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Muslimische Männer und Frauen sind ermutigt, die Erfüllung ihrer intimsten Wünsche zu suchen

Ausgabe 329

Foto: Vilu Photos

Al-Fadl ibn ‘Abbas ritt hinter dem Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, auf dessen Kamel am Tag von Nahr (während der Hadsch). Er war ein attraktiver Mann. Der Gesandte Allahs, Frieden und Segen auf ihm, hielt an, um Urteile bei religiösen Fragen zu fällen. Eine schöne Frau vom Stamm der Khath’am näherte sich ihm und wollte eine Fatwa. Al-Fadl blickte sie an. Der Prophet drehte sich zu ihm um, während dieser sie weiter anblickte. Also nahm er dessen Gesicht in die Hand und drehte es von ihr weg. Sie fragte: „O Gesandter Gottes, die Verpflichtung zur Hadsch, die Allah Seinen Sklaven auferlegt hat, ist für meinen Vater fällig geworden. Er ist ein alter Mann und kann nicht mehr fest auf seinem Reittier sitzen. Wird es genügen, wenn ich an seiner Stelle die Hadsch verrichte?“ Der Gesandte Allahs bejahte ihre Frage. Von Dr. Fareeha Khan

(Sila Initiative). Sexuelles Verlangen ist Teil unserer Natur. Es ist eingeboren wie der Bedarf an Essen und Trinken – und kann als Katalysator sogar stärker sein. Das menschliche Bedürfnis nach Sex dient als Arena, auf der Dienerschaft gegenüber Allah zum Ausdruck kommt. Es ist nicht nur Segen oder Fluch. Es kann beides sein. Wird es auf gottgefällige Weise erfüllt, bringt es im Diesseits sowie im Jenseits Genuss. Während das flüchtige Vergnügen, wenn es gegen die Regeln Gottes befriedigt wird, den Menschen veranlasst, in dieser und in der nächsten Welt Verheerung anzurichten.

Allah sagt im Qur’an: „Weder ihr Fleisch noch ihr Blut werden Allah erreichen, aber Ihn erreicht eure Gottesfurcht (Taqwa).“ (Al-Hadsch, Sure 22, 37) Obwohl dieser Vers in einem anderen Kontext offenbart wurde, gilt die gleiche Idee für sexuelle Aktivitäten: Allah braucht unsere Handlungen nicht. Vielmehr sind wir es, die von der Aufrechterhaltung von fleischlicher Verantwortung, wie sie von Ihm befohlen wurde, Nutzen ziehen. Tatsächlich ist die Ausrichtung und Erfüllung von Verlangen auf eine tugendhafte Weise ein Mittel, das höchste menschliche Potenzial zu entfalten.

Die Vorstellung vom unbegrenzten Streben nach Lust ist im Islam fremd. Anstatt die wechselnden und richtungslosen Neigungen des Selbst zum einflussreichsten Merkmal menschlicher Identität zu machen, weiß ein Muslim, dass der dominante Aspekt seine völlige Abhängigkeit von Gott ist. Der Mensch ist kein freier Akteur, sondern in seinem Kern ein Diener (‘abd), der in jedem Augenblick auf den Schöpfer angewiesen ist, damit er weiter atmen kann, sein Leben fortsetzt und die Dinge laufen. Diese Herr-Sklave-Beziehung definiert die Begriffe, die für jegliche Diskussion über Existenz in dieser Welt relevant sind. Es ist die Manifestation seines Sklavendaseins gegenüber dem Göttlichen, die der Zweck des menschlichen Daseins ist.

Obschon der modernen Person die Vorstellung der Dienerschaft unbequem ist, fällt Seinem Diener die Anerkennung leichter, wenn er erkennt, dass sein Herr der Allweise, Allwissende, Liebende, Freundliche und die Quelle alles Guten ist. Mit dieser Erkenntnis geht ein lebenswertes Leben einher. Um diese gute Existenz, die tiefer und wahrer Zufriedenheit und Erfüllung, zu erlangen, muss man seinen Fokus grundlegend verlagern. Weg vom individuellen Selbst hin zu dem, was Allah von seiner Schöpfung wünscht. Wenn das geschieht, werden viele Dinge ihren Platz finden, einschließlich des eigenen Ortes in ihrer Gesamtheit.

Allahs Werk ist das Verlangen selbst und die Freude, die man bei seiner Erfüllung empfindet. Aufgrund ihrer Übereinstimmung mit Qur’an und Sunna haben muslimische Gelehrte die platonische Idee, dass das Begehren „das ist, was dich bewegt“, positiv aufgenommen. Aus diesem Grund schuf unser Herr das Verlangen in uns. Sein göttlich beabsichtigter Punkt ist, den Menschen in Richtung des Guten zu führen. Abhängig davon, wie die Absicht auf der Suche nach Erfüllung ausgerichtet ist, kann aus jeder erlaubten Tat eine „gute“ werden. Um es mit dem Gesandten Allahs zu sagen: „Jede Angelegenheit des Gläubigen ist gut… begegnet ihm eine Segnung, ist er dankbar und wird dafür belohnt.“

Wendet sich das Herz der Dankbarkeit zu, können Nahrungsaufnahme, das Verlangen nach vielen Kindern oder Besitz sowie das Verlangen nach Sex alle spirituell positiv sein. So übernimmt derjenige, der die wahre Quelle seiner Freuden erkennt und von Herzen dankt, die prophetische Rolle des „dankbaren Sklaven“, der sich bedankt sowie im Diesseits und im Jenseits Zuwachs erfährt. Allerdings hat der Mensch das unglückliche Potenzial, eine segensreiche Möglichkeit zu ruinieren, wenn er undankbar ist und nicht anerkennt, dass diese Erfüllungen aus der Großzügigkeit und großen Freundlichkeit Allahs entstammen.

