
Künstliche Intelligenz, Sprache und Technologie stellen die Menschheit vor neue Herausforderungen. Aus islamischer Sicht stehen dabei Verantwortung, Maß und Wahrhaftigkeit im Mittelpunkt: Wie geht der Islam mit KI und neuer […]
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Künstliche Intelligenz, Sprache und Technologie stellen die Menschheit vor neue Herausforderungen. Aus islamischer Sicht stehen dabei Verantwortung, Maß und Wahrhaftigkeit im Mittelpunkt: Wie geht der Islam mit KI und neuer […]
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Traditionelle Werte und Technologie im Gleichgewicht halten, geht das? Eine islamische Perspektive. (The Muslim Vibe). Da wir in einem Zeitalter leben, das von rasanten technologischen Fortschritten geprägt ist, sehen wir […]
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(iz). Es ist spätabends in einem Hamburger Stadtteil. Wie in vielen Großstädten sitzen Jugendliche dicht gedrängt in stickigen Shisha-Cafés. Auf den Tischen stehen Energy Drinks, in den Händen Shisha-Schläuche, aus den Fernsehern werden vollaufgedrehte Musikvideos ausgestrahlt, die jegliche Unterhaltung unmöglich machen. Doch selbst wenn es leiser wäre: Es gäbe ohnehin wenig Gesprächsbedarf. Alle starren auf ihre Smartphones, die mittlerweile smarter sind, als die Jugend selbst. Von Abdelsamit Demir
Doch ich will weniger über die Cafés und das Rauchen an sich berichten als über die Jugend. Ich will darüber grübeln, weshalb soziale und religiöse Jugendzentren mit verschiedensten Beratungs- und Veranstaltungsangeboten inklusive professioneller Begleitung an Zugang abnehmen, während o.g. Locations jugendgewinnend sind.
Es gibt viele Ursachen für die geistige sowie soziale Abwesenheit, doch eines ist wohl sicher das Nichtvorhandensein von spirituellen und ethischen Vorbildern. Dazu kommt ein Kaleidoskop an weltlichen Entertainment-Konzepten.
Einen wichtigen Aspekt bilden dabei die sozialen Netzwerke, in denen jeder ein scheinbar hervorragendes Leben präsentiert. In jeder Ecke werden Posts und Snaps gemacht und auf verschiedenste Art posiert, immer darauf fokussiert, andere zu übertrumpfen, um besonders dazustehen und mehr Klicks und Likes zu erhalten. Ungesund und asozial ist der neue Hype.
Orte beispielsweise werden nicht nur ausgesucht, weil sie qualitativ gut, sondern eben angesagt sind. Seit Gründung und Verbreitung dieser sozialen Netzwerke wurde ebenso eine künstliche Parallelwelt geschaffen, in der jegliche moralische Normen und Regeln des freundlichen und friedvollen Miteinanders keine Rolle mehr spielen und diskriminierende, beleidigende Hasskommentare an der Tagesordnung stehen.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte man Beispielsweise Aussichten und Momente genossen. Heutzutage werden sie nur noch auf sozialen Medien festgehalten. Ohne Geschmack, Feinfühligkeit und Vision gleitet die Jugend aus den Fugen. Bücher schmücken nur noch die Regale und nicht mehr das menschliche Hirn.
Nicht ein grammatikalisch korrekter Satz ist zu hören, ganz abgesehen vom Schreibstil und den Emojis auf WhatsApp. Dinge bestellt man nicht mehr, weil sie gut schmecken, sondern abstrakt präsentiert werden. Neologismen und kulturelle Begriffe werden entwickelt, aufgeschnappt und dem Wortschatz hinzugefügt, ohne zu wissen, in welchen Kontexten sie eigentlich verwendet werden und wofür sie stehen. Abstrakte und dekadente Lebensweisen und Gewohnheiten werden als Lifestyles verkauft.
Doch kommen wir zum Kernproblem: Wir verzeichnen einen enormen Verlust an motivierten, moralischen, gebildeten und kosmopolitischen Vorbildern. Persönlichkeiten, die Jugendlichen Orientierung geben – durch Vorleben, nicht nur durch Worte.
Diese Lücke wird zunehmend von digitalen „Idolen“ gefüllt, die oft fragwürdige Botschaften vermitteln. In einem solchen Vakuum übernehmen Algorithmen, Likes und ominöse Influencer die Kontrolle, doch im echten Leben benötigen Junge Menschen reale Bezugspersonen, an denen sie sich orientieren können.
In der Sichtung der Plattformen sind verschiedenste, heterogene Akteure zu erkennen, die islamisches Content präsentieren. Und das Geschäft boomt. Sie agieren oft autodidaktisch, nutzen ihre medialen Kompetenz und durch ihre Sprachwelt wie z.B. einfaches deutsches Sprachniveau, Jugendjargon und wiederkehrende Floskeln sind sie für das junge Publikum nahbar und für den Algorithmus relevant.
Sie sind aus dem „islamistischen“ Milieu heraus entstanden, die frühzeitig das riesige Potenzial dieser Plattformen erkannt haben, weshalb ähnliche bis identische Inhalte bis heute erhalten geblieben sind.
Dazu gehören die genannte vereinfachte Sprache für die leichte Konsumierbarkeit, Schaffung von einer „Wir und die Anderen“-Rhetorik und Feindbilder sowie Emotionalisierung. Hatte man damals noch auf Youtube stundenlange Vorträge angeschaut, sind es heute nur noch Sekunden auf Tiktok und Instagram, in denen Entertainment, Trash sowie „Koran und Sunna“ aufeinandertreffen.
Klassische Jugendhäuser und Gemeinden wirken auf viele Jugendliche daher oft nicht mehr ansprechend. Was wir daher dringend brauchen, ist eine neue Generation von jungen, dynamischen, gut ausgebildeten und weltoffenen Vorbildern. Junge Menschen, die sichtbar attraktive und zeitgemäße Angebote anbieten und Verantwortung übernehmen.
