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Ehrenamt: Tafeln verzeichnen Zuwachs an Helfern – und haben Nachwuchssorgen

tafel

Mehr Menschen schenken ihre Zeit den Tafeln: Bundesweit engagieren sich 75.000 Menschen, um in einer der 975 Tafeln Lebensmittel zu retten und damit Menschen zu helfen. Das sind 15.000 mehr als noch 2023.

(Tafel.de). Mit 94 Prozent arbeitet der überwältigende Anteil aller Tafel-Aktiven ehrenamtlich. Trotz des Zuwachses benötigen knapp ein Drittel aller Tafeln dringend mehr freiwillige Helferinnen sowie Helfer und geben fehlenden Nachwuchs im Ehrenamt als eine ihrer größten Herausforderungen an.

„Seit der Corona-Pandemie, dem Krieg in der Ukraine sowie der Inflation sind die Tafeln enorm belastet und unterstützen so viele Menschen wie nie zuvor mit Lebensmitteln, aber auch mit Zuspruch und Gemeinschaft. Wir arbeiten im Ausnahmezustand.

Das geht nur mit viel Kraft und durch eine unglaubliche Teamleistung. Zwei Millionen Stunden engagieren sich die Tafel-Aktiven jeden Monat, im Schnitt 22 Stunden pro Ehrenamtlichen. Das ist beeindruckend. Ich danke jeder Helferin und jedem Helfer für jede dieser Stunden“, sagt der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Andreas Steppuhn, anlässlich des Tages des Ehrenamtes am 5.12.2024. 

„Zwei Millionen Stunden gespendete Zeit jeden Monat sind mehr als ein Zeichen der Solidarität. Dieses Engagement ist ein systemrelevanter Einsatz für unsere Gesellschaft und Demokratie.“ Von der Politik fordert Steppuhn, bürgerschaftliches Engagement nicht nur mit Worten zu würdigen, sondern auch ganz konkret zu unterstützen und zu fördern.

Ausgabe von Gemüse in der Tafel Duisburg e.V. (Foto: Reiner Pfisterer | Tafel Deutschland e.V.).

„Der Staat sollte diese ungeheure Kraft der Zivilgesellschaft hebeln, um unser Land zu gestalten. Engagement muss weniger bürokratisch staatlich gefördert werden, sowohl auf der Ebene der gemeinnützigen Organisationen und ihrer Arbeit als auch für den Einzelnen. Kostenfreie ÖPNV-Tickets sollten selbstverständlich sein, aber auch eine Anrechnung von freiwilligem Engagement auf die Rentenpunkte wären ein sinnvoller Anreiz“, so Steppuhn.

Der Dachverband der Tafeln hat vor fast zehn Jahren seine eigene Tafel-Akademie gegründet, um die Helferinnen und Helfer gezielt mit Wissen und Erfahrungsaustausch zu stärken. „Die Anforderungen an ein Ehrenamt werden immer komplexer und reichen von Buchhaltung sowie Vereinsrecht über Fundraising, Lebensmittelhygiene, Konfliktmanagement und Digitalisierung,“ sagt Marco Koppe, Geschäftsführer der Tafel-Akademie gGmbH.

„Hinzu kommt, dass sich die Lebensrealität gerade der jüngeren Menschen verändert hat. Ein Studium im Ausland, das Praktikum in der anderen Stadt, Vereinbarkeit von Familie, Freunden und Job sowie digitaleres und ortsgebundeneres Arbeiten führen dazu, dass Menschen sich nicht mehr so langfristig und mit weniger Stunden an ein Ehrenamt oder einen Verein binden, sondern kurzfristig in einem Projekt helfen wollen. Dafür müssen wir Tafeln befähigen, ihre Angebote für Helferinnen und Helfer anzupassen und durch hauptamtliche Kräfte zu ergänzen, die die Engagierten koordinieren und supporten“, ergänzt Koppe mit Blick auf die Nachwuchssorgen vieler Tafeln.

Mehr Informationen zur Arbeit der Tafel-Akademie: www.tafel-akademie.de

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Land in der Krise – ein Jahresrückblick 2024

Jahresrückblick

2024 brachte für die Bundesrepublik und ihre Muslime kaum Fortschritte und neue Herausforderungen. Ein Jahresrückblick.

(iz). Deutschland befand sich 2024 in einer Mischung aus inneren und äußeren Krisen (gerne als „Polykrise“ bezeichnet). Das Bündel offener und schwer lösbarer Fragen reicht vom Rechtsruck, der Zunahme autoritärer Einstellungen, der Implosion der Ampel über die schwierige wirtschaftliche Lage bis hin zum vielfach kritisierten Umgang unserer Politik mit den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten.

