Tripolis hat nicht reagiert

Ausgabe 291

Vor etwas weniger als zwei Monaten tötete und verletzte ein Luftangriff auf ein libysches Abschiebelager für Flüchtlinge unzählige Menschen. Viele von ihnen waren dort eingesperrt, weil sie der Instabilität flohen und ein besseres Leben in Europa wollten.

(IPS). Am 29. Juli kamen die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zusammen und drückten ihre Sorgen „über die Lage von Flüchtlingen und Migranten“ in Libyen aus. Man stehe kurz davor, so der peruanische Gesandte Meza-Cuadra vor Reportern, zu handeln. Vorher hörten die Diplomaten die Forderung des UN-Gesandten für Libyen, Ghassan Salame, der forderte, dass das Blutbad vom 2. Juli im Tajoura, einem Vorort der Hauptstadt Tripolis, die Verantwortlichen veranlassen müsse, solche Lager ein für alle Mal zu schließen.

„Es ist notwendig, dass sie geschlossen werden“, sagte Salame per Videoschaltung aus Libyen. „Ich rate dem Rat dringend, die libyschen Behörden aufzufordern, eine lang hinausgezögerte, aber dringend benötigte Entscheidung zu treffen, die Festgehaltenen in diesen Zentren freizulassen.“

Einen Monat nach dem Angriff auf Tajoura, bei dem 53 Inhaftierte getötet und mehr als 87 weitere verletzt wurden – hauptsächlich subsaharische Migranten, die ein besseres Leben in Europa suchten –, wurde wenig unternommen, um den inhaftierten Migranten im turbulenten Land zu helfen. Trotz einer Zusage der anerkannten Regierung in Ostlibyen zur Schließung von Tajoura, füllten Verantwortliche den ausgebombten Hangar einer Militärbasis mit rund 200 Migranten und Flüchtlingen nach dem Luftschlag, der Chaos und ein Blutbad im östlichen Tripolis anrichtete. Um die Lage noch schlimmer zu machen, wurden neue Gefangene – darunter Menschen, die auf einem Schiff waren, dass am 26. Juli kenterte – in Libyen inhaftiert. Bei der Havarie sollen bis zu 150 Menschen ertrunken sein.

In Lagern unter Kontrolle der Nationalen Einheitsregierung  (GNA), oder die mit ihr verbunden sind, sollen derzeit bis zu 5.000 Flüchtlinge einsitzen. Bis zu 3.800 sollen sie sich ganz oder teilweise im Kampfgebiet befeindeter Milizen befunden haben. Der libanesische Diplomat kritisierte auch die Europäische Union (EU) für die Finanzierung eines Programms, mit dem die libysche Küstenwache Migrantenboote auf See abfängt, bevor sie sie nach Libyen zurückgebracht und an Orten wie Tajoura festgehalten werden.

Der libanesische Diplomat kritisierte auch die Europäische Union (EU) für deren Finanzierung der gegenwärtigen Regelung. Dabei fängt die libysche Küstenwachen Boote von Migranten auf See ab, bevor diese nach Libyen gebracht und an Orten wie Tajoura interniert werden.

Ebenso kritisierten Amnesty International (ai), Human Rights Watch (HRW) sowie andere Aktivisten den Staatenbund für dessen Klage über die Misshandlung der Migranten, während er gleichzeitig ein Vorgehen stütze, dass zu solchen Missbräuchen führe. Amnesty hat die „absolut unmenschlichen“ Bedingungen in Libyens Migrantenarrest verurteilt, in denen Häftlinge „kaum Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser oder medizinischer Versorgung haben“ und „brutale Behandlung, Folter, Vergewaltigung – und sogar Verkauf“ erdulden. John Dalhuisen, regionaler Experte bei der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative, sagte, die EU habe sich an Missbräuchen beteiligt, indem sie es Flüchtlingen und Migranten erschwere, Libyen zu verlassen und das Mittelmeer zu überqueren. „Die EU hat eine Politik unterstützt, die im Wesentlichen einer Eindämmung gleichkommt. Sie hat die libysche Küstenwache investiert und geschult und ihre eigenen Rettungsdienste reduziert, um Migranten daran zu hindern, nach Europa zu gelangen“, sagte Dalhuisen gegenüber der Inter Press Agency (IPS).

Der Luftangriff, der Tajoura verwüstete, ereignete sich, nachdem der abtrünnige Militärkommandeur Haftar und seine selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) Anfang April eine Offensive zur Eroberung von Tripolis begangen. Die GNA macht die LNA für die Todesfälle verantwortlich. Elinor Raikes, Regionaldirektor des International Rescue Committee, einer in Libyen tätigen Hilfsgruppe, sagte, dass die Einschließung von Migranten nicht nur in Nordafrika ein Problem, sondern Teil eines globalen Phänomens gegen Einwanderer sei. „Willkürliche Inhaftierung ist keine gerechte Reaktion auf das Streben nach Sicherheit“, sagte Raikes. Sie bezeichnete das als „besorgniserregenden Trend“.