Junge Imame, die digitale Räume mitgestalten, aber auch präsent sind in der Gemeinde. Junge Mediatoren, die die Jugendlichen mit all ihren Problemen, Fragen und Sehnsüchten ernst nehmen und ihnen neue Wege aufzeigen. Persönlichkeiten, die nicht nur über Werte sprechen, sondern sie leben – sichtbar in beiden Welten und so in der Lage sind, Brücken zu schlagen zwischen Tradition und Gegenwart, zwischen Spiritualität und Alltag, zwischen digitaler Präsenz und realen Begegnungen.
Denn die muslimische Jugend von heute lebt im Spannungsfeld zwischen Herkunft und Heimat, zwischen religiösem Anspruch und gesellschaftlicher Realität. Sie suchen krampfhaft nach Orientierung, nach Identität. Weil sie genau darin von Familie, Moschee und Gesellschaft allein gelassen werden, fliehen sie in die virtuelle Welt, in denen ihnen schnelle, einfache Antworten und klare Codes für das Leben erhalten.
Daher ist zu sagen, dass sie junge Vorbilder benötigt, die sie begleiten und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Die muslimische Jugend ist nicht verloren. Sie wartet sehr dringend auf Lotsen. Diese sollen keine perfekten Menschen sein. Es sollen Menschen sein mit Haltung, Herz, Kreativität und Substanz.
Seit über 20 Jahren gibt es in Deutschland Bemühungen, islamischen Religionsunterricht als ordentliches Schulfach gemäß Artikel 7, Absatz 3 des Grundgesetzes zu etablieren. (Islam.de/IZ). Dieser garantiert das Recht, bekenntnisorientierte Religionslehre […]
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Der Kontakt und das gute Verhältnis zur Nachbarschaft gehört zu den wichtigen sozialen Tugenden im Islam. „Jibril (der Engel Gabriel) hat mir so lange den Nachbarn ans Herz gelegt, bis […]
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(iz). Wenn wir Muslime über Vergangenes und Geschehenes, über Geschichten in Raum und Zeit reflektieren, dann um die Bedeutung und den Sinn von Geschichte zu erfassen. Bei unserem heutigen Thema ist es zunächst notwendig, nochmals einige historische Eckdaten aus dem Logbuch der Geschichte zu erfassen und auf uns wirken zu lassen. Leider zeigen diese Ereignisse der 90er Jahre, dies sei vorab gesagt, einige typische, sich wiederholende Merkmale der Moderne auf.
Genannt seien das Lager, das nach dem italienischen Philosophen Agamben zum „Nomos der Moderne“ gehört, und das Prinzip der Massenvergewaltigung, für den Philosophien Foucault der Ausdruck einer modernen Biopolitik.
Der Balkankrieg macht zudem wieder einmal deutlich, was es heißt, wenn sich Volksgruppen ausschließlich als „Ethnie“ definieren. Die Grundlage des Barbarischen, Antireligiösen ist damit bereits gelegt. „Der ethnisch definierte Mensch“, so schrieb die damalige Ombudsfrau für Bosnien, Gret Haller, „hat gar keine Autonomie als Mensch mehr und wird völlig auf seine ethnische Zugehörigkeit reduziert“. Recht verletzen und Recht haben verkommt zu einer ethnischen Frage.
Foto: The Advocacy Project, via flickr | Lizenz: CC BY-ND 2.0
1991: Letzte Volkszählung vor dem Krieg. Srebrenica: 73 Prozent der Einwohner bezeichnen sich als Muslime.
6.3.1992: Beginn der Kämpfe in Bosnien-Herzegowina.
August 1992: Erste Berichte über Gefangenenlager der Serben (Roy Gutman in „Newsday“).
Oktober 1992: Die Serben haben die Macht in ihren Siedlungsgebieten konsolidiert, diese territorial verbunden und „ethnische Säuberungen“ vorgenommen. Dazu haben sie das von den bosnischen Muslimen bewohnte Ostbosnien bis auf sechs Enklaven, darunter Srebrenica, erobert. Auch die Hauptstadt Sarajevo sowie Bihac in Westbosnien sind von Serben eingeschlossen.
6.5.1993: Alle belagerten bosnischen Enklaven – Srebrenica, Sarajevo, Tuzla, Zepa, Gorazde und Bihac – werden zu UN-Schutzzonen erklärt (Resolution 824).
10.6.1993: Die NATO übernimmt den Schutz der UNPROFOR aus der Luft, die Abstimmung über Einsätze erfolgt in einem komplizierten Zwei-Schlüssel-System mit der UNO. Die NATO-Flugzeuge sollten aber nie wirklich zum Schutz der Bosnier zum Einsatz kommen.
24.5.1995: Der französische General Bernard Janvier, Kommandeur der UNO-Truppen in Ex-Jugoslawien, schlägt dem Sicherheitsrat die Aufgabe der Schutzzonen vor. [General Janvier war einer der härtesten Gegner von möglichen NATO-Angriffen gegen serbische Landziele während der Eroberung Srebrenicas. Er ließ das schlecht vorbereitete „Dutchbat“ alleine.]
6.-11.7.1995: Serben erobern die Schutzzone Srebrenica trotz der Anwesenheit von 419 Blauhelm-Soldaten. Der Befehlshaber der bosnischen Serben, General Mladic, leitet die Aktion persönlich. Dreißig niederländische Blauhelm-Soldaten als Gefangene in der Gewalt der Serben.
10.7.1995, 19.00 Uhr: Das niederländische Bataillon „Dutchbat“ fordert Luftunterstützung an. General Janvier zögert, weist drei solcher Aufrufe ab. Flugzeuge erreichen Srebrenica, kehren aber wieder um.