Jahresrückblick 2024: Land in der Krise

Das löst in weiten Teilen der Bevölkerung Sorgen und Ängste aus. Eine aktuelle Studie hat im Oktober gezeigt, wovor sich die Deutschen im Jahr 2024 fürchten. Ohnmachtsgefühle angesichts der zahlreichen Krisen führten dazu, dass sich die Menschen stärker auf ihre persönlichen Belange konzentrierten, erklärte die Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki.

Von dieser Krisenlage und resultierenden Besorgnissen sind die rund fünf Mio. Muslime Deutschlands nicht ausgenommen. Zusätzlich zu allgemeinen Krisensymptomen betreffen uns einige Phänomene gezielt. Muslime gehören zu den Objekten von Vorurteilen und Rassismen, die sich vom rechten Rand bis hin ins linksliberale Lager finden. Erschüttert mussten muslimische bzw. arabischstämmige Bürger bereits zum Jahresende 2023 erkennen, mit welcher Ahnungs- und Gefühllosigkeit selbst Vertreter der Ampelkoalition auf ihre Betroffenheit bezüglich des Gazakrieges reagierten.

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Foto: Marco Urban, Deutscher Bundestag

Bundespolitik vernachlässigte Muslime

Ein Beispiel für den derzeitigen Umgang der Bundespolitik mit organisierten Muslimen zeigte sich an der CDU/CSU-Programmdebatte. Moniert wurde konkrete die geplante Formulierung „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Nach Kritik von außen heißt es nun: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

Wobei dieser Satz nicht definiert, wer dieser „Islam“ als handelndes Subjekt sein soll. Für den früheren ZMD-Vorsitzenden Mazyek stellte diese Programmdebatte der Union „eine selektive Vorgehensweise“ dar, die antimuslimische Ressentiments bediene.

Im Februar sprachen muslimische Aktivisten und Verbände von einem „Generalverdacht“ – und beklagten Angriffe auf Muslime und ihre Einrichtungen. Yasemin El-Menour von der Bertelsmann Stiftung sah in der Bundesrepublik eine Situation wie nach dem 11. September 2001. „Auch damals wurde Druck aufgebaut und von den Musliminnen und Muslimen in Deutschland gefordert, sich zu positionieren.“

„Von uns wird nicht nur erwartet, dass wir uns nach jedem Terrorakt distanzieren, sondern auch von Regierungen, Personen, Positionen, die als muslimisch motiviert gelesen werden“, beklagte IGMG-Generalsekretär Ali Mete. „Muslimen wird unterstellt, sie stünden solchen Taten nahe oder würden sie insgeheim begrüßen.“ Das unterfüttere Vorurteile.

Eines der konkreten „Opfer“ der gewandelten Verhältnisse war das zeitweise Verschwinden des UEM-Berichts „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz 2023“ von der Webseite des Bundesinnenministeriums (BMI). „Auf 400 Seiten hatten Saba-Nur Cheema und zahlreiche weitere Wissenschaftler in mehr als einem Dutzend Studien und Expertisen das Bild eines Deutschlands gezeichnet, in dem Muslime in nahezu allen Lebensbereichen diskriminiert werden. Zugleich bot der Bericht mit zahlreichen Handlungsempfehlungen eine Art Blaupause für die Gleichberechtigung der Muslime in Deutschland“, beschrieb Fabian Goldmann in unserer April-Ausgabe den umstrittenen Vorgang. Befeuert wurde die Debatte um den wichtigen UEM-Bericht im Vorfeld auch vom Unionspolitiker de Vries.

Die Religionspolitik war stellenweise konstruktiver

Konstruktiver als die abstrakten „Islamdebatten“ zeigte sich die Religionspolitik gegenüber muslimischen Gemeinschaften in Deutschland. So betonte die inzwischen aus dem Amt geschiedene rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Dreyer, bis 2024 Staatsverträge abschließen zu wollen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende auch das Ziel eines Vertrags mit vier islamischen Verbänden erreichen werden“, betone sie bei einem öffentlichen Fastenbrechen im März.

Das Düsseldorfer Schulministerium und das Zentrum für Islamische Theologie in Münster haben sich im Mai heftige Kritik von muslimischen Lehrkräften und Eltern zugezogen. Sie kritisierten zwei aus ihrer Sicht fehlerhafte Studien zur Ausbildung von Theologen und Religionslehrern sowie zum Religionsunterricht im bevölkerungsreichsten Bundesland. Aus diesem Grund riet der Verband muslimischer Lehrkräfte den Eltern von einer Teilnahme an der Befragung ab.

