Antimuslimischer Rassismus: Betroffene endlich ernst nehmen. CLAIM startet Kampagne und macht Alltagsrassismus zum Thema.
Berlin (CLAIM/iz). Erst Anfang Mai wurden Berliner SchülerInnen aufgrund u. a. antimuslimischer Motive auf einer Klassenfahrt in Brandenburg attackiert. Zugleich wurden in den letzten Wochen in Dessau, Dortmund und Berlin körperliche Übergriffe auf muslimische Frauen gemeldet.
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Antimuslimischer Rassismus: Übergriffe sind Teil des Alltags
„Heute mal wieder“ ist Leitgedanke der heute gestarteten bundesweiten Kampagne, die antimuslimischen Alltagsrassismus zum Thema macht. Die Kampagne ist Teil eines von Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, geförderten Modellprojekts und wird anlässlich der bundesweiten Aktionswochen gegen antimuslimischen Rassismus gelauncht.
Namhafte Personen aus Politik, Medien und Kultur wie Staatsministerin Claudia Roth (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien), Staatssekretärin Juliane Seifert (BMI), Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen), Amira Mohamed Ali (Die Linke), Aydan Özoğuz (SPD), Dr. Emilia Zenzile Roig (Center for Intersectional Justice), Kübra Gümüşay (Autorin), Esra Karakaya (Journalistin), Dr. Mehmet Daimagüler (Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus) und Dr. Meron Mendel (Direktor der Bildungsstätte Anne Frank) sind Teil der Aktionswochen.
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CLAIM Allianz: kein Randphänomen
Antimuslimischer Rassismus ist nach Ansicht der CLAIM Allianz kein Randphänomen, sondern mitten in unserer Gesellschaft verankert. „Muslim*innen und muslimisch gelesene Menschen“ würden in Deutschland täglich zur Zielscheibe von Hass, Diskriminierungen und rassistischen Übergriffen. Alltäglich sei, dass Menschen aus rassistischen Gründen einen Job oder eine Wohnung nicht erhalten oder Kinder im Schulalltag diskriminiert werden.
Dabei stelle die offizielle Statistik politisch motivierter Kriminalität (PMK) nur die „Spitze des Eisberges antimuslimsicher Vorfälle“ dar. Sie ergibt für 2022 610 islamfeindliche Straftaten sowie 62 Angriffe auf Moscheen (Quelle: BMI 2023).
Gemäß einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung (2023) erführen „72 % der Muslim*innen in Deutschland rassistische Diskriminierung“ und nach CLAIM-Ansicht zu einer der am stärksten benachteiligten Gruppen in Deutschland. Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor des DeZIM (2022) zeige gleichzeitig, dass die Mehrheitsgesellschaft antimuslimischen Rassismus deutlich seltener als solchen erkenne.
„Wir haben ein vielfältiges, muslimisches Leben in Deutschland, das unsere Gesellschaft bereichert. Zugleich ist antimuslimischer Rassismus Teil des Alltags vieler Muslim*innen. Das ist nicht nur eine Bedrohung für Muslim*innen oder Menschen, die aufgrund ihres Aussehens oder der Herkunft für solche gehalten werden. Das gefährdet auch den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Vielfalt von Kulturen und Religionen und damit unsere demokratische Kultur als Ganzes! Die Bekämpfung von Rassismus in all seinen Erscheinungsformen ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe – also machen wir mit, schreiten wir ein, seien wir solidarisch mit Betroffenen und stärken den Zusammenhalt in unserem Land.“
Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus
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Für viele eine „oftmals schmerzliche Erfahrung“
CLAIM-Leiterin Rima Hanano betonte: „Antimuslimischer Rassismus ist für viele Menschen eine alltägliche und oftmals schmerzhafte Erfahrung und gipfelt nicht nur in extremen Gewaltexzessen wie in Hanau – darauf machen wir seit Jahren aufmerksam.“
In seine Arbeit erlebe das Netzwerk, dass gerade antimuslimischer Rassismus im Alltag oft nicht erkannt wird. Die Erfahrungen Betroffener werden nicht selten in Frage gestellt – durch Behörden und die Gesamtgesellschaft. „Uns fehlt nicht nur ein Verständnis und eine Anerkennung von antimuslimischem Rassismus. Was wir dringend brauchen, ist eine echte Solidarität mit Betroffenen, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt, eine Ächtung des Hasses, den sie tagtäglich erfahren.“
Gleichzeitig brauche es unbedingt konkrete Maßnahmen wie eine Reformierung des AGG sowie eine bessere statistische Erfassung von antimuslimischen Vorfällen, um Betroffene zu schützen und antimuslimischen Rassismus zu bekämpfen.
Foto: CLAIM Berlin
Kampagne und Aktionswoche sollen aufklären
Die Kampagne ist nach Angaben des Netzwerk Teil des Modellprojektes „Das ist antimuslimischer Rassismus. Antimuslimischen Rassismus erkennen und handeln.“
Sie hat zum Ziel, die Öffentlichkeit im Hinblick auf antimuslimischen Rassismus zu sensibilisieren und Betroffene zu stärken. Gefördert wird sie durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.
Vom 19. Juni bis zum 1. Juli 2023 finden diesjährig die Aktionswochen gegen antimuslimischen Rassismus statt. Seit 2018 werden sie von CLAIM angestoßen und koordiniert. Getragen werden sie von „einem breiten, wachsenden zivilgesellschaftlichem Bündnis“.
Die zugrundeliegende Absicht besteht darin, sich „gegen Hass und antimuslimischen Rassismus“ zu wenden. Am 1. Juli 2009 wurde die Pharmazeutin Marwa El-Sherbini aus antimuslimischen und rassistischen Gründen im Dresdner Landgericht mit 18 Messerstichen ermordet.