11.7.1995: Erst um 14.30 Uhr greifen NATO-Flugzeuge serbische Panzer an.
Um 15.00 Uhr wird die Beendigung der Angriffe wegen der Gefahr von Geiselnahmen verlangt.
16.00 Uhr: Eroberung Srebrenicas.
20.30 Uhr: Treffen Karremans/Mladic [Berüchtigter Sektglas-Empfang]. Präsident Izetbegovic ruft die UNO vergeblich zur Rückeroberung auf. [Viele niederländische Soldaten haben sich niemals mit dem Ziel ihres Einsatzes identifiziert; Zitat: „This is not my war!“]
12.7.1995: „Dutchbat“ wird von den Serben praktisch entmachtet. Zehntausende Frauen und Kinder, die Schutz bei der UN-Basis Potocari gesucht haben, werden mit Bussen deportiert.
12.7. bis 18.7.1995: Ca. 8.300 muslimische Jungen und Männer werden von serbischen Militärs und Militärpolizisten der bosnischen Serben bei Srebrenica ermordet.
11.7.1995: Die niederländischen Blauhelme verlassen Srebrenica. [Es hat nach den Ereignissen keine wirklichen Worte des Bedauerns seitens der beteiligten „Dutchbat“-Offiziere oder Mannschaften gegeben. Der kommandierende Offizier Karremans wurde später befördert.]
Erst am 26.7.1995 stimmt der US-Senat für die Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina.
12.10.1995: Waffenstillstand in ganz Bosnien und Herzegowina, letzte Kämpfe am 21.10.1995.
14.12.1995: Das im November ausgehandelte Friedensabkommen von Dayton wird von den Präsidenten unterschrieben. Srebrenica wird, wie andere früher mehrheitlich muslimische Gebiete auch, Teil der „Republika Srpska“ der bosnischen Serben.
[Quellen: Unter unseren Augen, von Hajo Funke und Alexander Rhotert, Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1999; Srebrenica – Ein Prozess, Herausgegeben von Julija Bogoeva und Caroline Fetscher, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2002]
Soweit also zu den nüchternen historischen Fakten. Sie sprechen wie gesagt eigentlich schon für sich. Dennoch, was gehört aber noch zur weiteren Geschichte dieses Krieges und des stattgefundenen Genozids? Wenn wir heute gemeinsam dem Schicksal der unzähligen Opfer des Völkermords in Srebrenica gedenken, dann verrichten wir nicht nur eine notwendige gemeinsame Trauerarbeit, sondern wir tauchen auch in den besonderen Erfahrungshorizont europäischer Muslime ein.
Seit dem 11. September ist etwas in Vergessenheit geraten: Dass gerade im letzten Jahrhundert die Muslime in Europa nicht etwa Aggressoren, sondern immer wieder auch Opfer waren. Der Krieg auf dem Balkan und insbesondere die unvergesslichen Bilder aus Srebrenica sind und bleiben damit der natürliche Teil unserer gemeinsamen kollektiven Erinnerung.
Zur Verortung und zum Denken eines „europäischen Islam“ gehören zweifellos Städte wie Sarajevo und Cordoba, gehört der west-östliche Diwan Goethes, gehört das Denken Ibn Al-’Arabis und gehört Srebrenica gleichermaßen. Mit europäischen Muslimen meine ich, wenn ich dies ausdrücklich anmerken darf, diejenigen Muslime, die europäische Sprachen sprechen.
Ich würde gerne einige weitere Aspekte der geschichtlichen Deutung, aus europäischer und muslimischer Sicht, hier ansprechen. Zunächst ist festzustellen: Der Krieg auf dem Balkan war auch, aber nicht nur, ein ethnischer Konflikt zwischen verfeindeten Volksgruppen. Diesen Umstand versteht man besser, wenn man sich für einen Moment die Symbolsprache der Konflikte auf dem Balkan vergegenwärtigt.
Einen weltweiten Bekanntheitsgrad haben diese tragischen Ereignisse auf dem Balkan ja immer wieder durch das umkämpfte Amselfeld erlangt, auf welchem im Jahr 1389 die Osmanen das Heer der Serben geschlagen haben.
Dieser Ort, der sich im heutigen Kosovo befindet, wurde immer wieder zum Symbol für das serbische Nationalbewusstsein (und, wenn ich diese Anmerkung hier machen darf: jedes Nationalbewusstsein in Europa ist natürlicherweise in der Gefahr, in ein rassisches Bewusstsein umzuschlagen).
Für Milosevic war es ein Leichtes, an dieser Stelle, mit seiner weniger berühmten als berüchtigten Rede, die Balkankriege der 90er Jahre einzuleiten, indem er auf die damals genau sechs Jahrhunderte zurückliegende Schlacht bewusst Bezug nahm. Es ist dabei nicht überraschend, sondern vielmehr vielsagend, dass während des Krieges von der serbischen Propaganda den Bosniern gerade eine ethnische Identität nicht wirklich zugebilligt wurde.
Sie wurden, auf ihre islamische Identität anspielend, von der serbischen Propaganda immer wieder als „Türken“, also gerade nicht als Europäer, bezeichnet. So wurde verdeutlicht, dass man den Muslimen weder ein eigenes Territorium zubilligte, noch ihre Identität als europäische Volksgruppe überhaupt anerkennen wollte. Hieraus speist sich wohl auch der totalitär-unmenschliche Zug der Kriegsführung.
Es sind vor allem drei weitere Aspekte der Aufklärung und Würdigung der Ereignisse in Bosnien, die auch zehn Jahre nach Srebrenica aus meiner Sicht nicht in den Hintergrund geraten dürfen und nach weiterer Aufklärung verlangen. Diese Aspekte seien – natürlich in aller Kürze – hier genannt: Die Rolle der orthodoxen Kirche in Bosnien, die Rolle der Westmächte, von Srebrenica bis Dayton, und die Rolle der Täter-Opfer-Perspektive.
