,

Neue Studie zum muslimischen Leben

Ausgabe 312

Debattenklima gesellschaft Deportationsszenarien
Foto: r.classen, Shutterstock

(iz). Vor wenigen Wochen wurde die Studie „Muslimisches Leben in Deutschland 2020 (MLD 2020)“ vorgestellt. Durchgeführt wurde sie vom Forschungszentrum ­Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ihr Auftraggeber war die Deutsche Islamkonferenz (DIK).

Erhoben wurden die Zahlen zwischen Juli 2019 und März 2020 – auf Basis von Standardfragen. Um der vorhandenen Diversität muslimischen Lebens in Deutschland gerecht zu werden, wurden Menschen ab 16 Jahren mit einem ­Migrationshintergrund aus der Türkei sowie 22 zusätzlichen Staaten aus dem Mittleren beziehungsweise Nahen ­Osten, Nordafrika und Südosteuropa dazu befragt. Befragt wurden mehr 4.500 Menschen aus muslimisch geprägten Herkunftsländern sowie 582 ohne Migrationshintergrund.

Ihren Autor*innen zufolge ging es bei MLD 2020 um drei zentrale Anliegen: die Anzahl „muslimischer Religionsangehöriger“ mit Migrationshintergrund aus 23 muslimischen Herkunftsländern zu berechnen. Darüber hinaus wollte man wissen, wie die Religiosität, Alltagspraxis sowie Aspekte von Integration und Zeitverläufen aussehen. Und sie wollten ihre Befunde einordnen, indem sie die Zahlen mit anderen Religionsangehörigen aus gleichen Herkunftsländern sowie mit anderen Menschen ohne Migrationshintergrund vergleichen.

Die Studie zeigt, dass derzeit 5,3-5,6 Millionen muslimische Religionsangehörige „mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland“ leben. Laut dem letzten Mikrozensus wohnten 2019 83,1 Millionen Einwohner*innen in Deutschland. Damit hätten Muslim*innen im gleichen Jahr einen Bevölkerungsanteil zwischen 6,4 und 6,7 Prozent gehabt. Demnach haben ihre Menge sowie ihr Prozentsatz im Vergleich zugenommen.

Auch wenn „eine deutliche Mehrheit“ dem sunnitischen Islam angehört, ist sie in ihrer Herkunft vielfältiger geworden. Zwar stellen türkischstämmige Mus­lim*innen mit ca. 45 Prozent noch den größten Einzelanteil, sie sind aber nicht mehr die absolute Mehrheit. 27 Prozent hätten demnach Hintergründe im Nahen Osten beziehungsweise in Nordafrika. 19 Prozent der in Deutschland lebenden Muslim*innen hätten Wurzeln in Osteuropa.

Und sie sind vergleichsweise jung. 21 Prozent von ihnen seien Kinder oder Jugendliche von 15 Jahren. „Weitere 22 Prozent sind zwischen 15 und 24 Jahre alt“, heißt es im Text. Der Anteil deutscher Staatsangehöriger unter ihnen hat mit 47 Prozent beinahe die Hälfte erreicht. Bei den unter 18-Jährigen sind es gar 68 Prozent. Von allen Gruppen haben Menschen mit Bezug zu Nordafrika überproportional häufig einen deutschen Pass.

Für die vielen nicht enden wollenden „Islamdebatten“ bietet die MLD-Studie 2020 mehrere Anknüpfungspunkte. So hat die Religionszugehörigkeit bei sozioökonomischen und bildungspolitischen Fragen keine große Auswirkung. Entscheidender werden diese durch die Umstände von Zuwanderung beeinflusst. Das gelte insbesondere „für selbst Zugewanderte“. Darüber hinaus stellt die ­Autor*innen fest, dass Religionszugehörigkeit bei „Personen mit Migrations­hintergrund aus muslimischen geprägten Herkunftsländern“ in Bezug auf die ­betrachteten Aspekte der Integration „keinen oder nur einen geringen Einfluss hat“. Interessant auch: Der behandelte Personenkreis der Studie fühle sich „stärker mit Deutschland verbunden“ als ­Personen ohne Migrationshintergrund. Bei ihnen sei „keine ethnische Abgrenzung feststellbar“.

Bedauerlich ist, dass in dieser Studie „vor allem zum Islam konvertierte Menschen“ (und ihre Nachkommen) nicht auftauchen. So bleibt, dass Muslimsein sich auch hier nur in der Sphäre von ­“Migration“ ereignet.