Allahs Barmherzigkeit kann nicht als Garantie für das Jenseits verstanden werden

Ausgabe 217

(iz). Eine ähnlich hochmütige Haltung wie die des Teufels [arab. Schaytan] findet sich auch bei einigen Muslimen. Ihr Glaube ist einer genauso starken Prüfung ausgesetzt wie der des Iblis, der (zuvor) ebenfalls ein Gläubiger war. Die Reflexion einer durch den Glauben evozierten „garantierten Erlösung“ bei einigen Muslimen, sie würden auf jeden Fall ins Paradies kommen, lässt sich in der Form von Herablassung andersdenkenden und andersgläubigen Menschen gegenüber verdeutlichen. Ein solches Denken und entsprechendes Handeln – zu glauben, vor der Strafe Gottes sicher zu sein – gilt, unter anderem bei Ibn Mas’ud, einem ­bedeutenden Gelehrten und Gefährten des Propheten Mohammed – als eine große Sünde (Nasafi, Madarik; Dschawzi, Tafsir).

Die voreilige und eventuell zu Hochmut verleitende Haltung, sich im Paradies zu sehen (ana fi al-Dschanna), wird von Ibn Mas’ud, Abu Hanifa und weiteren Gelehrten ebenso kritisiert wie die Haltung, sich für einen Hölleninsassen zu halten, zumal somit an der Barmherzigkeit Gottes gezweifelt wird. Diese hochmütige Reflexion zeigt sich heutzu­tage besonders in der Theorie, dass Gott im Jenseits eventuell auch Nichtmuslimen (je nach den Definitionen, um welche Kategorie es sich dabei handelt: Poly­theist, Atheist oder auch Christ beziehungsweise Jude) ihre Sünden vergeben und sie mit dem Paradies belohnen könnte. Dieser Gedanke bereitet vielen musli­mischen Gläubigen ein Unbehagen. Die Reaktionen auf diese Theorie lassen sich anhand einiger Fragen sehr gut veranschaulichen, unter anderem: Wofür das gläubige, strapaziöse und mit Ritualen versehene Leben, wenn man auch ins Paradies kommt, wenn man sich den Dingen dieser Welt hingibt?

Schon in der Vergangenheit wurde seitens der muslimischen Gelehrten über das Schicksal der Menschen diskutiert, die den Islam entweder nicht richtig kennenlernen durften oder nie darüber hörten. Wie müsste nun Gott über diese Menschen urteilen, da er ja der ­Gerechte (Al-Adl) ist? Während die einen Gelehrten auf die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes verwiesen und somit für diese Menschen eine eventuelle Erlösung befürworteten, zeigten die anderen die Vernunft auf, dass auch der Mensch, der denken kann, von sich aus den einen Gott finden müsse. Somit ist diese Diskussion keine neuzeitliche, wie man es gerne heutzutage mit einigen Begriffen und Eigenschaften Gottes propagiert, sondern eine schon sehr Frühe die sowohl textgebunden (Koran, Hadith), als auch vernunftbedingt stattgefunden hat (Vgl. Ghazali, Faysal oder Razi, Mafatih Al-Ghayb). Anders sieht es bei Menschen aus, die bewusst Gott verleugnen.

Hierbei geht es um den Glaubensgrundsatz, dass Gott prinzipiell machen kann, was Er will und der Gläubige dies ohne Wenn und Aber akzeptieren muss. Wenn dieser Gedanke so nicht angenommen wird, wo besteht dann der Unterschied zwischen dem Verhalten des Iblis, der sich durch die Erschaffung und Ehrung Adams hintergangen fühlte und den Gläubigen, die sich durch die eventuelle Vergebung der Nichtmuslime überrumpelt fühlen, nur allein aus dem Gedanken heraus, dass auch Nichtmuslime ins Paradies kommen könnten? Würde sich somit die Geschichte nicht wiederholen, wenn am Tag der Rechen­schaft Gott den „Ungläubigen“ ebenfalls Einlass in Sein Paradies gewehrt, sie somit ehrt und der Gläubige dies als eine ungerechte Handlung versteht? Wird der Gläubige Gott anklagen, wieso Er den nichtmuslimischen Sündern Barmherzigkeit gewährt, wo sie doch dem ­Koran zufolge bestraft werden müssten? Oder würden sie Ihn anklagen, dass nur sie Ihm gedient haben und somit nur sie allein eine Belohnung verdienen ­müssten?