Schwere Vorwürfe gegen die Serbisch-orthodoxe Kirche hat zu Recht die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) nach der Veröffentlichung des so genannten Srebrenica-Videos erhoben. „Die Serbisch-orthodoxe Kirche hat die Ermordung und Vertreibung der bosnischen Muslime und damit die Auslöschung des 500 Jahre alten mitteleuropäischen Islam aus Bosnien bedingungslos unterstützt“, stellte der (damalige) Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, fest.
Zülch weiter: „Das Video belegt einmal mehr, wie unmittelbar diese Kirche in den Genozid an den bosnischen Muslimen verstrickt ist.“ In dem Video war zu sehen, wie der in Serbien populäre Abt Gavrilo aus dem Kloster des heiligen Erzengels in Privina Glava bei Sid im Nordwesten von Belgrad die serbischen Mörder von sechs muslimischen Zivilisten aus Srebrenica segnete.
Eine ähnliche Szene ist auf einem weltweit verbreiteten Foto der Agentur Reuters zu sehen, das wenige Tage nach der Erschießung von mindestens 7.800 bosnischen Männern und Knaben aus der ehemaligen UN-Schutzzone durch serbische Einheiten in Ostbosnien am 25. Juli 1995 aufgenommen wurde.
Auf dem Bild reicht Patriarch Pavle, der höchste Geistliche der serbisch-orthodoxen Kirche, den heute mit internationalem Haftbefehl gesuchten Hauptkriegsverbrechern Radovan Karadzic und Ratko Mladic in Sokolac bei Sarajevo geweihtes Brot. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Immer wieder diskutiert wurde die Rolle der NATO-Staaten in diesem Konflikt. Wir wissen heute, dass die UNO sowie die Militärführungen und Regierungen mehrerer NATO-Staaten mindestens vier Monate vor dem Fall der ostbosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 sehr konkrete Informationen über die Angriffsvorbereitungen und Eroberungspläne der bosnischen Serben hatten.
Doch Überlegungen im New Yorker UNO-Hauptquartier, den militärischen Schutz Srebrenicas zu verstärken, wurden nach einer Intervention der Clinton-Administration Anfang April 1995 gestoppt.
Diese neuen Erkenntnisse, die im Widerspruch zu dem im November 1999 vorgelegten Srebrenica-Untersuchungsbericht von UNO-Generalsekretär Kofi Annan stehen, erbrachten gemeinsame Recherchen der taz und des niederländischen Radiosenders VPRO.
Wir können hier nur noch einmal an die skandalöse Folgenlosigkeit der Untersuchungen der Akte Srebrenica erinnern. Dunkel bleibt die Rolle von Militärs und Politikern, sieht man einmal vom Rücktritt der niederländischen Regierung Kok am 16.4.2002 nach Veröffentlichung eines Reports über Srebrenica durch das Niederländische Institut für Kriegsdokumentation (NIOD) ab.
Bis heute verweigert sich Frankreich wirklichen Untersuchungen über die Rolle der französischen Politik und Militärs, so zum Beispiel über die dubiose Rolle des französischen Generals Janvier.
Es bleibt nach wie vor eine offene Frage, inwieweit das „humanitäre“ Engagement oder Nicht-Engagement, das Gewähren und Nichtgewähren von Hilfe, die Rolle von Embargos und so weiter auch von geopolitischen Gesichtspunkten und Zielvorstellungen geprägt war.
Foto: CIA, via Wikimedia Commons | Lizenz: gemeinfrei
Schon der Daytonvertrag an sich birgt – aus Sicht vieler Bosnier – das Problem, dass die Vertragsmodalitäten in Dayton den serbischen Despoten Milosevic als gleichrangigen Verhandlungspartner anerkennen.
Der Daytonvertrag hat sicher einige juristische Schwächen, die indirekte Akzeptanz Milosevics ist jedoch seine evidente moralische Schwäche und hat die Regierungszeit Milosevics wohl mit entscheidend verlängert.
Aber auch zehn Jahre nach dem Krieg gibt es weitere handfeste Zweifel an der gerechten Aufarbeitung der Tragödie. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat beispielsweise der NATO schwere Versäumnisse bei der Suche nach den als Kriegsverbrecher angeklagten bosnischen Serben Ratko Mladic und Radovan Karadzic vorgeworfen.
Zehn Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica befinden sich der einstige bosnisch-serbische Militärführer und der bosnisch-serbische Ex-Präsident noch immer auf freiem Fuß. Die Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, Holly Cartner, klagte: „Dass Karadzic ein Jahrzehnt nach Srebrenica noch immer frei herumläuft, ist ein schweres moralisches Versäumnis“. Laut Human Rights Watch gab es von Seiten der NATO-Friedenstruppen in den vergangenen zehn Jahren nur drei bestätigte Versuche, Karadzic zu verhaften.
Auch ein Weiteres möchte ich in diesem Zusammenhang anführen. Ich war vor drei Jahren Zeuge, als drei bosnische Generäle wegen Verletzung des Kriegsrechts in Den Haag angeklagt worden sind. In einigen Dutzend Fällen war es laut Anklageschrift in ihren Einheiten zu Lynchjustiz und Übergriffen gekommen.
Auf dieses Verfahren angesprochen, erklärte mir Alija Izetbegovic, man dürfe nicht vergessen, dass in dem untersuchten Zeitraum bis zu 110.000 Bosnier und Bosnierinnen ums Leben kamen. Dies spricht natürlich nicht gegen einen Prozess gegen die Generäle, wohl aber gegen das Vergessen der eigentlichen Verursachung des gesamten Krieges.
Sicher gehört es zu den moralischen Grundverpflichtungen der Bewertung dieses Krieges, Aggressor und Opfer immer wieder klar auseinanderzuhalten.
