Will die Bundesrepublik einen Umbau Syriens zu einer „liberalen Marktwirtschaft“ betreiben?

Ausgabe 201

(GFP.com). Vor Kurzem hat unter deutschem Vorsitz eine multinationale „Working Group“ die Arbeit aufgenommen; sie soll unmittel­bar nach einem Sturz des Assad-Regimes ökonomische Sofortmaßnahmen in die Wege leiten, darunter die Koordinierung von Hilfsprojekten, aber auch die Durchführung von Wirtschaftsreformen. Gemeinsam mit den Arabischen Emiraten richtete die Bundesregierung ein Sekretariat ein.

Die Privatisierung der syrischen Wirtschaft hatte Deutschland schon in Koo­pe­ration mit dem Assad-Regime geför­dert; die beginnende Liberalisierung trieb Teile der Bevölkerung in den Bankrott, was zum Aufstand gegen das Regime beitrug. Erste Entwürfe für eine neue syrische Wirtschaftsordnung mittlerweile vor. Verfasser ist ein Aktivist des Syrischen Nationalrates (SNC), der von vielen Oppositionellen scharf kritisiert wird. Führende SNC-Positionen halten Exilpolitiker aus Washington, die eine Intervention verlangen und als Vorbild für die syrische Opposition die kossovarische UCK benennen. Wie der deutsche Diplomat Clemens von Goetze erklärte, der gemeinsam mit einem Kollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die Zusammenkunft Ende leitete, geht es der Arbeitsgruppe nicht nur um unmittelbare Nothilfe für ein Syrien nach dem Sturz des Regimes. Vielmehr sei jetzt „eine gute Zeit, um eine langfristige Perspektive für das Land zu öffnen“.

Wie ein Teilnehmer der letztmaligen Zusammenkunft bestätigte, geht es bei den Maßnahmen, die nun unter deutscher Führung auf den Weg gebracht werden sollen, allerdings auch um kurzfristige Ziele. So sollen Wirtschaftsprojekte diejenigen Kräfte in Syrien ­anziehen, „die sich an der Revolte noch nicht in vollem Umfang beteiligen oder noch zögern, sie zu unterstützen“. ­Damit bilden sie eine Art Gegenstück zu den Wirtschaftssanktionen, die – ­allerdings nicht per Anreiz, sondern durch Druck – ebenfalls regimetreue Unternehmer zum Überlaufen ­bewegen sollen.

Die Entstaatlichung der syrischen Wirtschaft, die der „Working Group“ obliegt, wurde von Berlin schon vor ­Jahren gefördert – lange Zeit in enger Kooperation mit dem Assad-Regime. Die deutsche Entwicklungsorganisation GTZ (heute: GIZ) startete im Jahr 2006 eigens ein Programm mit dem ­Titel „Unterstützung der syrischen Wirtschaftsreform“.

„Durch die erwarteten Einkommens- und Beschäftigungseffekte“ werde die Reform „die Lebenssituation der syrischen Bevölkerung“ verbessern, hieß es weiter – eine Ankündigung, die schlicht nicht eintraf. Ganz im Gegenteil: Die Öffnung des syrischen Marktes habe höchst „schädliche Auswirkungen“ auf das einheimische Handwerk, bestätigte letztes Jahr die International Crisis Group.