Bücher: Von der Normenlehre bis zur Jugend

Ausgabe 272

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Obwohl der vorliegende Band keine Neuerscheinung ist, sondern bereits Anfang Januar 2015 auf den Markt kam, ist er wegen seines Gehalts, seiner Dichte und Kürze weiterhin eine Empfehlung wert. In „Fiqh – Einführung in die Normenlehre“ hat der Autor, Ali Ghandour, für Interessierte mit unterschiedlichem Hintergrund eine kompakte Einleitung geschrieben. Es gehe ihm dabei um die Suche nach „einem gesunden Gleichgewicht“ zwischen überliefertem Wissen und den Herausforderungen des heutigen Kontextes. Für Ghandour waren und sind die Fragen, die man anhand der islamischen Normenlehre zu beantworten versucht, immer solche gewesen, die mit den Umständen, Bedürfnissen und Problemen der Menschen eng verbunden sind. Obschon er seine Einführung für Studenten der islamischen Theologie geschrieben hat, ist der Band auch ein nützliches Angebot für viele andere Leser. Von seiner Einleitung und einem pointierten Nachwort abgesehen, ist der Text in vier Teile angeordnet. Zuerst liefert Ghandour eine notwendige und erhellende Definition der wichtigsten Begriffe, wozu auch seine Entmystifizierung der „Schari’a“ gehört. Im zweiten Teil führt der Band in die bestehenden (und vergangenen) Rechtsschulen ein und erläutert ihre Besonderheiten. Dies führt zum dritten Teil, in dem es um die Methodenlehre der Normenlehre sowie ihre Rechtsquellen geht. Zum Schluss erhalten die Leser dieses Werkes eine Erklärung der unterschiedlichen Rechtsnormen. Damit die verbleibenden Bände nicht ins moderne Antiquariat verschwinden, sollten Interessierte zugreifen. (sw)
Ali Ghandour, Fiqh – Einführung in die Normenlehre, Kalam Verlag KG 2015, Taschenbuch, 112 Seiten, ISBN 978-3981557237, Preis: EUR 12,80
London, Madrid, Boston und Brüssel sind nur einige der tragischen Schauplätze des zeitgenössischen Terrors. Hier fielen ihm Menschen zum Opfer und ihre Mörder versteckten sich hinter einer vorgeblich islamischen Symbolik sowie einer militant-globalen Ideologie. Die betroffenen Bevölkerungen reagierten erschüttert und trauern um die Opfer. Zeitgleich freuen sich die Radikalen an den Rändern: Fanatiker, die sich auf den Islam berufen, sowie jene, die ähnlich gewalttätig auf den heutigen Terror mit Gegengewalt reagieren. Zwischen diesen beiden extremen Polen bewegen sich die öffentlichen Diskurse über Radikalisierung, Extremismus, Ursachenforschung und Gewaltprävention. Genau an dieser Stelle will „Radikal gegen Extremismus: Theorie und Praxis 20-jähriger muslimischer Jugendarbeit“ ansetzen. Herausgegeben von Nedzad Mocevic und Alexander Osman behandelt der Sammelband das Thema auf einer theoretischen Ebene. Dabei geht es unter anderem um die Ideengeschichte des „religiös argumentierten Extremismus“, um die Praxis des Tafsir, aber auch um eine „Psychoanalyse des Terrors“. In „Radikal gegen Extremismus“ haben die Herausgeber darüber hinaus vier Aufsätze unterschiedlicher AutorInnen aus dem Bereich der Praxis gesammelt. Sie drehen sich um die Praxis der Muslimischen Jugend Österreich. Obschon dieser Teil seinen Inhalt aus Österreich bezieht, sollte er auch auf der Leseliste derer stehen, die sich in Deutschland für das Thema interessieren. (lm)
N. Mocevic & A. Osman (Hrsg.), Radikal gegen Extremismus: Theorie und Praxis 20-jähriger muslimischer Jugendarbeit, new academic press, Oktober 2017, Taschenbuch, 174 Seiten, ISBN 978-3700320562, Preis: EUR 24,90
Es gibt gute Bücher, es gibt wirklich schlechte Bücher und noch viel mehr Titel, die das Papier nicht lohnen. Und dann auch jene, deren Inhalt stellenweise falsch sein kann, und die trotzdem die Lektüre lohnen. Mit „Islam in der Krise: Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug“ hat der Religionswissenschaftler Michael Blume ein provokantes Buch geschrieben. Provozierend ist es für den muslimischen – und wohl auch objektiven – Leser, weil seine Grundthesen für einen mutmaßlichen Niedergang „des Islam“ nur durch erhebliche Zuspitzung und eines zu debattierenden Umgangs mit der Empirie gelingen. Der unbequeme Text bleibt aber wichtig, weil er Muslimen dokumentiert, wie ihre Religion auf denkende Menschen wirkt. Und sie daran erinnert, dass es, wenn auch Allahs Din per Definition keine Krisen kennt, Muslime sehr wohl in ihnen gefangen sein können. (sw)
Michael Blume, Islam in der Krise: Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug, Patmos Verlag, August 2017, Gebunden, 192 Seiten, ISBN 978-3843609562, Preis: EUR 19,– (andere Formate verfügbar)
Anfang Januar wurde – nach einem per Twitter ausgetragenen Streit zwischen Washington und Islamabad – deutlich, welche geopolitische Relevanz der indische Subkontinent für die Weltlage hat. Die simple Einteilung der Geografie in Pakistan und Bangladesch gleich „muslimisch“ und der Staat Indien gleich „hinduistisch“ übersieht, dass die heutige, unruhige Gemengelage die Folge von Entscheidungen ist, die in den 1940er Jahren woanders getroffen wurden. Der englische Titel „The Shadow of the Great Game“ von Narendra Sing Sarila untersucht die landläufige Geschichte der indischen Teilung. Die enorm traumatische Entscheidung zur Bildung eines „muslimischen Staates“ auf dem indischen Territorium forderte nicht nur Millionen Menschenleben, sie war auch strategischen Interessen Großbritanniens geschuldet. Anhand von neuen Dokumenten versucht Sarila zu zeigen, wie die indische Teilung auch in den entstehenden Kalten Krieg eingebunden war. (ak)
Narendra Singh Sarila, The Shadow of the Great Game: The Untold Story of India’s Partition, Constable 2017, Kindle Edition, 432 Seiten, Preis: EUR 7,49