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Wahlprogramme 2025 im Test: Die Sozialdemokratie mag Allgemeinplätze

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Foto: Jürgen Novak, Shutterstock

Bis zur Wahl 2025 behandeln wir in einer Reihe die Programme der größeren Parteien und was sie Muslimen zu sagen haben. Dieses Mal: die Sozialdemokraten.

(iz). Obwohl die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) als dezidiert linke und religionskritische Partei gegründet wurde, vertritt sie seit Jahrzehnten keine laizistischen Positionen mehr.

Die ersten christlichen oder kirchlichen Arbeitskreise entstanden in den 1970er Jahren in den Landesverbänden der SPD. Anfang 2014 folgte der Arbeitskreis der Muslime in der SPD. Damit wurde Neuland betreten, es war der erste seiner Art in einer deutschen Partei.

Doch in den letzten Jahren ist es still um ihn geworden. Weder in den anstehenden Islamdebatten, in der Migrationsfrage oder im Streit um die Bewertung des Nahostkonflikts hat sich das unter großem Medieninteresse gegründete Gremium besonders öffentlich zu Wort gemeldet. Ein Besuch der Website des Kreises dokumentiert keine aktuellen Veröffentlichungen.

SPD-Wahlprogramm: Was sind die religionspolitischen Prämissen der Sozialdemokraten?

Auch wenn sich viele Kirchen heute den politischen Grundforderungen der SPD angenähert haben, spielt das Themenfeld Religionspolitik – anders als bei Union, Bündnisgrünen oder Linken – eine deutlich geringere Rolle.

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Während die beiden großen Kirchen an einigen Stellen Erwähnung finden, taucht das Thema „Islam“ und „Muslime“ seltener als bei der Union in einer konstruktiven Beziehung auf. Ähnlich wie beim BSW erscheint der Begriff „Islam“ häufiger im Zusammenhang mit Extremismus und Gefahr auf.

Ungeachtet der von der SPD mitverantworteten Radikalisierung des Migrationsdiskurses und ihrer eindeutigen Positionierung im Nahostkrieg hat die Partei nach den Daten des DeZIM im Vergleich zu den anderen Parteien die höchsten Zustimmungswerte bei Wählern mit Migrationshintergrund.

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Foto: Gert Harder, Shutterstock

Trotz demografischer Verschiebungen in den Wählermilieus profitiert sie weiterhin vom Image als „Malocherpartei“. Punktuelle Befragungen lassen den Schluss zu, dass in Teilen dieses Milieus Entfremdungs- und Abgrenzungsprozesse als Folge des Umgangs mit dem Nahostkonflikt stattfinden.

Die Haltung der SPD zu Deutschlands Muslimen

Die geringe Aufmerksamkeit für die muslimische Bevölkerung setzt sich in der konkreten politischen Praxis fort. Obwohl sich die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm gegen Muslimfeindlichkeit (im Kontext von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“) aussprechen, findet sich bei der SPD überwiegend ein negatives Framing – etwa im Begriff „Islamismus“.

Die Partei verspricht ihren Wählerinnen und Wählern, den „Islamismus“ „mit aller Kraft und aller Härte“ zu bekämpfen. In ihrem Wahlprogramm finden sich kaum Aussagen zum Islam und zu seinen Gemeinschaften. Es gibt wenig Pläne zu ihrer Förderung und zur Anerkennung ihrer Anliegen. Muslimische Wähler scheinen – so zumindest der Eindruck – trotz ihrer nach wie vor relativ hohen „Treue“ zur Sozialdemokratie eher ein Randthema zu sein.

Foto: Freepik.com

Praktische Fragen

Wie bereits erwähnt, werden die meisten praktischen Fragen des muslimischen Alltags auf Landes- oder Kommunalebene behandelt. Dennoch fällt auf, dass sich in den Wahlprogrammen – abgesehen von Allgemeinplätzen – keine konkrete Politik findet.

Was tun bei Muslimfeindlichkeit?

Am 5. Februar veröffentlichte das Bündnis CLAIM (Bündnis gegen Muslimfeindlichkeit und Antidiskriminierung) eine Aufstellung der Positionen der jeweiligen Parteien (ohne AfD, DAVA und Mera25).

Hier kommen die Sozialdemokraten immerhin auf 4 von 6 genannten Punkten – im Gegensatz zu Union, AfD und FDP, die keinem einzigen Punkt zustimmen.

Die SPD bekennt sich gegen antimuslimischen Rassismus bzw. Muslimfeindlichkeit. Sie unterstützt nachhaltig die Arbeit von Antirassismusbeauftragten und setzt sich für eine Verbesserung des Antidiskriminierungsgesetzes ein. Sie setzt sich auch für das Demokratiefördergesetz ein.

Integration und Zuwanderung

Es gehört zu den Ärgernissen unserer „Islamdebatte(n)“, dass religiöse Lebenspraxis einerseits und die Themen „Integration“ und „Migration“ andererseits wenn nicht als Synonyme, so doch als miteinander verbunden verstanden werden. Das bedeutet, dass sowohl integrations- als auch migrationspolitische Fragen in den Blick genommen werden müssen, da Muslime hier unausgesprochen mitgemeint sind.

