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Reiseblog Westbalkan: Unterwegs in Mostar

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IZ-Herausgeber Abu Bakr Rieger auf den Spuren von Evliya Çelebi: Die eigene Anschauung liefert einen geschärften Blick auf ein Mostar, das ein menschliches Maß bietet.

(iz). Vor einigen Jahrzehnten war ich das erste Mal in Mostar. Nicht weit von der alten Brücke besuchte ich mit meinen kulturell interessierten Eltern die Koshi Mehmet Pasha Moschee. Der freundliche Imam bot damals an, mich auf das Minarett mit hochzunehmen. Der Eindruck der von Bergen eingerahmten Stadt mit ihren Kirchen und Moscheen blieb mir in Erinnerung.

Heute sitze ich nach dem Nachmittagsgebet in der Herbstsonne und lese ein Reisetagebuch des österreichischen Schriftstellers Robert Michel. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war er als Soldat in der Stadt stationiert.

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Einfühlsam beschreibt er die alltäglichen Riten der Muslime, ihre Beerdigungen und Hochzeiten und das Treiben der Händler. Er schärft meinen Blick auf ein erstaunliches Phänomen: Jeder Moscheegarten in Mostar ist von einer bestimmten Baumart und dem Gesang unterschiedlicher Vögel geprägt. 

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Über die Hauptmoschee schreibt er zum Beispiel: „Als Gegenstück zu dem lichten Minarett erhebt sich an der anderen Seite der Kuppel eine dunkle Zypresse. So haben die meisten Moscheen einen oder mehrere Bäume, die mit ihrem lebendigen Bau ein holdes Widerspiel geben zu der steinernen Ruhe der grauen Minarette. Und in den Zweigen beherbergen diese Bäume jene Vögel, die sich dem Schutz des heiligen Ortes anvertrauen.“

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Robert Michel ist ein verstehender Beobachter der sichtbaren Seite des Islam. Es fällt auf, dass er kaum von direkten Begegnungen mit Muslimen berichtet. Wäre er dafür offen gewesen? Man weiß es nicht. 

Über der Stadt klingen wieder die Gebetsrufe. Ich schätzte nicht nur die kurze Distanz zur Moschee in der Nachbarschaft, sondern bewundere überhaupt das Maß, das die Gebäude selbst verkörpern. Wen das Schicksal in das Innere führt, findet dort eine dichte, friedliche Atmosphäre vor.