Hierbei geht nicht darum, verschiede­ne Szenarien der Barmherzigkeit Gottes aufzuzeigen, sondern die falsche und zugleich auch anmaßende Haltung, selber bestimmen zu dürfen, wer im Jenseits Barmherzigkeit oder Bestrafung erhalten darf und wer nicht. Eine solche Haltung tadelt Gott in der Sure an-Nisa (123): „Es geht nicht nach euren Wünschen, auch nicht nach denen der Leute der Schrift. Wenn einer Böses tut, wird ihm (dereinst) dafür vergolten. Er findet (dann) für sich außer Allah weder Freund noch Helfer.“

Dem Offenbarungsgrund zufolge sollen sich die Schriftbesitzer (Christen und Juden) mit den Muslimen in Medina über dieses Thema gestritten haben und dabei soll jede Gruppe sich selbst als die Gruppe verstanden haben, die mit Sicherheit Einlass ins Paradies finden wird. Hierbei wird nicht nur den Vorstellungen der Schriftbesitzer eine Abfuhr erteilt, sondern auch den Muslimen („Es geht nicht nach euren Wünschen“), die genau die oben genannte Verfehlung begangen haben und sich in Sicherheit glaubten (Al-Wahidi, Asbab an-Nuzul und Razi, Mafatih Al-Ghayb).

Im weiteren Verlauf verdeutlicht Gott, wen er am Ende belohnen wird (An-Nisa, 124): „Diejenigen aber, die handeln, wie es Recht ist, (gleichviel ob) männlich oder weiblich, und dabei gläubig sind, werden (dereinst) in das Paradies eingehen, und ihnen wird (bei der Abrechnung) nicht ein Dattelkerngrübchen Unrecht getan.“ Der Begriff „Gläubige“ in diesem Vers sollte wiederum nicht täuschen, dass hiermit nur die muslimische Gemeinschaft seit Muhammad gemeint sei, denn im nächsten Vers wird diese Gläubigkeit an Abraham geknüpft, dem sich alle drei monotheistischen Religionen anschließen (An-Nisa, 125): „Wer hätte eine bessere Religion (Din), als wer sich Allah ergibt (aslama) und dabei rechtschaffen ist und der Religion (milla) Abrahams folgt, eines Hanifen. Allah hat sich Abraham zum Freund (Khalil) genommen.“

Es gibt in diesem Thema zwei Dimen­sionen: die weltliche und die jenseitige. Statt sich nun mit der jenseitigen Dimen­sion zu beschäftigen, wen Gott am Ende zu bestrafen oder zu belohnen hat, sollten sich die Menschen mit der weltlichen Dimension befassen, in der die göttliche Wahrheit im Koran verkündet wird. In dieser Wahrheit (Haqq) wird die Vielgötterei als einzige Sünde beschrieben, die keine Vergebung erhalten wird (an-Nisa, 48 und al-Maida, 72): „Wahrlich, Allah wird es nicht vergeben, dass Ihm Götter zur Seite gestellt werden; doch Er vergibt das, was geringer ist als dies, wem Er will. Und wer Allah Götter zur Seite stellt, der hat wahrhaftig eine gewaltige Sünde begangen.“ (an-Nisa, 48)

Darüber hinaus sollen die Menschen sich an die Gebote und Verbote halten, die im Koran offenbart wurden und die ebenfalls der Wahrheit der weltlichen Dimension angehören. Es muss die Menschen, insbesondere die Muslime, nicht kümmern, was Gott am Ende im Jenseits tun wird. Sie sollten versuchen, sich selbst ein Mindestmaß an Sicherheit im Diesseits zu verschaffen, um im Jenseits die Belohnung zu erhalten. Der Mensch hat keine andere Wahl, als sich auf Erden an der göttlichen Wahrheit festzuhalten, sofern er sein Jenseits retten möchte. Über die jenseitige Dimension nun, in der es einzig und allein Gott überlassen ist, über Seine Diener urteilen und richten zu dürfen, kann der Mensch auf Erden sich nicht anmaßen, Gott vorzuschreiben wie er zu handeln habe (Gott muss, wird, darf, soll…).