In diesem Themenblock fällt den Sozialdemokraten deutlich mehr ein als ihren christdemokratischen Konkurrenten. Die SPD betont die Notwendigkeit einer geordneten Migrationspolitik, die Humanität und Ordnung verbindet. Dabei ist auch sie von dem erkennbaren Rechtsruck in der Behandlung des Themas betroffen.

So will die Partei im Hinblick auf begrenzende Maßnahmen unter anderem folgende Punkte: Begrenzung der irregulären Migration durch temporäre Kontrollen an den Binnengrenzen. Beschleunigung der Asylverfahren auf maximal sechs Monate. Erleichterung von Abschiebungen, insbesondere von Straftätern. Abschluss von Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten. Verstärkter Schutz der EU-Außengrenzen, aber Ablehnung von Zurückweisungen.

Zur Integration von Migranten und Muslimen plant die SPD u.a. den Ausbau der Integrationskurse zur Unterstützung der Fachkräfteeinwanderung, die Ermöglichung des Spurwechsels in die Fachkräfteeinwanderung für gut integrierte Flüchtlinge ohne Schutzstatus, die Beibehaltung des subsidiären Schutzes sowie des Familiennachzugs, die Gleichverteilung von Bildungschancen sowie die Schaffung von ständigen Antirassismusbeauftragten.

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Foto: Anas-Mohammed, Shutterstock

Krieg und Frieden im Nahen Osten

Wie relevant der Nahostkonflikt und insbesondere die Haltung der großen Parteien in der Bundesrepublik für muslimische Wählerinnen und Wähler ist, zeigte die Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen am Tag der Europawahl. Erstmals wurde dabei auch nach der Religionszugehörigkeit gefragt.

Im April rutschte die SPD – bei der Bundestagswahl 2021 noch stärkste Kraft – in der muslimischen Wählergunst auf Platz vier ab, hinter BSW, DAVA und Union. Wie viel davon auf den Niedergang der Ampel und wie viel auf den Krieg gegen Gaza zurückzuführen ist, bleibt unklar. Hinzu kommt, dass Innenministerin Faeser kaum den Dialog mit Muslimen sucht und das Thema Muslimfeindlichkeit im Herbst 2023 von der Tagesordnung der DIK genommen hat.

Die SPD verurteilt den Terror der Hamas vom 7. Oktober auf das Schärfste. Und bekräftigte, dass das Existenzrecht und die Sicherheit Israels Teil der von Merkel formulierten „Staatsräson“ seien.

Sie betonte aber auch die Notwendigkeit eines neuen Anlaufs zu einer Zweistaatenlösung, forderte aber im Gegensatz zu anderen europäischen Kollegen in Norwegen, Irland oder Spanien nicht die Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit. Für eine solche Lösung müsse die Autonomiebehörde reformiert werden, die nach Ansicht der SPD die Zivilverwaltung in Gaza übernehmen sollte. Die Partei lehnt einseitige Initiativen zur Anerkennung einer palästinensischen Staatlichkeit ab und setzt stattdessen auf Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien.

Die Frage nach ihrer Haltung zu Waffenlieferungen an Tel Aviv finden sich in ihrem Wahlprogramm keine spezifischen Passagen. Vorher getätigte Aussagen sowie die Praxis der gescheiterten Ampel zeigen, dass sie solche im Prinzip unterstützt.

Die Partei fordert einen Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus Israels in den palästinensischen Gebieten sowie der Annexionspläne im Westjordanland und im Gazastreifen. Langfristiges Ziel bleibe die friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten im Rahmen einer Verhandlungslösung. Auch Israel müsse sich an das Völkerrecht halten.

Über den völkerrechtlichen Umgang mit der gegenwärtigen israelischen Regierung sind die Sozialdemokraten geteilter Meinung. Der SPD-Abgeordnete Roth bspw. hält den Haftbefehl gegen Netanyahu für falsch. Allerdings sei Deutschland zu seiner Verhaftung verpflichtet, sollte dieser deutschen Boden betreten.

Von der SPD Berlin wiederum kamen abweichende Töne. Sie forderte in einem Antrag, die Bundesregierung solle in Zukunft die Zuständigkeit von IGH und IStGH bei Fällen bzgl. der palästinensischen Gebiete nicht mehr anfechten. Gleichzeitig solle das Assoziationsabkommen zwischen EU und Israel eingefroren werden – bis zur vollständigen Umsetzung der Forderungen des IGH-Gutachtens und etwaiger Haftbefehle des IStGH gegen israelische Staatsbürger.

Diese Positionen zeigen eine Spannung zwischen der Unterstützung für Israel und dem Bestreben, internationales Recht zu respektieren und umzusetzen.

Hier geht’s zum SPD-Wahlprogramm: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD_Programm_bf.pdf