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Mut-Mach-Kolumne #4: Verbindungen der Gemeinschaft überdauern jede vermeintliche Trennung

Ausgabe 328

Foto: Freepik.com

2020 beschloss ich, mich in der Islamischen Hochschulgemeinde Hamburg e.V. zu engagieren. Zwischen Neugierde und Unsicherheit bekundete ich mein Interesse und wurde herzlich aufgenommen. Ich erinnere mich noch sehr gut an die erste Vorstandssitzung, an der ich teilnahm: 07.02.2020. Es war interessant, viele neue und alte Gesichter zugleich zu sehen und die Gruppendynamik, zu der ich nun auch beitrug, zu beobachten. Von Kübra Böler

(iz). Ich verließ mit einem guten und beherzten Gefühl die Sitzung und lief die Treppen der Moschee runter, um weiter zu einer Theaterveranstaltung zu ziehen. Beim Hinausgehen traf ich einen alten Freund meines Vaters, mit dem ich sprach. Um nicht zu spät zu kommen, wollte ich am Ausgang der Moschee zwei Herren überholen, blieb mit dem Fuß hängen und fiel hin. Da lag ich nun in linker Seitenlage und dachte mir „Mist, was ist da passiert?“ Jemand hob mich auf, eine andere setzte mich auf einen erhöhten Stein, ein anderer brachte Eiswürfel: Ich hatte mir eine Platzwunde zugezogen.

Papas Freund fuhr mich in die Notaufnahme. Der Arzt schaute sich die Wunde an und sagte „Das muss genäht werden.“ – „Sie sind jetzt schon der fünfte, der mir das sagt.“, sagte ich unbeeindruckt, zumal ich noch keinen Blick in den Spiegel geworfen hatte. Nachdem ich versorgt wurde, durfte ich wieder nach Hause.

Meine Mutter, der ich zuvor Bescheid gab, wartete gemeinsam mit Papas Freund im Wartezimmer auf mich. Heilfroh darüber, dass mir nichts weiter passiert ist, nahm sie mich mit nach Hause. Dem Vorstandsvorsitzenden, der mit einigen anderen Mitgliedern meinen Unfall mitbekam, sagte ich Bescheid und bedankte mich von Herzen für die Unterstützung.

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Für mich bedeutet die Arbeit der Hochschulgemeinde Gemeinschaft. Gerade in den Lockdown-Phasen war es eine große Herausforderung. Doch trotz, oder gerade deshalb, haben wir vieles geschafft: Wir haben digitale Veranstaltungen organisiert und durchgeführt, unsere Arbeitsweise reflektiert und angefangen neue Wege zu gehen. Als wir in diesem Jahr wieder einen Iftar-Abend im Ramadan organisieren durften, waren all unsere Gefühle auf ihrem Höhepunkt: Denn gelebte Gemeinschaft in einem Raum ist eine andere als vor laufenden Bildschirmen. Gerade für mich als „Lockdown“-Aktive war es eine neue Dimension und ich war trotz eigener Baustellen und Hürden sehr dankbar, diese Art der Gemeinschaft erleben zu dürfen.

Ende Juni 2022 habe ich mein Amt niedergelegt und aufgehört, als es am schönsten für mich war. Auch wenn Abschiede manchmal schwer im Magen liegen können, so ging ich mit viel Glück im Bauch und einem strahlenden Lächeln: Mit vielen schönen Erinnerungen, Wohlwollen und vor allem dem Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Ich bekam liebe Nachrichten, Memos, Feedback sowie Dank. Auch ein Anruf war dabei. Ich ging mit gefüllten Koffern und einer inneren Freude und Gewissheit, immer wieder an diesen Ort, zu diesen Menschen zurückkehren zu können und sie auch in anderen Kontexten mit offenen Armen zu empfangen. Ich ging mit den Erinnerungen, dass wir uns aus Respekt und Wertschätzung heraus unterstützen und stärken können, vor allem, wenn wir ehrlich sind und uns verletzlich zeigen. Ich ging mit einer Tasse, die ich von meinem Damenvorstand zum Krankenbesuch nach einem anderen Unfall bekam. Ich ging mit vielen Bittgebeten meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter, denen ich dasselbe und viel mehr von Herzen wünsche. Ich ging mit der Erkenntnis, dass wir nicht immer riesige Berge versetzen müssen, sondern es reicht, Herzen zu gewinnen und diese Verbindungen zu pflegen.

Oftmals sind es die kleinen Handgriffe, die ernsten Gespräche, die reibenden Momente, die langfristige Veränderungen bringen, innerlich und äußerlich. Denn am Ende des Tages arbeiten wir mit Menschen zusammen, ob haupt- oder ehrenamtlich. Wir Menschen brauchen einander, egal ob introvertiert, extroviert oder ambivertiert. Manchmal brauchen wir große Runden mit vielen Gedankenimpulsen und Willenskraft, um Dinge zu verändern. Manchmal brauchen wir einen uns wohlgesonnenen Menschen, der uns liebevoll in den Arm nimmt und tröstet, wenn wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.

Und manchmal braucht es einen Menschen, der an uns glaubt und uns motiviert, um die gefühlt nie endende Klausurphase endlich hinter uns zu bringen. Auch wenn der Schock und die Trauer groß waren, dass ich ging, so habe ich viele Menschen kennenlernen dürfen, deren Liebe, Respekt und Wertschätzung jede vermeintliche Trennung überdauern wird. Schließlich sind wir noch nicht aus der Welt und können uns in anderen Kontexten oder auch privat wiedersehen.

Deshalb mein Appell an alle, die auch darüber nachdenken, sich als Studentin oder Student in einer Hochschulgemeinde zu engagieren: Hin da. Ihr werdet eine der schönsten Zeiten eures Lebens haben. Ihr werdet gesehen, wertgeschätzt; ihr habt die Möglichkeit, eure Ideen und Vorschläge sowohl einzubringen als auch umzusetzen. Ihr werdet Menschen begegnen, die jeden noch so speziellen Humor vertragen und eure Wortneuschöpfungen nicht nur feiern, sondern auch selbst übernehmen: #geinfluenced. Doch vor allem werdet ihr eines erfahren: Ihr seid Teil einer Gemeinschaft, deren Herzensverbindungen und Kontakte jedes noch so leidenschaftliche Engagement überdauern können.

An dieser Stelle möchte ich mich vor allem bei der Öffentlichkeitsarbeit von Herzen bedanken: B. T. T. K.– ihr habt einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Ich durfte mit euch lachen, weinen, Neues ausprobieren, wachsen, große Schwester sein und vor allem gelassener werden. Ich durfte ich sein, meine Freude und auch meinen Unmut, Zweifel äußern, was mir dabei half, meine Ecken und Kanten selbst abzuschleifen. Geht mutig eure Wege, tragt eure Leidenschaft und Kampfgeist in die Welt, denn sie wird gebraucht! Möge Gott eure Bemühungen sowohl in eurem diesseitigen als auch in eurem jenseitigen Leben belohnen. Triple-Amin.