Meine verehrten Anwesenden, was bleibt nun also aus europäisch-muslimischer Sicht? Als wir Mitte der 90er Jahre in Weimar einige Veranstaltungen zum Thema Bosnien organisiert hatten, waren wir immer wieder über das fehlende Interesse der europäisch-bürgerlichen Eliten erstaunt.
Für mich war dies besonders unverständlich, da wir doch in der Schule gelernt hatten, dass eine Verfolgung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit sich in Europa keinesfalls wiederholen dürfe.
Jetzt aber wurde man am Fernsehschirm Zeuge von jahrelang andauernden Übergriffen, Säuberungen und Verfolgungen. Für mich ein Trauma. Srebrenica hat allerdings auch – wie man es beispielsweise an der Politik des deutschen Außenministers ablesen kann – zu einem Bewusstseinswandel geführt. Srebrenica, so heißt es, hat die Idee eines deutschen Pazifismus erledigt.
Zumindest auf, oder besser gesagt allerdings leider nur auf dem Balkan. Tatsächlich leisten ja auch heute noch Soldaten der Bundeswehr, vor einigen Jahren noch undenkbar, einen Beitrag zur labilen Sicherheitslage in der Region.
Foto: SorinVides, Shutterstock
Aber kommen wir zurück zu unserem eigentlichen Thema, den Menschen in Bosnien. Ich habe die positive Haltung der bosnischen Muslime nach den schrecklichen Kriegsereignissen immer bewundert. Die oft betonten Charaktereigenschaften eines angeblich „kriegerischen“ Islam treffen auf den Islam in Bosnien augenscheinlich nur wenig zu. Das ist eine wichtige Botschaft.
Es ist kein Zufall, dass Huntington bei seiner düsteren Vision des angeblich drohenden „Clash der Zivilisationen“ den bosnisch-europäischen Islam nicht erwähnt, oder besser nicht erwähnen kann. Die bosnisch-europäischen Muslime jedenfalls haben zu dem Konflikt der Kulturen – in jeder Hinsicht – herzlich wenig beigetragen.
Mehr noch, die Existenz der europäischen Muslime und die Existenz ihrer Kultur zeigt gerade, dass dieser angebliche Kulturkampf zwischen Europa und dem Islam eine Fata Morgana darstellt.
Eine andere Frage wäre es, ob auf dem Balkan ein neuer Konflikt droht, dessen mögliche Ursachen weniger kultureller als eher politisch-ökonomischer Natur sind. Der Balkan droht im sich abzeichnenden „Weltinnenraum des Kapitals“, so nennt Sloterdijk die neue globale Ordnung, zu einer vernachlässigten Außenzone zu werden.
Heute ist das Wort „Balkanisierung“ längst eine Art politisches Schimpfwort geworden. Es verwundert nicht, dass es keine wirkliche öffentliche Debatte über einen EU-Beitritt Bosniens gibt. Ich halte diesen Umstand, unabhängig vom Ergebnis, für zutiefst unlogisch.
Eine solche Debatte wäre aus den genannten Gründen für das geschichtliche Selbstverständnis Europas ungeheuer wichtig und als Debatte übrigens gerade für diejenigen schwer zu führen, die den Islam allein als eine fremde Religion von Ausländern definieren und ausgrenzen wollen.
Der Fall Bosniens zeigt, dass der Islam und Europa geschichtlich durchaus zusammengehören. Im Gegensatz zur Türkei dürfte auch die geografische Zugehörigkeit Bosniens zu Europa völlig außer Frage stehen.
Foto: Adev, Unsplash
Viele Geschichten, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, beginnen und enden in Sarajevo. Sarajevo ist eine europäische Stadt. Ein Blick auf die Stadt gehört zu den europäisch-geschichtlichen Erfahrungen.
Blickt man auf das Tal, so sieht man wie an einer Schnur geschichtliche Abläufe und ihre architektonischen Ausdrucksformen aneinander gereiht. Geschichte ist sozusagen in jeder Epoche zum Greifen nah. Osmanisch geprägter Islam, österreichisch-ungarische Kaiserzeit, säkulare Ideologien, bis hin zum Olympiastadion und seinen Massengräbern.
Eine meiner bewegendsten Begegnungen fand vor einigen Jahren mit dem mittlerweile verstorbenen Alija Izetbegovic statt. Der ehemalige Präsident war von seiner tragischen Geschichte schwer gezeichnet und berichtete über seine, eigentlich von ihm nie gewollte, politische Karriere.
Der Islam, so Izetbegovic, hatte ihn vor allem als eine ökonomische Lehre fasziniert, die die damals herrschende Lehre des Kommunismus zurückwies. Das Gespräch drehte sich dann schnell um die negativste der gegenwärtigen Möglichkeiten auf dem Balkan: einen neuen, sich wiederholenden Bürgerkrieg.
Dies wäre, wie wir gemeinsam feststellten, auch deswegen eine Tragödie, weil dies auch ein neuer Bürgerkrieg zwischen jungen Serben, Kroaten und Bosniaken wäre, jungen Leuten, die alle im Grunde nicht mehr so genau wissen würden, was der eigentliche „kulturelle“ Unterschied zwischen ihren Völkern und Nationen ist.
Schlussendlich: Ich habe, wie gesagt, die Zurückhaltung der bosnischen Muslime nach den schrecklichen Ereignissen immer bewundert. Auch dies gehört hierher: Ein Selbstmordattentat, ausgeführt durch einen bosnischen Muslim, ist, religiös und existenziell, Gott sei dank undenkbar. Eine Lehre oder ein Lehrer, die oder der solche Taten als „religiös“ verklärt, zum Glück auch.
Exemplarisch sei die folgende, zusammenfassende Antwort von Mufti Mustafa Ceric zur Rolle Bosniens im aktuellen Spannungsfeld Europa – Islam – Terrorismus genannt.