Im Sommer setzte die Hamburger Bürgerschaft die Zusammenarbeit mit den Dachverbänden in der Hansestadt fort. Eine Mehrheit – jenseits der dort muslim-kritisch agierenden Union – stimmte für die Verlängerung. Vorausgegangen war eine zweijährige Prüfung. In einer Pressemitteilung nach der Abstimmung erklärte die SCHURA Hamburg, dass damit „eine neue Ära des Austauschs und der Zusammenarbeit“ begonnen habe.

Dass CDU-Chef Friedrich Merz nicht nur poltern kann, bewies er im September bei einem Besuch des Osnabrücker Islamkollegs Deutschland. Die dortige Ausbildung von Imamen hält er für sinnvoll. „Der Weg ist richtig, dafür zu sorgen, dass die 5,5 Millionen in Deutschland lebenden Muslime eine Chance haben, auch in ihren Moscheen in deutscher Sprache von Imamen begleitet zu werden, die in Deutschland ausgebildet worden sind“, sagte er nach einer Besichtigung. Ende 2023 hatten BMI und die türkische Diyanet vereinbart, die Entsendung von Imamen aus der Türkei langfristig auslaufen zu lassen. Zusätzliche Verbände betonten, künftig auf eine Ausbildung vor Ort setzen zu wollen.

Wie schon seit geraumer Zeit erwartet wurde, hat das BMI im Juli das IZH sowie angeschlossene Organisationen verboten. Die von dem Verein bisher kontrollierte „Blaue Moschee“ wurde geschlossen und beschlagnahmt. Sie steht damit unter der Verwaltung des Bundes. Das Verbot könnte beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dagegen klagen.

Auf politischen Druck hin trat das IZH Monate zuvor aus der Schura Hamburg aus. Die größeren Moscheeverbände reagierten verhalten. „Es gehört zur Aufgabe eines demokratischen Staates, sich wehrhaft gegen jede Form des Extremismus zu erweisen“, zeigte der ZMD Verständnis für die staatliche Maßnahme. Zugleich betonte er, dem IZH stünden alle rechtsstaatlichen Mittel zu Verfügung, um dagegen vorzugehen.

Foto: OsamaK, via Wikimedia Commons | Lizenz: CC BY-SA 3.0

Ableger von Hizb ut-Tahrir sorgen für schlechte Laune

Deutschlands Muslime mussten auch 2024 die Erfahrung machen, dass das Agieren ideologischer Extremisten wie die Hizb ut-Tahrir oder terroristischer Einzeltäter in Mannheim oder Solingen bestehende Debatten beschleunigen und radikalisieren.

Im April und im Mai konnte „Muslim Interaktiv“, eines der Nachfolgernetzwerke, unter polizeilichen Auflagen mit dem Slogan „Kalifat ist die Lösung“ in der Hansestadt auf die Straße gehen. Derzeit gilt die Stadt neben Berlin oder dem Ruhrgebiet als eines der Epizentren in Deutschland.

Am 2. Mai hatten organisierte Muslime in Hamburg genug. Sie widersprachen den Ideologen. „Wir beobachten die Parolen, das Auftreten und die verunsichernden Auswirkungen dieser Demonstration mit Sorge. Wir lehnen jegliche antidemokratischen Vorstellungen ab und warnen vor der Gefahr, dass ein solches Vorgehen in einer systematischen Ablehnung demokratischer Prozesse endet. Hier zeigt sich, wie Religion für eine politische Ideologie mit einer emotionalisierten Rhetorik instrumentalisiert wird“, hieß es in einer Stellungnahme der Schura Hamburg.

Durch die Inszenierung als „Verteidiger des Islams“ werde „ein einfaches Freund-Feind Schema“ bedient, welches Spaltung und Entfremdung befördere. Dieses gefährliche Vorgehen stehe unserem Ansatz eines pluralistischen Miteinanders diametral gegenüber.

Marginale Gruppen wie diese bewegen sich nicht innerhalb, sondern außerhalb der Gemeinschaften und sind angewiesen auf die sozialen Medien und öffentliche Auftritte.