Aus diesem Grund darf/soll der Muslim anderen Menschen nicht mit Anmaßungen gegenübertreten und über sie ihr eigenes Urteil verkünden. Das steht ihm nicht zu! Es gibt wenige Beispiele, in der die Propheten ihre Völker mit ­determinierten Begriffen betitelten, in denen ein endgültiges Urteil wie „Ungläubiger“ oder „Hölleninsasse“ abgegeben wurde. Diese tauchen wiederum in einem Dialog mit Gott auf. Die Anrede in der Sure al-Kafirun (109, 1): „Sprich: ‘Ihr Ungläubigen!’“ ist eine Ausnahme und zugleich ein Befehl Gottes an den Propheten.

In den als kanonisch anerkannten Überlieferungen habe ich in meiner Untersuchung zu dem Begriff Kufr (Unglaube) kein Beispiel, in denen der Prophet Muhammad einen Menschen direkt als „Ungläubigen“ deklassierte oder als solchen ansprach. Eine solche Bezeichnung würde die Zuhörer irritieren oder beleidigen. Es wäre zudem ein Widerspruch der Natur und Botschaft des Propheten: „Gibt frohe Kunde (baschschiru), flößt ihnen keine Abneigung ein (wa la tunaffiru); erfreut sie (wa yassiru), beengt sie nicht (oder handelt nicht feindlich, wa la tu’assiru)“ (Vgl. Muslim, Dschihad, Nr. 1732).

Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, sollte hier verdeutlicht werden, dass die Koranische Wahrheit, dass „Ungläubige“ bestraft werden, nicht verleugnet wird. Der Islam und seine monotheistische Botschaft als eine Anklage gegenüber der Vielgötterei und des Unglaubens und zugleich als eine Rechtleitung für die Menschen auf Erden, haben in erster Linie in der weltlichen Dimension ihre Relevanz. Eine Dimension, die für den Menschen erfassbar ist. Die Koranische Wahrheit und der Glaubensgrundsatz, dass Ungläubige in die Hölle kommen, ist eine koranische Wahrheit, an die sich der Muslim halten muss.

Über die Bestrafung der Ungläubigen herrscht im Koran durch die unzähligen Verse Gewissheit. In Diskussionen steht es niemandem zu, über die Menschen, die nichts von der Religion des ­Islam erfahren haben oder gute Menschen sind, weder ein bestrafendes noch ein belohnendes Urteil abzugeben. Hierbei gilt: Nach dem Koran werden die Ungläubigen für immer in der Hölle ihre Strafe und die Gläubigen im Paradies ihre ewige Belohnung erhalten. Für was sich Gott schließlich entscheidet, ist – unter anderem auch rein theoretisch, den Asch’ariten zufolge – einzig und allein die Sache Gottes. Er muss weder Rechenschaft ablegen, noch um Erlaubnis bitten.

Und genau aus diesem Grunde darf der Muslim sich selbst nicht in Sicherheit wiegen, wenn er meint, sich durch andere zu definieren: „Diese sind die Bewohner der Hölle, wir des Paradieses!“ Hierbei dürfen natürlich die Koranverse nicht übergangen werden, die den Gläubigen das ewige Leben im Paradies zusichern. Das ist die Koranische Wahrheit, an die sich der Gläubige halten muss, um nicht zu verzweifeln oder seine Hoffnung um Vergebung und Lohn nicht zu verlieren. Doch Hoffen ist nicht Wissen!

Zugleich kann es nicht sein – und das ist die andere Seite der Medaille –, dass den Nichtmuslimen falsche Hoffnungen im Hinblick auf das Jenseits gemacht werden, wenn der Einheitsglaube als das existenzielle Gebot auf Erden, im Hinblick auf die Errettung im Jenseits, im Koran deutlich gepriesen wird. Als unverantwortlich gilt die Handlung, wenn die Botschaft von einem einzigen Gott vernommen und bewusst verleugnet wird. So ist es im Koran, in den Überlie­ferungen, in den Rechtsbüchern und in den Diskussionen der Gelehrten. Gott ist der Barmherzige. Seine Barmherzigkeit kann wiederum nicht als eine Art Garantie für das Heil im Jenseits verstan­den werden, was desgleichen der Erklärung Ibn Mas’uds zufolge einer großen Sünde entspricht. Eine solche, bezüglich des Jenseits falsche Hoffnung schenkende Vorstellung oder Theorie hatten auch namhafte sufische Gelehrte nicht, welche in diesen Diskussionen immer wieder hervorgehoben werden. Wer diese falsche Hoffnung in dieser Weise propagiert und die Allbarmherzigkeit als eine für alle Sünden (auch Unglaube) vorgeschriebene Eigenschaft Gottes betrachtet, tappt nämlich in die gleiche Falle, in der sich Iblis (Teufel) und der „betrogene“ Gläubige befindet. Der Trugschluss liegt in dem Glauben, von einem alles vergebenden Gott zu wissen!