Ceric sagte in einem Interview mit der tageszeitung: „Man kann nur beschämt sein über das, was geschah, und dass man es zugelassen hat. Wenn wir in Bosnien jetzt in die terroristische Ecke gestellt werden, dann hat dies etwas mit dem schlechten Gewissen uns gegenüber in Europa zu tun. Dabei gab es hier in Bosnien nach dem Ende des Krieges keine Revanche gegenüber den Tätern, obwohl es viele Gründe dafür gegeben hätte. Wir haben uns zivilisiert benommen. Während des Krieges mussten wir jegliche Hilfe annehmen, weil Europa zögerte, uns gegenüber der Aggression zu verteidigen. Deshalb kamen so genannte Mudschaheddin ins Land, die solidarisch mit uns sein wollten. Das liegt also auch in der europäischen Verantwortung. Zudem muss man sich fragen, was der Wahhabismus eigentlich ist. Es gibt einen politischen und religiösen Wahhabismus; der politische wurde vom Westen kreiert, um das türkisch-osmanische Reich zu schlagen. Saudi-Arabien ist nach wie vor Verbündeter des Westens. Der ideologische Wahhabismus, die Theologie, ist uns bosnischen Muslimen fremd geblieben. Wir haben ein anderes Verständnis von Staat und Gesellschaft; die bosnischen Muslime werden sich darin nicht verändern, da können sie sicher sein.“
Man kann sich, verehrte Anwesende, zur Geschichte des letzten Jahrhunderts mit ihren verheerenden Kriegen, maßlosen Ideologien und menschenverachtenden Lagern letztlich nicht geistig indifferent verhalten. Am Schlimmsten wäre wohl, als Konsequenz dieser Ereignisse, eine fatalistische oder nihilistische Haltung.
Als Gläubiger, unabhängig von der Konfession, gehört die Akzeptanz des Schicksals, wie schwer es auch sein mag, zur geistigen Konstitution. Ein bosnischer Freund hat mir einmal nach einem Gespräch über dieses Thema gesagt: „Nach Srebrenica hört man entweder auf zu beten, oder man beginnt damit“. Wir haben dann gemeinsam das Abendgebet verrichtet und einen neuen Tag begonnen.
* gehalten am 2. Juli 2005.
(iz). Jedes Jahr ab Ende Juni findet das muslimische Fest statt, welches mehrere tausend Touristen ins kleine Dorf bringt. Es wurde nach dem Evlija (muslimischer Heiliger) beziehungsweise Alim (großer, islamischer Gelehrter) Ajvaz Dedo (tr. Ayvaz Dede) benannt. Von Sejfuddin Dizdarevic
Foto: Dr. Sara Kuehn
Dieser stammte ursprünglich aus Akhisar in der Türkei und reiste im 15. Jahrhundert nach Zentralbosnien.
In dieser Zeit herrschte in Prusac Wassermangel und Dürre, da der Zufluss zu einer Wasserquelle durch einen großen Felsen verbarrikadiert wurde. Mit der Ankunft von Ajvaz Dede erhofften sich die Einwohner eine Lösung beziehungsweise ein Wunder für die Wasserkrise.
Somit zog er sich zurück und betete 40 Tage und 40 Nächte lang auf der Spitze des Felsens, welcher sieben Kilometer vom Dorf entfernt war. Er bat Allah um die Spaltung des Felsens. In der vierzigsten Nacht träumte er davon, wie die Hörner von zwei kämpfenden Widdern zusammenprallten.
Durch das laute Geräusch des Zusammenpralls wachte Ajvaz Dede auf und sah, dass seine Gebete erhört wurden. Der Felsen wurde gespalten und die Quelle konnte wieder fließen. Die Dürre hatte ein Ende.
Foto: iqna.ir
Aufgrund der Barmherzigkeit (rahmet) Allahs konvertierten vor Ort viele Bosniaken zum Islam. Aus Dankbarkeit zu Ajvaz Dedo wurde die Quelle und das nahegelegene Umfeld Ajvatovica benannt.
Das Festival wurde 1990 vom früheren Präsidenten Alija Izetbegovic wieder ins Leben gerufen. Traditionell gab es grüne Flaggen in Ajvatovica für den Islam.
Die Leute kamen traditionell mit geschmückten Pferden, und sie schmückten die Pferde auch. Denn diese waren damals das Haupttransportmittel. (von Sejfuddin Disdarevic)
In der heutigen Zeit erfordert die Antwort auf die Frage „wer ist ein ‘Alim?“ mehr als nur eine oberflächliche Begriffsbestimmung. (Traversing Tradition). Derzeit wird der Term oft locker für Menschen […]
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In Deutschland wird der Muttertag traditionell am zweiten Sonntag im Mai gefeiert. Dr. Zeynep Sayilgan stellt Aspekte unserer Lehre über Maternität vor. (iz). In seiner heutigen Form wurde er erstmals […]
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(iz). Der Wallstein Verlag aus Göttingen gibt die Werke Wielands nach und nach neu heraus. Ahmet Aydin hat sich der Aufgabe angenommen, sie zu lesen und zu besprechen. Heute: „Idris: Ein heroisch-comisches Gedicht“.
Weimar war mehr als Goethe. In Weimar begegneten sich Ideen, Sprachen und Kulturen – lange bevor der Begriff „Weltliteratur“ geprägt wurde. Und Goethe war nicht der erste, der westöstliche Bücher schrieb. Schon vor ihm hat Christoph Martin Wieland mit Stoffen aus dem Osten experimentiert, persische Poesie nachgebildet und den literarischen Dialog zwischen Morgen- und Abendland gesucht.