Einig ist man sich darin, dass Strukturen wie „Muslim Interaktiv“ ätzender werden. „Seit mehr als einem Jahr ist eine aggressive Grundhaltung zu sehen. Sei es bei der Flyer-Verteilung oder bei den Kundgebungen ist die Ansprache lauter, aggressiver und die Gebärden bedrohlicher. Vor den Moscheen werden die Menschen bedrängt und bei Wortgefechten werden auch mal die Regel der Adab fallen gelassen.“

Ein konkretes Ziel sind überall jene Aktiven, die Verantwortung in muslimischen Gemeinschaften und Vereinen übernehmen. „Es ist vorgekommen, dass Vertreter, Funktionäre von Gemeinden angesprochen, angegangen, bedrängt, beschuldigt und diffamiert werden.“

solingen messer

Foto: imago | Christoph Hardt

Die Frage nach der Messergewalt

Ein Sonderthema stellte 2024 die „Messerkriminalität“ dar. Sie wurde häufig in Verbindung mit Migranten und Muslimen gebracht. Hier fehlte es oft an einem differenzierten Umgang – sowohl bei denen, die Messergewalt rassistisch interpretieren, als auch bei jenen, die es verniedlichen. In der Kategorie „gefährliche und schwere Körperverletzungen“ stiegen sie um 9,7 % auf 8.951 Taten. Unter „Raubdelikten“ nahmen sie sogar um 16,6 % auf 4.893 Delikte zu.

Die Kriminalstatistik scheint einen Zusammenhang zwischen Delinquenz und Migration zu bestätigen. Tatverdächtige ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind mit 34,4 % in der Statistik deutlich überrepräsentiert. Ihr Anteil an der Bevölkerung liegt nur bei 15 %.

Studien zeigen: Ein wichtiger Grund dafür, dass Ausländer häufig in der Kriminalitätsstatistik auftauchen, ist nicht ihre Religion, Kultur oder Herkunft. Ausschlaggebend ist, dass sich die Kohorte anhand ihrer Demographie erkennbar vom hiesigen Durchschnitt unterscheidet.

So finden sich in der Gruppe vergleichsweise viele junge Männer – ein Charakteristikum, das deutschdeutsche Straftäter gleichfalls auszeichnet. „Bei Gewalttaten, die mit Messern begangen wurden, ist die mediale Verzerrung sogar noch größer. Bei ausländischen Tätern wird hier fast ausnahmslos die Herkunft genannt. Die Nationalität von deutschen Messertätern bleibt medial hingegen fast immer unerwähnt. Und das obwohl die meisten Täter nach wie vor Deutsche sind“, schrieb Fabian Goldmann bei uns zum Thema.

Muslimfeindlichkeit

Die CLAIM Allianz stellte am 24. Juni 2024 ihr Lagebild „antimuslimischer Rassismus“ in Berlin vor. (Foto: imago | Jürgen Heinrich)

Das Phänomen Muslimfeindlichkeit blieb auch 2024 einflussreich

Die Verschiebung politischer Diskurse und die innere Krisenhaftigkeit zeigte sich hinsichtlich von Muslimen am geringeren Interesse an Muslimfeindlichkeit. Dieses kündigte sich schon Ende 2023 an, als muslimische Vertreter ins BMI zitiert wurden und die Politik mit Generalvorwürfen und Distanzierungsforderungen operierte.

2024 haben die Mitte-Parteien von Union bis zu den Grünen hierbei auf eine abgeschwächte Kopie populistischer Stimmen gesetzt in der Hoffnung, ihnen das Wasser abzugraben. Dabei gehörten Muslime in diesem Jahr zu den Objekten von Hass und Ausgrenzung.

Im Juni veröffentlichte die CLAIM Allianz ihr Lagebild zur Islamfeindlichkeit in Deutschland. Verbale und körperliche Angriffe, Diskriminierung oder Sachbeschädigung: Durchschnittlich hätten sich ihr zufolge täglich mehr als fünf Vorfälle dieser Art ereignet. Antimuslimische Äußerungen im Internet fließen in die Lage nicht ein. Das Projekt wird bisher vom Bundesfamilienministerium finanziert.

Unterfüttert wurden diese Einschätzungen vom Politikwissenschaftler Kai Hafez. Muslimfeindlichkeit werde aus seiner Sicht zu wenig bekämpft. Die vier bis fünf Millionen Musliminnen und Muslime, die hierzulande lebten, würden „vom Innenministerium im Regen stehen gelassen“. Er warf Bundesinnenministerin Faeser vor, ihre Fürsorgepflicht für die hier lebenden Muslime zu vernachlässigen.

Hafez war Teil des aufgelösten Unabhängigen Experenrates Muslimfeindlichkeit. Er warnt vor den möglichen Folgen einer sich ausbreitenden Muslimfeindlichkeit. „Aus der Forschung wissen wir, dass Radikalisierung im Bereich des Islamismus viel mit Diskriminierungserfahrung zu tun hat.“

Die Zahl der Menschen, die bei islamfeindlichen Straftaten verletzt wurden, stieg an. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Petra Pau (Die Linke) im November hervor. Demnach zählten die Polizeibehörden in den ersten drei Quartalen dieses Jahres bundesweit 42 Verletzte durch Verbrechen, bei denen ein muslimfeindliches Motiv angenommen wird, darunter waren bisher vier Schwerverletzte.

