
Am 6. Mai soll der neue Bundeskanzler gewählt werden. IGMG-Generalsekretär Ali Mete meint, es sei noch zu früh für ein abschließendes Urteil über den Umgang der neuen Koalition mit Deutschlands Muslimen.
(iz). Als am 9. April die Koalitionsvereinbarung bekannt wurde, reagierten verschiedene gesellschaftliche Interessengruppen mit Kritik an den Plänen der angestrebten Regierung. Verschiedene muslimische Stimmen bemängelten die mangelnde Erwähnung der 5 Mio. Muslime in der Bundesrepublik und das Framing ihrer Religion im negativen Kontext.
Wir befragten IGMG-Generalsekretär Ali Mete zu seiner ersten Einschätzung des Vertrags und was er künftig für Muslime bedeuten könnte.
Neue Koalition: Wie sieht die zukünftige Politik aus?
Islamische Zeitung: In der Vereinbarung zur Koalition gibt es kaum eine Erwähnung der Themen Islam & Muslime. Viele Punkte sind unklar. Beobachten Sie eine Verschiebung des Interesses?
Ali Mete: Ich würde das nicht überbewerten. In Koalitionsverträgen wurde der Islam bisher nur selten substanziell erwähnt. Dass er auch diesmal nicht vorkommt, überrascht mich nicht. Natürlich wäre eine klare Positionierung wünschenswert gewesen – allein schon, um der Öffentlichkeit eine klare Richtung und Haltung in Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und der religiösen Vielfalt zu vermitteln.
Aber wir lassen uns nicht irritieren. Unser Auftrag, unsere Arbeit und unser Engagement in dieser Gesellschaft hängen nicht vom Koalitionsvertrag ab. Wir bleiben verlässliche Partner – und äußern Kritik, wo sie nötig ist. Dass der Islam im Koalitionsvertrag ausschließlich im Zusammenhang mit innerer Sicherheit erwähnt wird, zeugt von fehlender Sachkenntnis und ignoriert die gesellschaftliche Realität in Deutschland.
„Zu früh für ein abschließendes Urteil“
Islamische Zeitung: Wie schätzen Sie den Umgang der kommenden Regierung mit Deutschlands Muslimen ein? Bedeutet sie eine deutliche Abkehr von bisherigen Zielen?
Ali Mete: Es ist zu früh für ein abschließendes Urteil. Die Tendenz ist allerdings nicht unproblematisch: Die Regierung versucht, gesellschaftlichen Zusammenhalt durch ein demonstratives Auftreten, Autorität und Stärke zu erzeugen – eine zweifelhafte Strategie, die leider auf dem Rücken von Minderheiten ausgetragen wird.
DIK 2022. Ministerin Faeser im Gespräch mit einer Teilnehmerin. (Pressefoto: © Henning Schacht / Bundesinnenministerium)
Eine Regierung, die das Land stärken will, muss auch ihre Minderheiten im Blick behalten – denn daran bemisst sich die Qualität einer Demokratie.
Alles andere steht nicht nur im Widerspruch zum Geist unserer Verfassung, sondern fördert auch eine Entfremdung, die das gesellschaftliche Miteinander ernsthaft belasten kann. Der Koalition muss bewusst sein, was auf dem Spiel steht – auch mit Blick auf 2029.
Brauchen Muslime bessere Strategien?
Islamische Zeitung: Was bedeuten die neuen Rahmenbedingungen für Deutschlands Muslime? Brauchen wir eine angepasste Strategie?
Ali Mete: Ich nehme die veränderten politischen Rahmenbedingungen zur Kenntnis, aber definiere unsere Haltung nicht nach der Tagespolitik. Wir setzen weiterhin auf Bildung, Dialog und gesellschaftliches Engagement.
Foto: r.classen, Shutterstock
Wir bleiben offen für Gespräche mit der Politik, aber wir machen uns nicht von ihr abhängig – weder im Inland, noch im Ausland.
Unsere Gemeinden sind in jeder Hinsicht autark, sie finanzieren sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, unabhängig und transparent. Unsere Strategie bleibt im Kern dieselbe: Teil dieser Gesellschaft zu sein und aktiv mitzuwirken. (sw)