In der Sure Al-Kahf (65-82) wird als Beispiel eine Dimension, die weder diesseitig noch jenseitig ist, angesprochen. Diese dritte Dimension ist ebenfalls für die Menschen nicht wahrnehmbar. In diesen Versen befinden sich Handlungen eines „Dieners Gottes“, die als ein Akt der Barmherzigkeit beschrieben sind. Diese Handlungen (Tötung eines Jungen, Zerstörung eines Schiffes von ­armen Leuten und die Instandsetzung einer Mauer in einer unfreundlichen Stadt) [Anm.d.Red: Hier ist die Geschichte des Khidr gemeint] dürften den Menschen wohl eher als Ungerechtigkeiten oder wie im letzten Fall „unvernünftig“ erscheinen. Dem Koran, der Sunna und dem Gesetz (Scharia) zufolge sind die ersten beiden Handlungen sogar Unrecht, beziehungsweise große Sünden.

Die Barmherzigkeit allein so zu definie­ren, wie Gott es im Koran, ohne juristische Beachtung dieser Geschichte, verkündet und der Prophet es in seinen Hand­lungen den Menschen verdeutlicht, ist die für die Menschen wahrnehmbare Dimension. Die Empörung und Verwunderung Moses über die Handlungen des „Dieners Gottes“ in dieser Geschich­te, ist denn auch die Richtige und für die Menschen zu akzeptierende und gerechte Haltung. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Handlungen des Dieners im Nachhinein ihre „zufriedenstellende“ Erklärung und eventuell von den Lesern im Nachhinein ihre Zustimmung bekommt. Für uns Menschen gilt: Die Zukunft kennen wir nicht und können deshalb auch nicht dem entsprechend Ungerechtes tun, allein mit der Hoffnung, es könnte sich ja zum Guten wenden.

Die Akzeptanz der menschlichen Dimension und ihrer Normen ist dem Islam zufolge unumgänglich für die Menschen und wird durch Gott im Koran gefordert. Doch anhand der Handlungen des Dieners dürfte den Menschen klar sein, dass eine endgültige und alle befriedigende Definition der Barmherzigkeit Gottes aus menschlicher Sicht nicht möglich ist. Versuche, diese Eigen­schaft und die Eigenschaft „eines Gerech­ten Gottes (Al-’Adl)“ genauestens zu definieren, führte in der Geschichte zu weiteren kontroversen Diskussionen, die bis heute unter dem Namen „Theodizee“ weiter geführt wird (Vgl. auch, „Über die Theodizee“).

Die Namen Ar-Rahman und Ar-Rahim sind nicht, wie es fälschlicherweise immer wieder übersetzt wird, im Superlativ. Daher ist die Übersetzung „des Allbarmherzigen und Allerbarmers“ falsch. Gott ist der Barmherzige und Erbarmer und verkündet im Koran nicht, dass er im Jenseits alles vergeben werde. Im Gegenteil: Die Verse über Unglauben und Vielgötterei gehören zu den deutlichsten Versen (Muhkam) des Koran. Diese sprechen zu oft von einer ewigen Strafe für die Ungläubigen. Dagegen findet sich eine im Vergleich zum Jenseits noch weitreichendere Barmherzigkeit auf Erden, wenn nämlich Gott auch die Umkehr (Reue, Tauba) der Ungläubigen und Polytheisten akzeptiert, ja sie sogar, durch den Glauben an den einen Gott, von all ihren vorherigen Sünden reinigt (az-Zumar, 53-54): „Sprich: ‘Ihr meine Diener, die ihr gegen euch selber nicht maßgehalten habt! Gebt nicht die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Allahs auf! Allah vergibt (euch) alle (eure) Schuld. Er ist es, der barmherzig ist und bereit zu vergeben. Und wendet euch (bußfertig) eurem Herrn zu und ergebt euch ihm, bevor die Strafe über euch kommt, worauf euch nicht (mehr) geholfen werden wird!’“

Wenn der Mensch den festen Glauben besitzt, dass Gott tun und machen kann, was Er will und deshalb auch allen Menschen gegenüber barmherzig sein kann, so wird dieser Mensch sich die Frage stellen müssen, ob Gott den Menschen für seine Sünden nicht auch bestra­fen kann? Welche Garantie gibt es, das es nicht so sein wird? Und wie wahrscheinlich wäre eine Bestrafung, wenn es im Koran ausdrücklich und mehrfach verkündet wird? Die Wahrheit des Einheitsglaubens (Tauhid) wird die existen­ziellste Wahrheit auf Erden im Hinblick auf das jenseitige Leben bleiben.