Die Antwort der Regierung zeichne ein besorgniserregendes Bild, sagte sie. Zwar seien im dritten Vierteljahr dieses Jahres mit 117 Fällen weniger Taten gemeldet worden als im zweiten, als es 139 Straftaten waren. Doch sei eine zunehmende Brutalität der Angriffe zu erkennen.

Der hiesige Umgang mit Musliminnen und Muslimen beschäftigt längst auch internationale Menschenrechtsorganisationen und -institutionen. Anfang Mai veröffentlichte Human Rights Watch (HRW) eine diesbezügliche Stellungnahme. Sie war der Bundesregierung „Versagen“ im Umgang vor. „Die deutsche Regierung versagt beim Schutz von Muslimen und Menschen, die als Muslime wahrgenommen werden, vor Rassismus angesichts zunehmender Vorfälle von Hass und Diskriminierung“, hieß es.

Grund dafür ist die mangelnde Dokumentation der Fälle und fehlende institutionelle Hilfe für die Opfer. „Ohne ein klares Verständnis von antimuslimischem Hass und Diskriminierung in Deutschland und ohne aussagekräftige Daten über Vorfälle und die Arbeit in den Gemeinden wird eine Reaktion der deutschen Behörden wirkungslos bleiben.“

muslimischen partei

Foto: annastills, Freepik.com

Wohin ging die muslimische Stimme?

2024 änderte sich etwas in der politischen Verfassung der muslimischen Wahlberechtigten. Das erste Mal wurden in einer Nachwahlbefragung zur EU-Wahl nach ihrer Entscheidung gefragt. Entgegen vergangener Jahre, in denen die Parteien der bisherigen Regierungspolitik auf sie zählen konnten, deuten die Ergebnisse eine Verschiebung an.

Demnach kamen die neuen Formationen BSW und DAVA aus dem Stand auf jeweils 17 % der Stimmen. Gefolgt wurden sie mit 13 % für die Union. Die Ampelparteien sowie Linke lagen auf den Plätzen 3-5. FDP und AfD konnten beim muslimischen Votum kaum Zustimmung verzeichnen.

Eine Debatte, die in den USA geführt wird, die hier aussteht: Gibt es in politischer Hinsicht ein handelndes Subjekt? Entgegen einer undifferenzierten Berichterstattung haben „die Muslime“ in den USA nicht innerhalb eines identitären Blocks abgestimmt.

Die Vorstellung, Menschen wählten hauptsächlich wegen ihrer Identität oder Herkunft, übersieht den Faktor ihrer konkreten Interessen. Auch in der deutschen Community findet seit Längerem eine Ausdifferenzierung und Bildung verschiedener Milieus statt. Ob sich Muslime bei künftigen Abstimmungen wie der vorgezogenen Bundestagswahl analog zur EU-Wahl entscheiden werden, ist unklar.

Die Schwierigkeit, hier mehr als nur zu spekulieren, liegt in erheblichem Maße an einem Mangel an Zahlen (verglichen bspw. mit den USA), die der aktuelle Mikrozensus offenbart hat. Die Kategorie der Religionszugehörigkeit wird bisher bei politischen Bekenntnissen kaum oder nicht abgefragt. Muslime sind in statistischer Hinsicht noch eine Leerstelle.

In Sachen „organisierter Islam“ wäre vorrangig der Anfang März angekündigte (und später vollzogene) Rückzug Aiman Mazyeks von der ZMD-Führung zu nennen. Das Gremium, das nach eigenen Angaben ca. 300 Moscheegemeinschaften repräsentiert, wird jetzt von Abdassamad El Yazidi geführt. Mit Mazyek nahm der bisher präsenteste muslimische Kopf seinen Hut. Es sieht nicht so aus, als würde das System des alle sechs Monate rotierenden KRM-Sprechers hier etwas ändern.

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Deutsche Angst: Was die Leute 2024 fürchten

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Am 23. August 2024 tötete ein Mann in Solingen drei Menschen. Seither nimmt die Angst vor Terrorismus und die Sorge um die innere Sicherheit zu. Das decken auch zwei Studien […]

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Zwischen Bangen und Hoffen

bangen hoffen

Bangen und Hoffen: Die Bundesbürger sind mit multiplen Sorgen konfrontiert. Davon sind auch Muslime betroffen.

(iz). Den alten Chinesen wird der Fluch „mögest Du in interessanten Zeiten leben“ zugeschrieben. Umgekehrt ist das Zitat des Dichters und Dramatikers Bert Brecht belegt: „Glücklich das Land, dessen Geschichte sich langweilig liest“.

