Afghanische Zukunftsängste: Ende der Isaf und Abschied Karzais

Das letzte Jahr des Nato-Kampfeinsatzes in Afghanistan läuft. Das Ergebnis des zwölfjährigen Engagements ist ernüchternd. Im April werden die Weichen für die Zukunft des Landes gestellt.

Kabul (dpa). Mit viel Optimismus begann Ende 2001 der Einsatz der Internationalen Schutztruppe Isaf in Afghanistan. Zwölf Jahre und mehr als 2700 Gefallene später ist von der Zuversicht nicht mehr viel übrig geblieben. Am Neujahrstag brach das letzte Jahr des Nato-Kampfeinsatzes an, ohne dass es bislang einen Sieg über die Taliban gegeben hat. Am 31. Dezember endet die Isaf-Mission.

Es ist nicht der einzige historische Einschnitt, den 2014 in Afghanistan markieren wird. Ebenfalls enden wird nach mehr als zwölf Jahren die Präsidentschaft von Hamid Karsai, der bei der Wahl am 5. April nicht ein drittes Mal antreten darf. Viele Afghanen blicken mit Sorge in die Zukunft.

Karsai war einst der Hoffnungsträger des Westens, doch inzwischen ist das Verhältnis eisig. Seit Wochen verweigert Karsai seine Unterschrift unter ein Abkommen mit den USA, das die Grundlage für einen von der Nato geplanten, kleineren Isaf-Nachfolgeeinsatz sein soll. Bei dieser Mission namens «Resolute Support» sollen – auch mit Beteiligung der Bundeswehr – afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet, beraten und unterstützt werden. Es soll aber kein Kampfeinsatz mehr sein.

In dem Abkommen werden die Rahmenbedingungen des Einsatzes ab 2015 abgesteckt. Vor allem ist darin festgelegt, dass ausländische Soldaten – wie bei Nato-Missionen üblich – vor der Strafverfolgung des Einsatzlandes geschützt sind.

Die von Karsai selber einberufene Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) gab dem Abkommen im November nicht nur ihren Segen, sondern forderte den Präsidenten sogar zur sofortigen Unterschrift auf. Karsai aber stellt trotz des fertig ausgehandelten Abkommens weitere Bedingungen an die USA. Er fordert, dass ausländische Soldaten keine afghanischen Häuser mehr betreten oder angreifen dürfen. Und Karsai verlangt, dass die USA sofort einen Friedensprozess seiner Regierung mit den Taliban in die Wege leiten – was die Möglichkeiten Washingtons allerdings deutlich übersteigen dürfte.

Werden seine Bedingungen nicht erfüllt, will Karsai erst seinen Nachfolger unterzeichnen lassen, was aus Sicht der USA und der NATO viel zu spät wäre. Die USA – ohne die ein internationaler Einsatz nicht möglich ist – drohen für diesen Fall offen mit dem Abzug aller ausländischen Truppen. Washington stellt zugleich die Mittel für die vor allem vom Westen finanzierten afghanischen Sicherheitskräfte und die bis 2024 zugesagten zivilen Hilfsgelder infrage. Eine Drohung, auf die Karsai wenig freundlich reagiert.

Im vergangenen Monat warf er den USA in einem Interview der Zeitung «Le Monde» vor, das afghanische Volk mit Abzugsdrohungen in Angst versetzen zu wollen. «Das ist alles psychologische Kriegsführung», sagte er. Das Verhalten der USA sei «klassische koloniale Ausbeutung», der sich die Afghanen nicht beugen würden.

Im Westen stoßen Aussagen Karsais schon länger auf Befremdnis. Bereits im Oktober hatte er der BBC gesagt, der Isaf-Einsatz habe seinem Land «viel Leid gebracht, den Verlust zahlreicher Leben und keine Vorteile, denn das Land ist nicht sicher». Je schlechter die Lage in Afghanistan ist, desto öfter müssen Ausländer als Sündenböcke herhalten. Dabei hat die afghanische Regierung großen Anteil an der Misere im Land – das wieder zum weltweit größten Drogenlieferanten geworden ist und zu den korruptesten Staaten der Welt gehört.

Noch zeichnet sich nicht ab, wer als Favorit in die Präsidentenwahlen 2014 geht. Auf den nächsten Präsidenten warten jedenfalls gigantische Aufgaben – nicht zuletzt wird er sich darum bemühen müssen, das Verhältnis zum Westen wieder zu kitten. Einen Hinweis darauf, wie groß die Angst vieler Afghanen vor der ungewissen Zukunft haben, gab eine Aussage des US-Sonderbeauftragten für Afghanistan, James Dobbins, im vergangenen Monat. Er sagte: «Vermutlich erstmals seit 2001 übersteigt die Abwanderung der Bevölkerung die Rückkehr von Flüchtlingen.»