Aufgrund der Annahme, dass Sex und intimes Glück etwas Niedriges und Schmutziges seien, haben Christen in der Vergangenheit die im Qur’an gegebene Verheißung Gottes, dass es im Himmel sexuelles Vergnügen gibt, missverstanden. Die muslimische Gelehrsamkeit hingegen hat sie als das verstanden, was sie ist: die größte physische Ermutigung für uns, im irdischen Leben Gutes zu tun, sich fortzupflanzen und andere Menschen zu gebären, die das Gleiche tun werden.

Der Prophet Muhammad, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, verkörperte das vollkommene Vorbild für die menschliche Suche nach Erfüllung. Die Liebe zu Frauen war eines der wenigen Dinge der weltlichen Existenz, das ihm lieb war. Und es war Gott, der ihn so schuf. Er liebte seine Frauen und ihre Gesellschaft. Und er sagte einmal: „Ich enthalte mich zu bestimmten Zeiten von Essen und Trinken, aber nicht von ihnen.“ Seine Gefährten schrieben ihm die physische Kraft von dreißig Männern zu. Ein Gelehrter aus dem 16. Jahrhundert, Schah ‘Abdalhaqq Ad-Dihlawi, zählte seine sexuelle Vitalität zu den ihm gegebenen Wundern. Eine normale Person, die so rigoros fastet und enthaltsam lebt, wie es der Prophet tat, würde schwach erscheinen und nicht sehr potent sein. Trotz seiner physischen Entbehrungen hatte er ein schönes, glänzendes Gesicht und die dauerhafte Fähigkeit, die sexuellen Rechte seiner Gattinnen zu erfüllen.

Ein vielleicht noch größeres Wunder war, dass er die Rechte Allahs stets beachtete, während er menschliches Verlangen besaß. Seine Frau ‘Aischa, möge Allah mit ihr zufrieden sein, sagte über ihn: „Er erinnerte sich an Allah in all seinen Momenten.“ Dazu gehören zweifelsohne seine Augenblicke der körperlichen Intimität. Der große Schaikh Ibn Al-’Arabi verteidigte die prophetische Liebe zu Frauen: „Glaubt ihr, dass ihm das, was ihn von seinem Herrn entfernt, liebenswert gemacht wurde? Nein, natürlich nicht. Das, was ihn seinem Herrn nahebringen würde, wurde ihm liebenswert gemacht.“

Der Prophet senkte seinen Blick, wenn ihm eine unverwandte Frau begegnete, aus Respekt vor dem Gebot Gottes, das andere Geschlecht nicht ohne legitime Notwendigkeit anzuschauen. Er lehrte uns: „Der erste Blick ist für dich, aber der zweite Blick ist gegen dich.“ Was bedeutet, dass man zwar unabsichtlich jemanden ansehen kann, sich angezogen fühlt und Gefallen daran findet, dass man aber nicht noch einmal hinsehen soll. Das könnte zu etwas führen. Er achtete die Rechte seiner Frauen: Er war freundlich zu ihnen, teilte seine Zeit und seine Ressourcen gleichmäßig unter ihnen auf, beherbergte und kleidete sie mit Würde, tolerierte ihre Eigenarten und zeigte seinen Zorn nie durch Beschimpfungen oder harte Worte, selbst wenn er verärgert war.

Er lehrte seine männlichen Gefährten, dass sie beim Geschlechtsverkehr die von Gott auferlegte intime Verantwortung einhalten müssen. „Fallt nicht über eure Frau her wie ein Tier, sondern schickt ihr süße Worte und Küsse“ und unterrichtete sie, dass sie ein Vorspiel braucht, damit sie sexuelles Vergnügen erlangen kann. Bei einer anderen Gelegenheit unterwies er seine Gefährten: „Fangt nicht mit dem Geschlechtsverkehr an, bevor sie nicht das gleiche Verlangen empfunden hat wie ihr, damit ihr nicht vor ihr euer Verlangen erfüllt.“

Fraglos ist der Eckstein dieses angemessenen Verhaltens wie sexuelle Zurückhaltung die Ehe. Der Gesandte Allahs unterrichtete seine Gefährten zwei wichtige Heilmittel gegen illegitime körperliche Neigungen: 1.) zuerst zur eigenen Gattin zu gehen, „denn das wehrt ab, was er fühlt“ und 2.) nicht die körperlichen Bedürfnisse des anderen zu vernachlässigen. In Anbetracht dieser Lehren gilt die physische Verantwortlichkeit, die sich daraus ergibt, unrechtmäßiges Verlangen in Schach zu halten, beiden Ehepartner; nicht nur für einen. Obwohl man niemals dem Gegenüber und noch viel weniger dem Ehepartner seine intimsten Gedanken enthüllen sollte, wenn sie illegitim sind, sollte eine Grundannahme für Ehemann und Ehefrau gelten: Ich diene als ein Schild und schützendes Gewand für meinen Partner, schütze ihn oder sie vom Verlangen, das Familie und Gesellschaft schaden kann und Allah, den Allerhöchsten verärgert.

Muslimische Männer und Frauen sind ermutigt, die Erfüllung ihrer intimsten Wünsche zu suchen, aber in einer Weise, die ihrer sexuellen Eigenverantwortung gerecht wird. Für den Mann kommt hinzu, dass er nur mit Frauen verbunden ist, die er finanziell und anderweitig angemessen unterstützen kann. Und dass er die daraus entstehenden Kinder so erzieht, wie es ein Mann tun sollte.