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Rohingya: Flüchtlingsdrama im Indischen Ozean

Foto: Anurup Titu, IPS News

Im Schatten der Flüchtlingswellen aus der Ukraine und aus Afrika spielt sich im Indischen Ozean ein weiteres Drama ab. Tausende Rohingya fliehen in kaum seetüchtigen Booten aus den Flüchtlingslagern in Bangladesch.

Bangkok (KNA). Ein undichtes Holzboot mit 184 Rohingya-Flüchtlingen an Bord hat in der ersten Januarwoche die Küste der indonesischen Provinz Aceh erreicht. Es wird nicht das letzte gewesen sein. Seit Herbst 2022 ist die Zahl der Rohingya-Bootsflüchtlinge sprunghaft gestiegen. Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen waren es 2022 schon mehr als 2.400. Mehr als 200 seien ums Leben gekommen. Die Boote seien nicht nur „unsicher und überfüllt“, sondern trieben oft auch tagelang hilflos auf See, weiß UN-Menschenrechtshochkommissar Volker Türk.

Ziel der Flüchtlinge sind Thailand, Malaysia oder Indonesien, aber auch Indien und Sri Lanka. Doch in kaum einem dieser Länder herrscht eine „Willkommenskultur“. Fehlanzeige auch bei Rettungsschiffen humanitärer Organisationen, wie es sie im Mittelmeer gibt.

Anfang Dezember strandeten rund 200 Rohingya-Flüchtlinge mit ihrem Boot an der Küste Thailands. Angaben der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR zufolge trieb das Boot tagelang mit einem Motorschaden auf See. Die Menschen an Bord seien ohne Nahrung und Wasser und stark dehydriert gewesen. Mehrere seien gestorben. Ebenfalls im Dezember wurde ein Flüchtlingsboot von einem vietnamesischen Schiff aufgegriffen – und die 184 Rohingya an Bord der Marine des Herkunfts- und Verfolgerlandes Myanmar übergeben. Anders verhielt sich die Marine von Sri Lanka, die Mitte Dezember 104 Flüchtlinge aus Seenot rettete und an Land brachte.

Malaysias Umgang mit Bootsflüchtlingen ist ambivalent. Mit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 lehnte das mehrheitlich muslimische Land die Aufnahme muslimischer Rohingya-Flüchtlinge ab. Malaysia habe sich geweigert, Rohingya von Bord zu lassen und die Boote zurück aufs Meer getrieben. „Jene, die es dennoch geschafft haben, wurden auf unbestimmte Zeit in Einwanderungsgefängnisse eingewiesen; und dem UNHCR wurde in den vergangenen zwei Jahren der Zugang zu diesen Zentren verweigert“, sagt Chris Lewa von der „Arakan Rohingya National Organisation“ der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Indonesien ist derzeit also das einzige Land in Südostasien, das Rohingya-Bootsflüchtlinge aufnimmt. „Die Rohingya werden zunächst in Aceh in Unterkünften untergebracht. Nachdem sie von den Behörden und dem UNHCR registriert wurden, werden sie auf andere Regionen und Städte verteilt“, sagt Atika Yuanita Paraswaty telefonisch aus Jakarta der KNA. Die Bevölkerung stehe den Flüchtlingen aber distanziert und skeptisch gegenüber, so die Leiterin der Flüchtlingsorganisation SUAKA.

Die katholische Wohlfahrtsorganisation Caritas Bangladesch warnt die Rohingya mit einer Aufklärungskampagne in den Lagern in Cox’s Bazar vor Menschenhändlerbanden, die teure, riskante und lebensgefährliche Fluchtmöglichkeiten per Boot nach Südostasien anbieten. Myanmar hatte 2017 mehr als 750.000 Rohingya gewaltsam nach Bangladesch vertrieben.

Durch Einschränkungen des Lebens in den Lagern macht Bangladesch deutlich, dass die Flüchtlinge nur geduldet sind. Die meisten leben in Hütten aus Bambus und Plastik, weil sie keine festen Unterkünfte bauen dürfen. Mehrere Feuersbrünste haben in jüngerer Vergangenheit Tausende Hütten zerstört; andere überstehen die Monsun-Regenfälle nicht. Jeder dritte der Flüchtlinge lebt laut der deutschen Caritas international, die in den Lagern humanitäre Hilfe unterstützt, unterhalb der Armutsgrenze.

Eine Lösung der Flüchtlingskrise ist nicht in Sicht. Eine Rückkehr der mehr als 750.000 Rohingya in ihre Heimat Rakhine, dem ehemaligen Arakan, ist aufgrund des Bürgerkriegs in Myanmar nicht möglich. Die Vereinigung von ASEAN-Parlamentariern für Menschenrechte warnt: „In dieser verzweifelten Lage begeben sich viele von ihnen auf der Suche nach einem besseren Leben in die Hände skrupelloser Menschenhändler – auf die extrem gefährliche Seereise.“

Ein Kommentar zu “Rohingya: Flüchtlingsdrama im Indischen Ozean

  1. Ich verstehe so etwas kaum – ohne überhaupt viel über irgendwelche Hintergründe zu wissen oder nur zu erahnen…
    Ohne besonders gute Kenntnisse zu haben, würde ich doch wagen die Geschichte der Auswanderung von Mekka nach Medina auch als Aufnahme und Integration einer verfolgten Glaubensgemeinschaft durch eine andere Gesellschaft zu verstehen. Wäre es wohl anmaßend anzumerken, dass die Sunnah nicht nur einstudierter Habitus und vermeintliche Disktinktionsbemühungen nach dem Vorbild eines Mannes und seiner Familie sein dürfte, sondern auch Menschenbilder (im übertragenen Sinne), die sich durch Hingabe einander gegenüber im Dienste an Allah so auszeichneten, dass der Prophet sich von ihnen beeindruckt zeigte?
    Sich selbst zu schützen erscheint mir mittlerweile eigentlich verständlich, auch da man Charaktereigenschaften Fremder manchmal nur schwer einschätzen kann…
    Als Jugendliche habe ich mal gelernt, im Zuge der Beschäftigung mit Zeugenaussagen Überlebender des Holocausts, dass es nicht immer unbedingt die besten Menschen waren, die am Ende überlebt haben… In wirklich islamischen Gesellschaften dürfte so etwas wie soziale Gleichgültigkeit doch gar nicht möglich sein?

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