Verantwortlich ist das Wohlstandsgefälle

Ausgabe 297

FOTO: SBS Group

Das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos brachte Vertreter von Regierungen und Wirtschaft zusammen, um sich über die sich verschlechternde klimatische und ökologische Krise auszutauschen. Es begann in dem Moment, als die verheerenden Buschbrände in Australien nachließen. Jene Feuer, die bis zu einer Milliarde Säugetiere getötet und eine neue Welle von Klimaflüchtlingen ausgelöst haben.

Und doch – genauso, wie es bei den COP25 Klimagesprächen in Madrid war – fehlte auch in Davos im Wesentlichen ein Gefühl der Sorge, Anstrengung und des gemeinsamen Konsenses darüber, was als Nächstes zu tun sei. Eine wichtige Frage allerdings trat an die Oberfläche: Was oder wer ist für die Krise verantwortlich zu machen? Die bekannte Primatologin Dr. Jane Goodall merkte in Davos an, dass das menschliche Bevölkerungswachstum verantwortlich sei. Demnach würden die meisten ökolo­gischen Probleme nicht existieren, wenn unsere Zahlen auf dem gleichen Niveau wie vor 500 Jahren lägen. Heute wird ­geschätzt, dass die damalige Weltbevölkerung zwischen 420 und 500 Millionen Menschen lag (6,7 Milliarden weniger als heute).

Dergleichen könnte sich recht unschuldig anhören, wäre es nicht ein Argument, dass harsche Implikationen hat. Grund ist ein Missverständnis der zugrundeliegenden Ursachen der gegenwärtigen Krise. Während diese eskaliert, müssen die Menschen in der Lage sein, das ­Argument der Überbevölkerung herauszufordern und zurückzuweisen.

Die Vorstellung, es kämen einfach zu viele Menschen auf die Welt (die meisten in den sich entwickelnden Ländern, wo die Wachstumsraten bereits heute fallen), floss in die Argumente radikaler Umweltschützer wie „Earth First!“ ein. Bestimmte Fraktionen solcher Bewegungen wurden berüchtigt für Äußerungen, wonach der extreme Hunger in Regionen mit wachsenden Bevölkerungen wie in Afrika zwar bedauerlich sei, aber ökologisch begrüßenswert sei, da es zu einer Verringerung von Menschen komme.

In Wirklichkeit wächst die Zahl der Menschen global nicht exponentiell. ­Vielmehr hat sich das Wachstum verlangsamt, und soll sich um 2100 bei rund 11 Milliarden stabilisieren. Wichtiger jedoch ist doch, dass die Fokussierung auf ­Mengen die realen Ursachen unserer ­ökologischen Sorgen verschleiert. Dabei handelt es sich um die Abfälle und die Ungleichheiten, die vom zeitgenössischen Kapitalismus erzeugt werden; aber auch um seine Fixierung mit endlosem ­Wachstum und der Akkumulation von Profiten.

Die Industrielle Revolution, die erstmals Wirtschaftswachstum mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe vereinte, ereignete sich im 18. Jahrhundert in Großbritannien. Jene Explosion der wirtschaftlichen Aktivität markierte die Nachkriegsphase, die als „große Beschleunigung“ bekannt wurde. Sie verursachte einen Anstieg von Emissionen und fand überwiegend im globalen Norden statt. Aus diesem Grund tragen reiche Staaten wie die USA oder Großbritannien, die sich früher industrialisierten, eine größere Verantwortlichkeit für den historischen Schadstoffausstoß.

2018 waren die größten Verursacher des Planeten – Nordamerika und China – für beinahe die Hälfte der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Tatsächlich erzeugt die relativ hohe Verbrauchsrate fossiler Brennstoffe in jenen Regionen so viel mehr Kohlendioxid als ihre Gegenstücke in den armen Ländern. Drei Milliarden mehr Menschen in diesen Regionen würden kaum Einfluss auf den globalen CO2-Ausstoß nehmen.

Übersehen werden darf auch nicht der unverhältnismäßige Einfluss von Konzernen. Es wurde nahegelegt, dass nur 20 globale Energiekonzerne ein Drittel aller modernen CO2-Emissionen ausgestoßen haben. Dabei wissen die industriellen Führungskräfte von der Wissenschaft des Klimawandels mindestens seit 1977.

Ungleichheiten von Macht, Reichtum und Zugang zu Ressourcen – nicht bloße Zahlen – sind die Haupttriebkräfte der ökologischen Zerstörung. Der Verbrauch der reichsten 10 Prozent auf der Welt ­erzeugt 50 Prozent, der durch Konsum erzeugten CO2-Emissionen, während die arme Hälfte aller Menschen nur 10 ­Prozent erzeugt. Da nur 26 Milliardäre heute mehr Wohlstand, als die Hälfte der Welt kontrollieren, dürfte sich dieser Trend fortsetzen.

Die Fragen der ökologischen und ­sozialen Gerechtigkeit können nicht voneinander getrennt werden. Das Wachstum von Bevölkerungszahlen – häufig in ärmeren Regionen – zu kritisieren, riskiert den Anstieg rassistischer Vorurteile, anstatt die Mächtigen der Industrie anzuklagen, die weiterhin die Atmosphäre verschmutzen. Sich entwickelnde Regionen in Afrika, Asien und Lateinamerika tragen häufig die Hauptlast klimatischer und ökologischer Katastrophen, obwohl sie nur das Geringste zu ihnen beitragen.

Das Problem ist extreme Ungleichheit, der exzessive Verbrauch durch die Ultrareichen der Welt und ein System, das ­Gewinne über soziales und ökologisches Wohlergehen stellt. Ihm sollten wir ­unsere Aufmerksamkeit widmen.