Die Barmherzigkeit Gottes ragt im Koran mit Seinen Eigenschaften und Namen deutlicher hervor als Seine strafenden Elemente (wie Qahhar, Ibrahim, 48), was uns die Hoffnung auf die Vergebung unserer Sünden gibt. Aber es gibt dafür keine absolute Garantie, zumal die Gewissheit einer Absolution der Sünden, den Menschen Zeit ihres Lebens auf Erden im Islam nicht gegeben ist. Dieses Leben auf Erden besteht aus der Prüfung, ob der Mensch sich Gott ergibt (aslama, Islam, Muslim) und inwieweit der Mensch sich an die Gebote und Verbote Gottes hält. Da es außer dem Koran kein weiteres Gotteswort gibt und die Einhaltung der Gebote und die Vermeidung der Verbote als Pflicht im Koran genannt werden, liegt für den Muslim (und generell für alle Menschen) die Errettung in der Akzeptanz und Wahrnehmung dieser göttlichen Botschaft. Der Gottesfürchtige (Muttaqi, derjenige, der Taqwa hat), ist bekanntlich der, der sowohl vor der Strafe Gottes sich nicht sicher fühlt, als auch der, der die Hoffnung zur Vergebung seiner Sünden durch Gott nicht verliert. Über das jenseitige Schicksal anderer Menschen zu urteilen, ist somit für den Menschen nicht geboten.

Der Muslim, der mit einem Nichtmuslim über das Jenseits spricht, kann sich nicht anmaßen, über diese Person auch ein jenseitiges Urteil abgeben zu dürfen. Die herablassende Art seitens der hochmü­ti­gen Menschen gegenüber Menschen aus ärmeren Verhältnissen gleicht in ihrem Wesen, wenn einige Muslime ihre Mitmenschen, die keine Muslime sind, herablassend, von vornherein als Ungläubige brandmarken und als Höllenbe­woh­ner abstempeln. Eine solche Mode ist heutzutage nur in einer marginalen Gruppe vorhanden und betrifft, Gott sei Dank, nicht die Mehrheit der ­Muslime.

Und doch hantieren insbesondere Kinder und Jugendliche auf eine sehr arrogante Art mit solchen Bezeichnungen, was verständlicherweise auf der anderen Seite zu Abneigungen führt. Diese Abneigung führt wiederum zu Pauschalisierungen gegenüber den Muslimen. Statt nun Freunde zu finden und mit Menschen auf schöne und zugleich aufrichtige Weise zu kommunizieren, so wie es Gott fordert (Al-Baqara, 83 und Al-’Isra, 53) und der Prophet es vorlebte, werden durch den Hochmut einiger Muslime neue Feinde und Vorurteile geschaffen.

Desgleichen ist das theologisch unhaltbare Propagieren eines „alles vergebenden“ Gottes für die Menschen auf Erden (Muslime/Nichtmuslime) kein Kavaliersdelikt, keine islamische Theologie und sicherlich auch kein wahrhafter Dialog, wenn ihnen, aus der Sicht des Islams, somit die Chance versagt wird, auf Erden den richtigen Weg zu finden, da Gott ja eh alles (auch Unglaube) vergeben wird, solange man gut sei. Die Menschen zum richtigen Weg zu führen oder sie darin zu unterrichten, dass die weiter reichende Barmherzigkeit Gottes durch die Umkehr (Reue, auch bei Unglaube) auf Erden zu finden ist, dürfte aus islamischer Sicht, das schönste Geschenk sein!

Anmerkung: Der hier vorliegende Artikel ist ein Teil des Buchprojekts „40 Hadithe“ des Autors wie der Artikel „Über das Fasten und die Seele“, welcher letzten Ramadan (2012) in der IZ veröffentlicht wurde. Mit kleinen Veränderungen soll dieser Artikel hier im Hinblick auf einige aktuelle Diskussionen der Muslime in Deutschland weitere Impulse geben.