Wieland war ein Grenzgänger. Als Übersetzer, Erzähler und Denker überschritt er sprachliche, kulturelle und religiöse Schranken. Er tat es mit Humor und dem Lächeln eines feinsinnigen Aufklärers. Das, was auch im 21. Jahrhundert auf Teile der Gesellschaft fremd wirkt, war ihm vertraut, das scheinbar Ferne war ihm nah.
Wieland hat verstanden, dass Aufklärung nicht Abschottung, sondern Öffnung bedeutet. Damit holte er auch jene Stimmen nach Deutschland und Europa, die lange als exotisch, irrational und minderwertig galten.
„Idris“ ist der Titel einer seiner Erzählungen in Versen. Der Name ist allen Muslimen unserer Gesellschaft vertraut. Ist Idris doch der Name eines Propheten, der im Koran erwähnt wird. In der Sure Maria (arab. Meryem), Vers 56-57 steht: „Und erinnere im Buch auch an Idris. Er war fürwahr ein Aufrichtiger, ein Prophet. Wir erhoben ihn auf eine hohe Stufe.“
Er ist gemäß Fahreddin ar-Razi (gest. 1209) derjenige Prophet, der den Menschen als erster das Lesen, Schreiben und Rechnen lehrte – quasi ein Prophet der Wissenschaft und Kunst! Im Christentum ist er bekannt als Henoch, der von Gott in den Himmel erhoben wurde. Auch das glauben Muslime.
Und bei Wieland? Er erhebt seinen Idris ebenfalls auf eine hohe Stufe. Bei ihm ist Idris ein Mann, der sich in eine Frau, Zenide, verliebt, doch um mit ihr zusammenzukommen, muss er auf dem Weg Gefahren überwinden.
Diese Gefahren sind so anzüglich, dass Wielands Werk bereits zu Lebzeiten in Göttingen vom „Göttinger Hain“ verbrannt wurde. Sie scheinen die Konfrontation mit der eigenen menschlichen Natur nicht ertragen zu haben. Denn während Idris nach Zenide sucht, ist nicht bloß Itifall sein Gegenspieler, sondern die Schwächen in sich selbst, die allzumenschlich sind, sind seine größeren, wahren Gegenspieler.
Zu versuchen, das Dunkle im eigenen Ich zu überwinden, ist die wohl bedeutendste Lebensaufgabe des Menschen. Dies zu tun ist möglich, wenn der eigene Charakter kultiviert wird. Dazu trägt zum Beispiel das Lesen von Wieland bei. Sagte die von vielen Muslimen als Mutter der Gläubigen bezeichnete Aischa (r) doch: „Lehrt eure Kinder die Poesie, damit ihre Zungen süßer werden.“ Die gesamte Erzählung von Wieland wurde in sich reimenden Versen geschrieben.
Die bloße Form wirkt bereits auf den Leser ein. Denn Poesie zu lesen ist ein Durchbrechen der Mauer der Alltäglichkeit. Die eigene Sprache wird beeinflusst und geformt. Während von Idris’ Abenteuern gelesen wird, wird dadurch zusätzlich die eigene Sprache geschult. Das alleine macht das Werk bereits zu einem Muss für jeden, der seine Kommunikationsskills und Kreativität anregen will. Bei Wieland klingt das wie folgt: „Ergetzen ist der Muse erste Pflicht, Doch spielend geben sie den besten Unterricht.“
Die Erzählung hat etwas Amüsantes, denn: Idris ist kein makelloser Ritter, sondern ein Mensch, dessen Idealismus oft an der Wirklichkeit scheitert. Er liebt Zenide, aber eher platonisch, nicht als lebendige Frau mit Widersprüchen. Dadurch wirkt seine Liebe leblos. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Zenide versteinert ist.
Wieland lehrt, dass Liebe mehr als bloß Idealismus ist. Denn wer nur seine Vorstellung von einer Frau liebt, der liebt in Wirklichkeit nicht die Frau. Solch eine Liebe ist die Liebe zu etwas Statischem, das sich nicht bewegt, d.h. einer Statue, einem Ding. Solche Menschen verdinglichen die Frau.
Sie scheinen zu leugnen, dass auch die Frau eine menschliche Natur besitzt, wie der Mann. Erst als Idris erkennt, dass er wen anders für Zenide gehalten hat und sich seine Täuschung eingesteht, wird die wirkliche Zenide lebendig. Jetzt kann er ganzheitlich lieben, nicht einseitig.
Das ist nicht nur Idris’ Herausforderung, sondern die Herausforderung aller, die sich in einen Menschen verlieben. Statt sich einem Idealbild hinzugeben, muss jeder lernen, seine Zenide um ihrer selbst willen zu lieben und sich auf sein Gegenüber zu fokussieren, statt sich nur mit sich selbst zu beschäftigen.
Reifung muss stattfinden. Darin steckt ein großes Learning: Die Kenntnis der menschlichen Natur samt Stärken und Schwächen ist die Bedingung dafür, wirklich zu lieben. Ohne diese Kenntnis ist es eine Liebe mit Makel: Wer nur das Makellose liebt, dessen Liebe ist makelhaft, wer das Makelhafte lieben kann, dessen Liebe ist makellos.
Während in der Vergangenheit Geschichten aus 1001 Nacht oder andere Dichtungen der muslimischen Geistesgeschichte als zu obszön angesehen wurden in Europa, ist es heute eher so, dass sich die muslimische Welt dahin entwickelt hat, schnell etwas als zu obszön anzusehen.
Während sich Oscar Wilde für seinen „Dorian Gray“ vor Gericht verantworten musste, schrieb zeitgleich ein Autor im Osmanischen Reich einen Roman über die Liebe zwischen Frauen im Hamam – aber wurde dafür nicht gerichtet. Es scheint tatsächlich etwas dran zu sein an der These, dass europäische Staaten im Zuge des Kolonialismus ihr Verständnis von literarischer Moral dagelassen haben.
