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Menschenrechtler: EU-Vorstoß zum Internet bedroht Grundrechte

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Die Internationale Liga für Menschenrechte warnt vor dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates „zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte“. Die Gesetzesinitiative stellt eine schwerwiegende Bedrohung der Grundrechte und -freiheiten dar, insbesondere für die Meinungs- und Redefreiheit, den freien Zugang zu Informationen, das Recht auf Privatsphäre und die Rechtsstaatlichkeit.

Berlin. Die vorgeschlagene Verordnung enthält gefährliche Maßnahmen, die letztlich den Schutz der Grundrechte in der EU schwächen werden. Sie hat auch das Potenzial, einen gefährlichen Präzedenzfall für die Regulierung von Online-Inhalten weltweit zu schaffen.

Der Vorschlag zwingt Plattformen letztlich, automatisierte Tools wie Upload-Filter einzusetzen, um terroristische Inhalte zu löschen. Dabei fehlen Transparenz und unabhängige gerichtliche Kontrolle. Das Fehlen einer richterlichen Aufsicht ist eine ernsthafte Gefahr für die Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen. Sie untergräbt auch die Charta der Grundrechte, die die Freiheit des Empfangs und der Weitergabe von Informationen schützt und besagt, dass die rechtmäßige Meinungsäußerung geschützt ist und nur im Nachhinein, durch ein Gericht und auf legitimen Antrag, nicht proaktiv eingeschränkt werden darf.

Nach der vorgeschlagenen Verordnung wird jede zuständige Behörde die Befugnis haben, die Löschung von Online-Inhalten, die irgendwo in der EU gehostet werden, innerhalb einer Stunde anzuordnen. Das bedeutet, dass ein Mitgliedstaat seine Vollstreckungsbefugnis über sein Hoheitsgebiet hinaus ausdehnen kann, ohne vorherige gerichtliche Überprüfung und ohne Rücksicht auf die Rechte von Einzelpersonen in den betroffenen Rechtsordnungen.

Angesichts der ernsthaften Bedrohungen der Rechtsstaatlichkeit in einigen EU-Mitgliedstaaten könnte das gegenseitige Vertrauen, das der europäischen justiziellen Zusammenarbeit zugrunde liegt, ernsthaft untergraben werden. Darüber hinaus enthält das im aktuellen Text vorgesehene Verfahren der minimalen Benachrichtigung und Überprüfung durch den betroffenen Staat keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen gegen staatliche Übergriffe und Machtmissbrauch, und es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedstaaten darüber, was Terrorismus, Ironie, Kunst oder journalistische Berichterstattung ist.

Wir fordern das Europäische Parlament auf, diesen Vorschlag abzulehnen, da er einen gefährlichen Präzedenzfall für jede zukünftige EU-Gesetzgebung zur Regulierung des digitalen Ökosystems schaffen wird, indem er den Rahmen für die Strafverfolgung unter dem Vorwand der Stärkung des digitalen Binnenmarktes verzerrt. Daher hat die Verordnung über terroristische Inhalte keinen Platz im EU-Recht.

Dieser Text basiert auf der Erklärung mehrerer Organisationen, die von der FIDH / International Federation for Human Rights verbreitet wurde. Die Erklärung im englischen Original können Sie hier nachlesen: https://ilmr.de/wp-content/uploads/2021/03/TERREG-Open-Letter_19.03.2021.pdf