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Der Schmetterling

Triumph und Tragik zeichneten sein Leben. Muhammad Ali, der größte Boxer der Sportgeschichte, ist tot. Selbst Washington bot er die Stirn – nur die Parkinsonkrankheit kriegte ihn klein.
Bonn (KNA). „Der Größte“ nannte er sich selbst. Und für viele war Muhammad Ali, der Boxer, Exzentriker, „Jahrhundertsportler“ und Kämpfer für die Menschenrechte, genau das. Am Freitag (Ortszeit) ist er nach langer Krankheit im Alter von 74 Jahren in den USA gestorben. Ali soll am 10. Juni in seiner Heimatstadt Louisville beigesetzt werden. Geplant ist ein großer Trauerzug durch die Stadt, die Trauerrede hält Bill Clinton. Geistlichen unterschiedlicher Religionen sollen die Feier leiten.
Es war ein extremes und auch tragisches Leben. Kein Sportler seiner Generation polarisierte so wie der Schwergewichts-Champion. Er war Held und Hassfigur, Wutmensch und Philanthrop. In Erinnerung bleiben großartige Sprüche, großartige Taten – und natürlich großartiges Boxen.
Die Wut über den Diebstahl seines Fahrrads war es angeblich, die den Zwölfjährigen ins Boxstudio trieb. Damals hieß er noch Cassius Clay und stammte aus ärmlichen Verhältnissen in Kentucky. Zehn Jahre später, 1964, war er Weltmeister nach einem aufsehenerregenden Kampf gegen Sonny Liston, in den er als krasser Außenseiter, aber voll provokanter Siegesgewissheit gegangen war.
„Ich bin der Größte“, brüllte er in die Mikrofone, und die Bilder des rasenden Kämpfers mit weit aufgerissenem Mund wirkten wie ein Fanal für die schwarze Bürgerrechtsbewegung. „Ich bin schön! Ich bin ein böser Mann! Ich rüttele die Welt wach!“ Boxen war für ihn mehr, als eine Masse Geld zu verdienen. Es war auch eine Kampfansage an die weiße Gesellschaft, deren Polizei protestierende Afroamerikaner mit Hunden jagte.
Seine Abkehr von diesem weißen Amerika demonstrierte er mit dem Übertritt zum Islam und nannte sich fortan Muhammad Ali. Es war auch eine spirituelle Entscheidung, ein religiöser Eiferer war Ali nie. Dafür blieb er Großmaul aus Prinzip. Nicht einmal Uncle Sam kriegte ihn klein, auch wenn ihm 1967 für seine Verweigerung des Kriegsdienstes in Vietnam der Weltmeistertitel aberkannt wurde und sogar Gefängnis drohte. Alis Kommentar: „Nein, ich werde nicht 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden und niederzubrennen, nur um die Vorherrschaft weißer Sklavenherren über die dunkleren Völker der Welt sichern zu helfen.“
Wegen der Sperre dauerte es drei Jahre, bis die Sportwelt wieder den leichtfüßigen Kampfstil erleben konnte, den keiner besser beschrieb als Ali selbst: „Schweben wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene“. Seine tänzelnden Beinbewegungen, der „Ali Shuffle“, und die provozierend herabhängenden Fäuste irritierten die Gegner, bevor blitzschnelle Rechts-Links-Kombinationen sie auf die Bretter schickte. Rund um den Globus stellten sich Boxfans den Wecker, um Alis Kämpfe im TV zu verfolgen.
Allen voran den wohl berühmtesten Fight der Boxgeschichte: Am 30. Oktober 1974 wollte sich Ali seinen aberkannten WM-Titel gegen den deutlich jüngeren und körperlich überlegenen George Foreman zurückholen. 100.000 Zuschauer waren in Kinshasa im Kongo – damals Zaire – zu einer Boxnacht der Superlative zusammengekommen, die als „Rumble in the Jungle“ Ewigkeitswert errang. Dass Diktator Mobutu das Ganze auch als Propagandashow nutzte, ging unter. „George, wir essen hier kein Popcorn“ oder „Ist das alles?“, nervte Ali seinen wild punchenden Gegner. Immer wieder wich er in die Seile zurück. Erst in der achten Runde drehte Ali richtig auf, traf Foreman hart an der rechten Schläfe und schlug ihn k.o.
Als Ali 1978 zum dritten Mal ein Titelgewinn gelang, hatte er sein sportliches Hoch längst überschritten. In den folgenden Jahren baute der „König der Welt“ (Ali) auf geradezu tragische Weise ab. Aus der Bewunderung für den besten Boxer aller Zeiten wurde Mitgefühl, vor allem nach seinem letzten Kampf 1981, den er in schlimmer Verfassung verlor. Und erst recht nach der Diagnose Parkinson, die sein weiteres Leben prägen sollte.
Trotzdem blieb er im Boxsport das Maß aller Dinge: Das Internationale Olympische Komitee kürte ihn schließlich zum „Sportler des Jahrhunderts“. Ali selbst bilanzierte 1984: „Was ich körperlich erlitten habe, war es wert für das, was ich im Leben erreicht habe.“

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