Europa entwickelte sich weiter, in den Köpfen der Kolonialisierten blieb das ehemalige geistige Gefängnis, das in Europa die freie Kunst unterdrückte. Plötzlich begannen Muslime Körper und Seele – wie ehemalige Christen – dualistisch zu denken, statt sie traditionell muslimisch als Ganzes zu betrachten, ja, plötzlich galten die Dichtungen von Hafis, Ibn Arabi oder Rumi unter Muslimen als teilweise zu obszön.
Das würde ich als größtes Grauen bezeichnen, das der Kolonialismus in den Köpfen der Muslime hinterlassen hat – der Sinn für Ästhetik und die Freiheit des Ausdrucks haben sich verändert.
Auch in Wielands Zeit nahm die Gesellschaft Anstoß an obszön empfundenen Texten. Davon war nicht nur Wieland betroffen – auch an Goethes „Römische Elegien“, bspw., wurde Anstoß genommen. Und es ist die Darstellung der weiblichen Natur, über die sich insbesondere Männer stärker empören. In einer Zeit wie der unseren, in der mit wenigen Klicks wirklich Obszönes und Perverses angesehen werden kann, können Dichtungen kaum für Aufregung sorgen.
Die Figur des Itifall aus der Erzählung würde sich wohl über die Zeit heute sehr freuen. Es ist eine, in der das Ausleben aller sexuellen Phantasien als Fortschritt gilt. Geld für sexuelle Gefälligkeiten zu nehmen, wird OnlyFans genannt statt Prostitution. Die Realitäten haben andere Begriffe erhalten. Ob Aufklärer wie Wieland das als Fortschritt bezeichnen würden, bezweifle ich. Aber Wieland hat eben Texte geschrieben, die als zu obszön empfunden wurden – warum?
Es ist wirklich so, dass es Erstaunen erregt, wenn es aus der Feder eines deutschen Aufklärers wie Wieland kommt. Dazu trägt in dieser Ausgabe auch das Cover des Buches bei. Es ist nicht das, was in einer Buchhandlung in der Abteilung für klassische Literatur für gewöhnlich zu finden ist.
Es fällt auf – und was auffällt, fällt so leicht nicht weg. „Wie kann ein solches Cover einen Klassiker zieren?“ – Diese Frage ist der Grund dafür, dass ich hier nun diese Rezension schreiben kann. Dadurch stieg mein Interesse und ich wurde vertrauter mit dem seit jeher in Deutschland zu sehr vernachlässigten Klassiker.
Wieland ist ein Mann der Mitte. Wo Menschen zwanghaft prüde sind, provoziert er und wo sie zwanghaft pervers wären, würde er mäßigen. In seinem Werk finden sich alle Facetten des Menschen, weil er den Menschen ganzheitlich betrachtet und nicht einer Ideologie anhängt. Einer Ideologie anzuhängen setzt dem Menschen Scheuklappen auf. Er steht darüber. Sein Fokus ist der Mensch und seine Natur.
Deshalb überwindet Idris seine zu platonische Liebe und erkennt an, dass Körperlichkeit nicht Schwäche, sondern ein gesunder Teil der Liebe ist, ein schöner. Und doch machen ihn seine Irrtümer menschlich – und ermöglichen seine Entwicklung. Idris wird nicht durch bloß eine Lehre oder Theorie weise, sondern durch Erfahrung. Diese Haltung teilt er mit der islamischen Weisheitstradition.
Die Marifa – das tiefere, erfahrungsbasierte Wissen – wächst nicht im Kopf, sondern im Herzen, durch Begegnung mit der Welt. Wieland stellt seinen Protagonisten nicht als perfekten Helden dar, sondern als Lernenden. Das kann heute als Botschaft für alle Menschen, die Dogmen verfallen sind, gelesen werden: Es ist erlaubt zu zweifeln, zu irren, zu fragen. Der Weg zu Gott ist ein Prozess und kein statischer Zustand.
In diesem Sinne sagte der muslimische Theologe und Denker al-Ghazali (gest. 1111) in seinem Werk „Das Kriterium des Handelns“: „Der Zweifel führt zur Wahrheit. Wer also nicht zweifelt, denkt nicht nach, und wer nicht nachdenkt, sieht nicht, und wer nicht sieht, bleibt in Blindheit und Irrtum.“
Für Muslime in Deutschland ist Wieland ein kostbarer Fund: Er zeigt, dass der „Islam“ nicht nur Objekt europäischer Kritik war, sondern auch Quelle von Faszination, geistiger Nahrung und kultureller Inspiration. Wieland war ein Pionier der deutschen Aufklärung – doch anders als viele Menschen heute begegnet er dem „Orient“ nicht mit Überheblichkeit oder Distanz, sondern mit Neugier, Respekt und innerer Verbundenheit.
Zugleich bietet er eine Sprache an, in der man als Muslim nicht als Fremder erscheint, sondern als Teil einer geteilten Menschheit – eine Menschheit, die nach Weisheit, Liebe und Orientierung sucht. Idris ist ein besonders gelungenes Beispiel für diese Haltung: ein Text, der kulturelle Übersetzung nicht nur als ästhetisches Spiel betreibt, sondern als geistige Annäherung – ja als Liebesakt. Eine Liebe, die auf der Realität fußt.
Ideale auf Gedeih und Verderb umsetzen zu wollen, macht sie zu Götzen und versteinert sie. Nur wer die Natur des Menschen achtet und schätzt, kann zeitlose Ideale vom Kult befreien und sie lebendig machen. Das ist Weimar – und Weimar ist mehr als Goethe. Es ist auch Wieland!
Christoph Martin Wieland: Idris. Ein heroisch-comisches Gedicht. Hrsg. von Peter-Henning Haischer und Hans-Peter Nowitzki. Wallstein Verlag. 229 Seiten. Preis: EUR 34.-
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