Es drückt die Vorstellung aus, dass ein Volk, dessen Geschichte „langweilig“ ist, in Frieden und Stabilität lebt. In solchen Zeiten gibt es keine Kriege und Krisen, die die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich ziehen.

Programmdebatte cdu pickel

Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Köhler / photothek

Bangen und Hoffen: Es wird „interessant“ in Deutschland

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass nicht nur wir Deutschen eine „interessante“ Phase der Geschichte erleben. Nicht zuletzt hat sich seit einigen Jahren der Begriff der „Polykrise“ in der Öffentlichkeit etabliert.

Die Krisenhaftigkeit unserer Zeit, die auch in den seit langem ungelösten Grundwidersprüchen unseres Lebensstils wie dem Raubbau an der Schöpfung begründet ist, löst bei den Deutschen Ängste und Sorgen aus.

Was unter der Regierung Merkel 16 Jahre lang an Krisenerscheinungen durch billige Energie aus Russland, Exporte nach China und daraus resultierenden relativen Wohlstand abgefedert wurde, bricht sich nun inmitten von Kriegen in Osteuropa und im Nahen Osten Bahn.

Die Folge sind vielfältige Ängste. Wie Studien zeigen (s. S. 15), sind die Deutschen verunsichert: Gewalt und Sicherheit, Migration, Armut, Inflation und Klimawandel – um nur einige zu nennen.

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AfD-Kovorsitzende und Fraktionschefin Weidel spricht vor Kameras. (Juergen Novak, Shutterstock)

Von den Ängsten profitieren nur Demagogen

Von diesen Ängsten profitieren – weltweit – die Bauernfänger und Demagogen. Sie haben nur selten funktionierende Lösungen für reale Probleme anzubieten, sondern setzen auch bei uns auf die Bewirtschaftung von Befürchtungen und schüren Ressentiments.

Die Erfolge der AfD bei den diesjährigen Wahlen zeigen, dass dieses Vorgehen, das etwa von Trump perfektioniert wurde, erfolgreich sein kann. Umfragen unter jungen Menschen, die allen Grund haben, sich Sorgen um ihre Zukunft zu machen, zeigen, wie wirkungsvoll dies ist.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass in Krisenzeiten vor allem Minderheiten mit Ressentiments und Ausgrenzungen konfrontiert werden, die durch vorhandene Ängste erzeugt werden. Davon sind auch die deutschen Muslime betroffen.

Wie die EU-Grundrechteagentur FRA dokumentiert, werden sie in der Bundesrepublik nach Österreich am stärksten diskriminiert. Für die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman, hat das inzwischen ein „alarmierendes Ausmaß“ erreicht. Die Bundesregierung müsse darauf reagieren. Dazu forderte sie Ende Oktober „umfassende Maßnahmen“.

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Kurzmeldungen Deutschland (Nr. 352): von Außenpolitik bis zu Anschlägen in Deutschland

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Die Kurzmeldungen aus Deutschland (Nr. 352) reichen von der deutschen Außenpolitik, über Diskriminierung in der Polizei bis zu den jüngsten Anschlägen. Israelische NGOs warnen vor Resolution TEL AVIV/BERLIN (IZ). 15 […]

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Zwei Zäsuren in Deutschland

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Zäsuren der politischen Landschaft in Deutschland: Die AfD und das BSW dominierten die Landtagswahlen im Osten. „Die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag (…) sorgen für weitere […]

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Hintergrund: Mythen und Fakten zu Messerangriffen in Deutschland

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Nehmen Messerangriffe in Deutschland zu? Werden diese vor allem von Ausländern begangen? Hat das etwas mit Migrationspolitik zu? Und wie akkurat berichten Medien über das Thema? Ein Faktencheck. (iz). Alle […]

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Muslimfeindlichkeit: Mahnung von HRW

hrw

Bis zum September 2023 war die Zahl antimuslimischer Vorkommen und Über- griffe höher als im gesamten Vorjahr. Nun hat Human Rights Watch kritisch den deutschen Umgang mit Muslimfeindlich- keit in den Blick genommen.

(IZ/HRW). Das Thema Muslimfeindlichkeit (bzw. antimuslimischer Rassismus) beschäftigt die Muslime in Deutschland seit vielen Jahren. Teile der Öffentlichkeit und gesellschaftliche Akteure haben die Relevanz des Themas erkannt.

Auch im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 7. Oktober und dem darauf folgenden Krieg ist es nicht aus der deutschen Realität verschwunden. Seitdem haben nicht nur antisemitische Übergriffe dramatisch zugenommen. Auch die Aggression gegen Muslime nahm zu.

