erfahren aber auch, dass ein bisschen Social Engineering und selbst die richtige „Sitzordnung“ unerwartete Ergebnisse bringen können.
Ironischerweise hat der „organisierte Islam“ auf Deutschlandebene bisher diesen bedeutenden Aspekt des Zusammenbringens von Muslimen eher stiefmütterlich behandelt. Mitgliedsorganisationen, die dem Diktum von Mitgliederzahlen und Anzahl von Moscheen anhängen, entgeht dieses wichtige Moment leider bisher.