Ein Spektakel mit Zündstoff

Ausgabe 281

Foto: H. Schmiede, Facebook

(iz). „Wahr ist’s, daß wahre Verbindungen Zeit brauchen, wie Bäume, um Wurzeln zu treiben, Kronen zu bilden und Früchte zu bringen“, schrieb einst Goethe. ­Natürlich hat der Dichter mit seiner ­These Recht, wie der jüngste Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tay­yip Erdogan wieder einmal schmerzlich zeigte.
Wahrscheinlich wäre der Präsident besser beraten gewesen, mit einem Arbeitstreffen auf das Protokoll eines Staatsbesuches zu verzichten. So geriet seine Reise zu einem Spektakel, das den Emotionen von Freund und Feind reichlich Zündstoff lieferte. Die realpolitischen Notwendigkeiten für das Gespräch zwischen zwei befreundeten Staaten wären bei einem Arbeitstreffen vermutlich nicht so leicht in den Hintergrund gedrängt worden.
Gerade am dritten Tag in Köln erschien der Besuch zudem schlecht organisiert. Trotz des festlichen Protokolls hat der Deutschlandbesuch die Gräben zwischen den Ländern nicht verdecken können. Es war schon im Vorfeld völlig klar, dass der deutsche Bundespräsident Steinmeier gezwungen war, sogar auf dem Staatsbankett, heikle Themen anzusprechen.
Insgesamt war seine Tischrede im Schloss Bellevue aber ausgewogen. Steinmeier wies auf die gewachsenen historischen Beziehungen hin, beschrieb ausdrücklich den gesellschaftlichen und kulturellen Beitrag der Millionen Gast­arbeiter aus der Türkei für den Erfolg unseres Landes.
Die Reaktion Erdogans, er wich spontan von seinem Redemanuskript ab, wirkte dagegen eher angespannt und verstärkte in der deutschen Öffentlichkeit den wiederkehrenden Eindruck, dass der türkischen Politik in Sachen deutsch-türkische Beziehungen selbstkritische Töne fehlen. Zumindest die weiteren Begegnungen Erdogans mit der Bundeskanzlerin wirkten nüchterner und gaben, trotz „tiefgreifender Differenzen“, Hoffnung auf normale, freundschaftlichen Beziehungen. Auf kritische Nachfragen bezüglich des Schicksals ­inhaftierter oder angeklagter Journalisten verwies der türkische Präsident auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz.
Politik ist bekannterweise, manchmal notwendigerweise, flexibel. Hier unterscheidet sich die Rolle des Politikers vom Juristen oder der des islamischen Gelehrten. Aus Sicht der in Deutschland lebenden Muslime kann man die Politisierung der Eröffnungsveranstaltung der Kölner Moschee, einem potentiellen Symbol des Islam in Deutschland, nur bedauern. Die Rede Erdogans in Köln hatte dabei durchaus versöhnliche und freundliche Passagen. Der Präsident lobte zudem den Einsatz der Kommunal-, und Landespolitik für das Projekt.
Dennoch, hier wurde von der DITIB eine Chance vertan, ein Volksfest zu ­gestalten, das einen Weg in die Zukunft weist. Die Rolle von deutschen Muslimen und vielen wohlgesinnten Kommunalpolitikern bei dieser Inszenierung war es – so zumindest die öffentliche Wirkung –, nur noch Zaungäste zu sein. Die Kölner Bilder wirkten fatal. Eine Moschee in Deutschland erschien, selbst auf wohlwollende Beobachter, wie ein exterritoriales Gelände. Die Moscheeeröffnung und den Staatsbesuch zu verknüpfen war unter diesen Voraussetzungen eine klare Fehlentscheidung.