Muslimfeindlichkeit: HRW wirft der Bundesregierung Versagen vor

Anfang Mai veröffentlichte die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) eine Stellungnahme, in der sie der Bundesregierung Versagen im Umgang mit dem Phänomen vorwirft. „Die deutsche Regierung versagt beim Schutz von Muslimen und Menschen, die als Muslime wahrgenommen werden, vor Rassismus angesichts zunehmender Vorfälle von Hass und Diskriminierung“, heißt es in dem Text. 

Grund dafür ist in den Augen der Menschenrechtler unter anderem die mangelnde Dokumentation der Fälle und die fehlende institutionelle Hilfe für die Opfer.

„Das Versagen der deutschen Regierung, Muslime vor Hass und Diskriminierung zu schützen, beginnt mit einem Mangel an Verständnis dafür, dass Muslime Rassismus und nicht nur religiös motivierte Feindseligkeit erfahren“, erklärte Almaz Teffera, Forscherin zu Rassismus in Europa bei Human Rights Watch.

„Ohne ein klares Verständnis von antimuslimischem Hass und Diskriminierung in Deutschland und ohne aussagekräftige Daten über Vorfälle und die Arbeit in den Gemeinden wird eine Reaktion der deutschen Behörden wirkungslos bleiben.“

Oktober 2023: Anstieg der Fälle durch Nahostkrieg

Bis Ende September 2023 zählte die vorläufige Regierungsstatistik 686 „antimuslimische“ Straftaten – mehr als die 610 für das gesamte Jahr 2022. Mitte Januar 2024 teilte das Innenministerium auf Anfrage von Human Rights Watch mit, dass es für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2023 bisher keine Daten vorlegen könne. 

Zivilgesellschaftliche Gruppen warnten vor einem Anstieg der Vorfälle, nachdem die Kampfhandlungen im Nahen Osten ausbrachen. Unterstrichen wurden diese Erkenntnisse durch die Bundesbeauftragte für Rassismus, Reem Alabali-Radovan. Am 30. November letzten Jahres drückte sie ihre Besorgnis über den Anstieg von Vorfällen auf EU-Ebene an.

Rima Hanano, Leiterin der Allianz gegen Islamophobie und Muslimfeindlichkeit (CLAIM), einem deutschen Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen, teilte Human Rights Watch mit, dass 2023 einen neuen erschreckenden Höchststand an antimuslimischen Vorfällen markiere.

Im November dokumentierte das Bündnis durchschnittlich drei Übergriffe pro Tag. In einem Fall wurde ein Mann, den man für einen Muslim hielt, beim Verlassen eines öffentlichen Busses als „Terrorist“ bezeichnet, angegriffen und wegen seiner Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert.

Unklarheiten über Kategorien und Zahlen

Während zivilgesellschaftliche Gruppen wie CLAIM Daten über solche Vorfälle sammeln, muss die Bundesregierung erst die Infrastruktur für eine landesweite Überwachung und Datenerhebung auf der Grundlage klarer Indikatoren entwickeln.

In einer schriftlichen Antwort auf eine HRW-Anfrage vom Dezember, in der nach der Reaktion der Regierung auf die Zunahme antimuslimischer und antisemitischer Hetze gefragt wurde, verwies das Innenministerium auf die Studie. Sie räumte vage ein, dass in der Kategorie muslimfeindlicher Verbrechen ein rassistischer Aspekt fehle.

„Eine Fokussierung auf Hass und Diffamierung, die Rassismus nicht einbezieht oder den intersektionalen Charakter solcher Feindseligkeiten nicht anerkennt, wird nicht in der Lage sein, das Gesamtbild zu erfassen oder wirksame politische Antworten zu geben“, meint die Menschenrechtsorganisation.

Im Jahr 2017 gab jeder Zehnte an, einen aktuellen antimuslimischen Vorfall gegen sie gemeldet zu haben. Diejenigen, die das nicht taten, hatten das Gefühl, dass „nichts passieren oder sich ändern würde, wenn sie ihn melden würden“. Von denjenigen, die einen Angriff meldeten, gaben 81 Prozent an, sie seien „etwas unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Polizei mit der Angelegenheit umgegangen ist“.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) betonte in ihrer 5. politischen Empfehlung zur Verhütung und Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus und Diskriminierung die Notwendigkeit unabhängiger Überwachungsstrukturen und eines soliden Kapazitätsaufbaus in den Behörden. Damit könne Muslimfeindlichkeit bekämpft und ihre Erfassung verbessert werden.

„Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung von Rassendiskriminierung verpflichtet die deutsche Regierung, seine muslimischen Gemeinschaften zu schützen. Bei der Überprüfung der Einhaltung des Übereinkommens durch Deutschland im Jahr 2023 erinnerte der Ausschuss, der die Einhaltung des Übereinkommens überwacht, Deutschland an seine Verpflichtung, alle rassistisch motivierten Vorfälle wirksam zu untersuchen, zu verfolgen und zu bestrafen“, berichtete HRW.

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2023: Amnesty zieht kritische Bilanz für Menschenrechte

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Mangelnder Schutz von Zivilisten und Frauen: Amnesty International sieht die Entwicklung der Menschenrechte in vielen Bereichen kritisch – auch in Deutschland. Berlin (KNA) 75 Jahre nach ihrer Erklärung stehen die […]

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Die DITIB verstärkt Imamausbildung in Deutschland

ditib

100 Imame pro Jahr will der größte Moscheeverband künftig in Deutschland ausbilden. Die Entsendung staatlicher Imame soll damit enden.

Köln (KNA, iz). Der türkisch-islamische Moscheeverband DITIB hat Einzelheiten zu der angestrebten Ausbildung aller seiner Imame in Deutschland bekanntgegeben. Wie der Bundesverband am Freitag in Köln mitteilte, sollen ab 2025 jährlich 75 Absolventen der islamischen Theologie aus der Türkei nach Deutschland kommen, um hier eine zweijährige deutschsprachige Ausbildung zum Religionsbeauftragten zu durchlaufen.

Die 75 Teilnehmer sollen sich demnach verpflichten, mindestens zehn Jahre in ihren Gemeinden tätig zu sein. Zusätzlich mit den Absolventen des 2020 gegründeten verbandseigenen Seminars in Dahlem bei Köln ergebe sich dann die mit dem Bundesinnenministerium Ende 2023 vereinbarte Zahl von insgesamt 100 in Deutschland ausgebildeten DITB-Imamen pro Jahr, hieß es bei der Pressekonferenz in der Kölner Verbandszentrale. „Damit werden wir den Bedarfen der Musliminnen und Muslime in unseren Gemeinden gerecht“, sagte Generalsekretär Eyüp Kalyon.

Das neue Modell soll die bisherige Entsendung von Imamen durch das türkische Religionsamt Diyanet schrittweise beenden. Seit Gründung des Verbands im Jahre 1984 entsendet die Regierungsbehörde in Ankara ihre Imame für vier bis fünf Jahre in die Moscheegemeinden in der Bundesrepublik.

Die Männer sind türkische Staatsbeamte, sprechen überwiegend kein Deutsch und sind mit dem Leben in Deutschland wenig vertraut. Dies sorgte hierzulande immer wieder für Kritik.

Nach mehrjährigen Verhandlungen bereits unter der Vorgängerregierung verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Mitte Dezember die neue Vereinbarung mit Diyanet und DITIB. Damals sprach sie von einem „wichtigen Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland“. Der Verband ist mit rund 850 Moscheegemeinden der größte Moscheeverband in Deutschland.

Wie Kalyon erläuterte, werden sich die jeweils 75 Imam-Anwärter aus der Türkei in ihrem ersten Jahr vor allem auf das Erlernen der deutschen Sprache bis Level C1 konzentrieren. Im zweiten Jahr gehe es dann um die eigentliche Moscheearbeit mit ihren religiösen Dienstleistungen.

Die DITIB trägt den Angaben zufolge die Kosten der Ausbildung mitsamt der Lebenshaltung in Deutschland und schätzt sie auf drei bis vier Millionen Euro pro Jahr. Bei Sprach- und Integrationskursen wolle man auch auf Mittel der Bundesregierung zurückgreifen.

Die jährlich 75 Absolventen aus der Türkei (als künftige Imame ausschließlich Männer) seien keine Staatsbeamte der Diyanet mehr und stünden folglich nicht unter türkischem Diensteid, betonte Kalyon. Allerdings sei noch offen, wie genau ihr Angestelltenverhältnis und ihre Bezahlung langfristig geregelt würden. Bisher werden Imame von der türkischen Religionsbehörde bezahlt.

Kalyon stellte in Aussicht, dass sein Verband bei seinem Ausbildungsangebot künftig auch verstärkt auf Absolventen der sieben deutschen Universitätsstandorte für islamische Theologie zurückgreifen könnte.

Man rechne aber derzeit nicht mit ausreichend Interessenten von dort und verlasse sich deshalb bis auf Weiteres auf die personellen Ressourcen in der Türkei. Dort werbe man bereits um Teilnehmer. Nach einem Auswahlverfahren im November soll Anfang 2025 der erste Ausbildungsgang beginnen.